Arbeitsrecht – die zehn größten Irrtümer zum Urlaub

Anzugträger in Urlaubsstimmung sitzt auf Schreibtisch in Büro
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Im Bereich des Arbeitsrechts kursieren viele Missverständnisse und Irrtümer, besonders wenn es um das Thema Urlaub geht. Dieser Artikel klärt die zehn größten Irrtümer auf und bietet fundierte Erklärungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen.

Von der Auszahlung nicht genommener Urlaubstage bis hin zu den Bestimmungen über den Urlaubsanspruch bei einem Arbeitsplatzwechsel werden wichtige Aspekte beleuchtet. Ziel ist es, sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern ein klares Verständnis ihrer Rechte und Pflichten zu vermitteln.

Der Resturlaub verfällt am 31. März des Folgejahres

Entgegen einer verbreiteten Annahme verfällt der Resturlaub nicht automatisch am 31. März des Folgejahres. Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2018 sind die Bedingungen für den Urlaubsverfall deutlich strenger geworden. Laut Bundesurlaubsgesetz soll der Urlaub zwar grundsätzlich innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden, doch gibt es hierzu Ausnahmen. Wie Dr. Dirk Brust, Anwalt für Arbeitsrecht in Aachen, erklärt, sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Mitarbeiter schriftlich darauf hinzuweisen, dass der Urlaub bis spätestens zum 31. März des nachfolgenden Jahres angetreten sein muss, andernfalls er verfällt.

Fehlt eine solche Belehrung durch den Arbeitgeber, bleibt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erhalten. Dies gilt auch dann, wenn kein Urlaubsantrag vom Arbeitnehmer gestellt wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH festgelegt, dass die Beweislast bei den Arbeitgebern liegt. Sie müssen nachweisen können, dass sie ihre Mitarbeiter ausreichend informiert haben

Das Unternehmen bestimmt die Urlaubsdauer

Das Bundesurlaubsgesetz regelt die Mindestdauer des zusammenhängenden Urlaubs, wobei Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf mindestens zwei Wochen Urlaub in Folge haben. Dies entspricht bei einer Sechs-Tage-Woche zwölf Werktage. Für eine Fünf-Tage-Woche müssen mindestens zehn Arbeitstage am Stück gewährt werden. Das Gesetz fordert, dass Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren ist, jedoch sind Ausnahmen möglich. Diese können sich aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, ergeben. Ferner ist eine Abweichung von dieser Regelung durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen zulässig.

In der Probezeit haben Mitarbeiter keinen Urlaubsanspruch

Es herrscht die Fehlannahme, dass Mitarbeiter während der Probezeit keinen Anspruch auf Urlaub haben. Tatsächlich erwerben sie jedoch von Beginn ihrer Beschäftigung an einen anteiligen Urlaubsanspruch. Gemäß § 4 des Bundesurlaubsgesetzes steht Mitarbeitern jeden Monat ein Zwölftel des Jahresurlaubs zu. Bei einem Jahresurlaub von beispielsweise 24 Tagen entspricht das zwei Urlaubstagen pro Monat.
Sollte das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters nach drei Monaten enden, hat dieser Anspruch auf sechs Urlaubstage. Diese müssen ihm gewährt werden. Ist es nicht möglich, die Urlaubstage wahrzunehmen, so sind diese in Geld auszuzahlen. Dies gilt ebenfalls für kurzfristig Beschäftigte, wie Ferienjobber, deren Urlaubsanspruch sich nach der Dauer ihrer Beschäftigung richtet.

Der Arbeitgeber darf den Urlaub abbrechen

Es besteht der weit verbreitete Irrglaube, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern den Urlaub jederzeit abbrechen können. Dies ist jedoch nur unter sehr restriktiven Bedingungen zulässig. Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass nur „zwingende Notwendigkeiten“, die keinen anderen Ausweg lassen, einen Urlaubsabbruch rechtfertigen können. Beispielsweise ist das bloße Erkranken eines Kollegen kein hinreichender Grund für die Rückkehr aus dem Urlaub. Nur wenn die Existenz des Unternehmens gefährdet ist, kann dies als Begründung dienen. In einem solchen Fall sind auch die Stornierungskosten etwa für bereits gebuchte Flüge und Hotels vom Arbeitgeber zu tragen.

Einmal genehmigter Urlaub gilt grundsätzlich als fest zugesagt und kann nicht willkürlich widerrufen werden. Diese Regelung gilt analog auch für Arbeitnehmer, die nicht kurzfristig von einem genehmigten Urlaub zurücktreten können, außer beide Parteien sind mit einer Änderung einverstanden.

Urlaubstage können durch den Arbeitgeber ausgezahlt werden

Die Auszahlung von Urlaubstagen ist im Grundsatz nicht vorgesehen, da der Urlaub der Erholung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers dient und Geld keine Erholung ersetzt. Das Bundesurlaubsgesetz sieht eine finanzielle Kompensation von Urlaubstagen nur unter spezifischen Bedingungen vor. Eine solche Ausnahmeregelung tritt in Kraft, wenn aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Dies könnte der Fall sein, wenn die verbleibende Arbeitszeit nicht ausreicht, um den vollen Urlaubsanspruch zu gewähren, oder wenn dringende betriebliche Gründe die Inanspruchnahme des Urlaubs verhindern.

