Scheinselbstständigkeit vermeiden – Verträge richtig gestalten

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Gegen den Einsatz von freien Mitarbeitern bestehen keine Bedenken. Allerdings gilt es, eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Sonst drohen erhebliche Risiken. Welche dies sind und auf was bei der Vertragsgestaltung unbedingt geachtet werden muss, erklärt Christian Günther von anwalt.de.

Welche Risiken drohen bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen?

In erster Linie droht die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen – mitunter für mehrere Jahre. Bei Arbeitsunfällen besteht das Risiko von Regressforderungen der Unfallversicherung. Zudem ist ein Strafverfahren wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt möglich.

Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer

Nachzuzahlen sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge. Von Mitarbeitern können in der Regel nur für bis drei Gehaltszahlungszeiten verlangt werden. Eine Ausnahme gilt, wenn der Auftraggeber die Scheinbeschäftigung nicht verschuldet hat. Dafür gelten allerdings strenge Maßstäbe. Schon ein nicht durchgeführtes Antragsverfahren beziehungsweise die fehlende Klärung mit der Krankenkasse als zuständiger Einzugsstelle genügt für eine Schuld. Schwierig bis unmöglich wird eine Beteiligung des Mitarbeiters sowieso, wenn er schon weg ist. Das Finanzamt wird zudem nicht entrichtete Lohnsteuer nachfordern – auch das für mehrere Jahre.

Arbeitsunfälle mit unkalkulierbaren Folgen

Bei Arbeitsunfällen Scheinselbstständiger muss der Auftraggeber der Unfallversicherung Aufwendungen erstatten. Die Beschäftigung gilt als Schwarzarbeit, eine Nachzahlung der Beiträge genügt nicht. Je nach Verletzung sind nicht nur Heilungskosten, sondern auch Kosten für Verletztenrenten, und beim Tod des Mitarbeiters Hinterbliebenenrenten, zu leisten.

Geldstrafe oder Freiheitsstrafe

Die Beschäftigung Scheinselbstständiger birgt zudem strafrechtliche Risiken. Neben Steuerhinterziehung steht insbesondere das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im Raum. Der § 266a Strafgesetzbuch sieht dafür Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Was kennzeichnet die Scheinselbstständigkeit?

Wie daran Beteiligte den Vertrag bezeichnen oder was sie damit bezwecken, ist zweitrangig. Entscheidend sind immer die tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Fall. Auftraggeber können sich an den folgenden Kriterien zur Abgrenzung einer abhängigen von einer selbstständigen Beschäftigung orientieren. Wichtig ist immer eine Gesamtbetrachtung.

Als selbstständig gilt, wer über die eigene Arbeitskraft beziehungsweise über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen kann.

Mitarbeiter gelten dagegen leicht als persönlich abhängige Beschäftigte und damit Scheinselbstständige aufgrund folgender Kriterien:

  • Der Auftraggeber darf laufend Weisungen erteilen und die Arbeit kontrollieren.
  • Der Auftraggeber bestimmt insbesondere Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung.
  • Der Mitarbeiter hat feste Arbeitszeiten, ist verpflichtet zur Nutzung der Stechuhr und muss auf Abruf bereitstehen.
  • Der Auftraggeber bestimmt nicht nur die Ziele, sondern auch die Art und Weise der Ausführung, um diese zu erreichen.
  • Der Auftraggeber ist der einzige Auftraggeber des Mitarbeiters.
  • Die Mitarbeit ist essenziell für die ordnungsgemäßen Arbeitsabläufe. Er hat eine Anwesenheitspflicht, muss insbesondere an Teambesprechungen teilnehmen und erledigt die gleichen Arbeiten wie angestellte Mitarbeiter.
  • Entscheidend ist auch der Einsatz eigenen Kapitals durch den Mitarbeiter. Er hat ein hohes Risiko es oder die eigene Arbeitskraft zu verlieren. Dagegen hat er keine Freiheiten, den eigenen Verdienst zu bestimmen. Und der Auftraggeber trifft vorrangig Entscheidungen über den Einsatz des eigenen Kapitals.
  • Leistungen werden im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erbracht, statt im eigenem Namen und auf eigene Rechnung des Mitarbeiters.
  • Der Auftraggeber bestimmt die Preise.
  • Der Auftraggeber liefert die Kunden, statt einer eigenen Kundenakquise des Mitarbeiters.