In solchen Fällen wird die Auszahlung des Urlaubs nach einer speziellen Berechnung durchgeführt, die im § 11 des Bundesurlaubsgesetzes definiert ist. Sie basiert auf dem Durchschnittsgehalt der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsantritt. Dieser Betrag wird mit der Anzahl der ausstehenden Urlaubstage multipliziert und anschließend durch die Gesamtzahl der Arbeitstage in diesem Zeitraum geteilt. Für Arbeitnehmer in Kurzarbeit gilt hierbei der reguläre, vor der Kurzarbeit bezogene Bruttolohn.

Urlaubstage verfallen bei langen Krankheit des Arbeitnehmers

Es herrscht die Regelung, dass Urlaubstage 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen, wenn der Arbeitnehmer langfristig erkrankt ist. Jedoch hat eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt die Rechtslage für Arbeitnehmer gestärkt. Dieses Urteil verlangt von Arbeitgebern, ihre langfristig krankgeschriebenen Angestellten ausdrücklich auf den drohenden Verfall ihrer Urlaubsansprüche hinzuweisen. Versäumt es ein Unternehmen, seine Beschäftigten hierüber zu informieren, so bleibt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auch nach den 15 Monaten erhalten.

Die gerichtliche Klärung dieser Frage wurde auch dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, der entschied, dass europäisches Recht den Verfall von Urlaubsansprüchen nicht erlaubt, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten nicht aktiv ermöglicht hat, diese Ansprüche wahrzunehmen. Trotz der Entscheidung des EuGH bleibt jedoch unklar, wie häufig und in welcher Form der Arbeitgeber seine Mitarbeiter informieren muss.

Führungskräfte müssen auch im Urlaub erreichbar sein

Die weitverbreitete Meinung, dass Führungskräfte auch während des Urlaubs ständig erreichbar sein müssen, entspricht nicht den gesetzlichen Regelungen. Der Urlaub dient grundsätzlich der Erholung, was uneingeschränkt auch für Personen in leitenden Positionen gilt. Wer also Diensthandy und Laptop während des Urlaubs nicht nutzt, ist rechtlich abgesichert. Der Kerngedanke des Urlaubs ist es, eine Pause vom Berufsalltag zu ermöglichen.

Dennoch ist es in der Praxis nicht unüblich, dass diese Rechtsgrundlage nicht immer Beachtung findet. Es wird berichtet, dass viele Führungskräfte aus Sorge um ihre berufliche Entwicklung auch im Urlaub erreichbar bleiben, obwohl dies rechtlich nicht gefordert ist.

Beim Arbeitnehmerwechsel bekommen Arbeitnehmer neuen Jahresurlaub

Die Annahme, dass Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Arbeitgebers erneut Anspruch auf den vollen Jahresurlaub haben, ist nicht korrekt. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vermeidet eine Doppelvergabe von Urlaubsansprüchen. Es ist üblich, dass die bereits in Anspruch genommenen Urlaubstage bei einem vorherigen Arbeitgeber in der Jahresrechnung des neuen Arbeitgebers berücksichtigt werden. Dennoch kann es Unterschiede geben, beispielsweise wenn der neue Arbeitgeber generell mehr Urlaubstage gewährt. In diesem Fall kann sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erhöhen.

Sollten Arbeitnehmer bei ihrem vorherigen Arbeitgeber bereits mehr Urlaub genutzt haben, als ihnen beim neuen Arbeitgeber zustehen würde, besteht kein Rückforderungsrecht für das neue Unternehmen. Zudem ist gesetzlich geregelt, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommener Urlaub abgegolten werden muss, etwa durch eine finanzielle Ausgleichszahlung.

Der gesetzliche Mindesturlaub liegt bei 24 Tagen

Das Bundesurlaubsgesetz sieht in § 3 einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen vor, basierend auf der traditionellen Sechs-Tage-Woche. Bei der heute häufigeren Fünf-Tage-Woche reduziert sich dieser Anspruch jedoch entsprechend auf 20 Arbeitstage pro Jahr. Dies entspricht vier Arbeitswochen und stellt die Basis dar, auf die jeder Arbeitnehmer mindestens Anspruch hat.

Der Jahresurlaub darf nicht an einem Stück genommen werden

Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, dass der Jahresurlaub nicht am Stück genommen werden darf. Tatsächlich räumt das Bundesurlaubsgesetz Arbeitnehmern grundsätzlich die Freiheit ein, ihren Urlaub nach eigenem Ermessen zu planen, einschließlich der Möglichkeit, ihn vollständig zusammenhängend zu nehmen. Das Gesetz verlangt sogar, dass der Urlaub im Prinzip zusammenhängend zu gewähren ist, sofern nicht wichtige betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dagegensprechen. Ein Beispiel für einen solchen Grund könnte sein, wenn aufgrund einer Verschiebung vieler Urlaubszeiten in die zweite Jahreshälfte betriebliche Abläufe gefährdet sind.

Ein Arbeitgeber muss die Ablehnung eines Urlaubsantrags aus betrieblichen Gründen deutlich begründen können. Beispielsweise könnte ein Ablehnungsgrund sein, dass eine Schlüsselperson in einer entscheidenden Phase eines Projekts unersetzlich ist. Mindestens einmal im Jahr muss der Arbeitgeber jedoch zwei zusammenhängende Wochen Urlaub gewähren, was ebenfalls gesetzlich festgeschrieben ist.