Lässt sich das Auftragsverhältnis nicht zweifelsfrei einordnen, sollten Auftraggeber zum eigenen Schutz ein Statusfeststellungsverfahren durchführen und den Rat eines Rechtsanwalts einholen. Das gilt insbesondere für die Vertragsgestaltung.

Was ist bei der Vertragsgestaltung unbedingt zu beachten?

Der Vertrag ist wichtig für ein erfolgreiches Auftragsverhältnis. Verträge mit freien Mitarbeitern dürfen jedoch keinen Arbeitsvertragscharakter haben oder vermitteln.

Auf folgende Eckpunkte sollten Auftraggeber deshalb achten.

  • Der Vertrag darf nur die Ziele und die Rahmenbedingungen setzen.
  • Er muss dem Mitarbeiter Raum dafür lassen, wie er diese erreicht.
  • Auf entsprechende Pflichten im Vertrag verzichten, da der Mitarbeiter selbst entscheiden muss.
  • Vorgaben sind ausdrücklich als Empfehlungen zu bezeichnen und auf das erforderliche Maß zu beschränken.
  • Kontrollrechte sind nur soweit erforderlich einzuräumen.
  • Keine Angaben, die den Eindruck einer persönlichen Abhängigkeit erwecken.
  • Arbeitsvertragliche Elemente wie feste Arbeitszeiten, Bereitschaftszeiten, Probezeit oder gar Urlaub haben in einem Vertrag mit freien Mitarbeitern nichts zu suchen.

Wichtig ist es dann, dass der Vertrag tatsächlich so durchgeführt und nicht davon abgewichen wird. Sonst droht die Einstufung der Tätigkeit als Scheinselbstständigkeit aufgrund der gelebten Umstände.

Sollten Auftraggeber einen Dienstvertrag oder Werkvertrag vereinbaren?

Weitere wichtige Frage ist, auf welcher Vertragsart das Verhältnis basieren soll. In den meisten Fällen ist es entweder ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag. Beide haben entscheidende Unterschiede. Und es gelten jeweils eigene Regeln für sie. Die Abgrenzung fällt mitunter schwer.

Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist insofern:

  • Beim Dienstvertrag schuldet der Auftragnehmer eine Tätigkeit, den Dienst.
  • Beim Werkvertrag muss der Auftragnehmer ein Ergebnis liefern, das Werk.

Beim Dienstvertrag liegt das Unternehmerrisiko vorrangig beim Auftraggeber. Denn er muss auch dann bezahlen, wenn die erbrachten Dienste keinen Nutzen für ihn hatten.

Beim Werkvertrag trägt dagegen vorrangig der Auftragnehmer das unternehmerische Risiko. Denn er hat nur dann Anspruch auf Bezahlung, wenn er das vereinbarte Ergebnis abliefert. Der Werkvertrag klingt für Auftraggeber damit zunächst verlockender. Dafür ist der Auftragnehmer freier in der Erbringung. Regelmäßig ist sein Risiko mit einer für ihn höheren Vergütung verbunden.

Ohnehin lässt sich nicht jede Leistung als Werkvertrag klassifizieren. So hängt zum Beispiel der Erfolg einer Beratungsleistung davon ab, ob der Auftragnehmer beziehungsweise dessen Beschäftigte sie vorteilhaft umsetzen können.

Statt der Bezeichnung als Werkvertrag oder Dienstvertrag ist zudem der Inhalt des Vertrags entscheidend. So stellte sich schon so mancher Werkvertrag vor Gericht als Dienstvertrag heraus und umgekehrt. Deshalb ist eine die Prüfung von Verträgen besonders wichtig, bevor die Beteiligten sie unterzeichnen.

Lassen Sie Ihren Werkvertrag prüfen!

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Quelle: Christian Günther, Assessor iur., Redakteur – Content Manager, anwalt.de services AG

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