Außerordentliche Kündigung wegen Unterschriftenfälschung

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Die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages ist nur unter hohen Voraussetzungen statthaft. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit Urteil vom 26.05.2017 (Aktenzeichen: 16 U 61/16) damit zu befassen, ob diese mit einer Unterschriftenfälschung erfüllt sind. Rechtsanwältin Riccarda-Katharina Graul, von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte, fasst den Fall und das Urteil zusammen.

Ein Versicherungsvertreter war für eine Unternehmerin als Handelsvertreter zur Vermittlung von Versicherungen tätig. Das Versicherungsunternehmen kündigte das Agenturverhältnis außerordentlich, nachdem der Versicherungsvertreter bei der Unternehmerin einen Versicherungsantrag auf Abschluss einer Lebensversicherung einreichte. Dieser war ohne Angabe eines Vertretungsverhältnisses mit dem Namen des Versicherungsnehmers unterschrieben, tatsächlich aber durch den Bruder des Versicherungsnehmers unterzeichnet worden.

Zurückweisung der Kündigung

Die Kündigung wurde seitens des Versicherungsvertreters als unberechtigt zurückgewiesen. Von der Unternehmerin wurde die Zahlung eines Schadenersatzes gefordert. Die falsche Unterschrift sei nach Angaben des Versicherungsvertreters entstanden, obwohl dieser dem Bruder des Versicherungsnehmers gegenüber ausdrücklich erklärt habe, dass dieser auf dem Formular vermerken soll, dass er für den Versicherungsnehmer in Vollmacht unterzeichnet. Den Antrag habe er nachträglich nicht kontrolliert. Der Versicherungsvertrag kam schlussendlich nicht zustande und die Provision musste nicht bezahlt werden, da der Versicherungsnehmer von dem Vertrag Abstand nahm.

OLG Düsseldorf: Unterschriftenfälschung stellt wichtigen Kündigungsgrund dar

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn es dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen und die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Bei der Abwägung sind u. a. Art und Schwere der Vertragsverletzung zu berücksichtigen.

Das für einen Handelsvertretervertrag unumgängliche Vertrauensverhältnis ist jedenfalls – so das OLG Düsseldorf – zerstört, wenn ein Handelsvertreter dem Unternehmen bewusst einen Vertrag mit gefälschter Unterschrift vorlegt. Dies löst Zweifel über die Zuverlässigkeit des Handelsvertreters aus. Es lässt das Unterschieben weiterer solcher Verträge befürchten, insbesondere, wenn diese eine hohe Provision versprechen (wie der Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung). Ein Versicherungsunternehmen muss darauf vertrauen können, dass die vermittelten Versicherungsverträge auf einwandfreie Weise zustande gekommen sind.

Demnach war es der Unternehmerin nicht zuzumuten, den Versicherungsvertreter weiter zu beschäftigen. Die Tatsache, dass der Versicherungsvertreter für sich keinen wirtschaftlichen Vorteil erzielt hat, ändert daran nichts.

Außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages: Formelle Voraussetzungen

Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund entsprach auch den formellen Voraussetzungen. Wegen des Charakters der außerordentlichen Kündigung als letztes Mittel zur vorzeitigen Vertragsbeendigung soll die fristlose Kündigung erst nach einer Abmahnung erfolgen. Die vorherige Abmahnung ist jedoch nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten des Vertragspartners die Vertrauensgrundlage in so schwerwiegender Weise erschüttert hat, dass dies auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte.

Vorliegend war eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Schließlich begründet die Unterschriftenfälschung auf dem Versicherungsantrag einen grundlegenden Vertrauensverlust und stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Es widerspricht eklatant der dem Handelsvertreter gemäß §§ 84 Abs. 1, 86 Abs. 1 HGB obliegenden Pflicht, dem Unternehmer möglichst rechtswirksame Verträge zu vermitteln, wenn der Handelsvertreter wissentlich einen Vertrag mit gefälschter Unterschrift vorlegt.

Kein Schadensersatzanspruch des Versicherungsvertreters

Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Versicherungsvertreter keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, 281 BGB hat. Der Versicherungsunternehmerin sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Die Unternehmerin hat das Vertragsverhältnis vielmehr zu Recht wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes wirksam außerordentlich gekündigt.

Auch wenn der Versicherungsvertreter Jahrzehnte für die Unternehmerin beanstandungslos gearbeitet hat, ändert dies hieran nichts. Die Unternehmerin muss ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Versicherungsvertreters, das im unmittelbaren Zusammenhang mit den Vertragspflichten steht, nicht hinnehmen.

Da der Versicherungsvertrag letztlich nicht zustande kam und die Provision nicht bezahlt werden musste, ist der Unternehmerin durch die Pflichtwidrigkeit des Versicherungsvertreters kein Vermögensschaden entstanden. Dies ist jedoch für den Schadensersatzanspruch unerheblich, denn maßgeblich sind hier die schwerwiegende Pflichtwidrigkeit des Versicherungsvertreters und der Vertrauensbruch.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass ein Handelsvertreter für einen rechtlich einwandfreien Vertragsabschluss sorgen muss und jeden Versicherungsantrag daher besser vor Einreichung kontrollieren sollte. Tut er dies nicht, kann dies – zum Beispiel bei gefälschten Unterschriften – eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages zur Folge haben. Dies sogar ohne vorherige Abmahnung und auch unter Berücksichtigung einer langjährigen beanstandungsfreien Tätigkeit des Handelsvertreters.

Trotz der Entscheidung des OLG Düsseldorf in dieser Sache ist jeder Partei des Handelsvertreterverhältnisses dringend anzuraten, vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine anwaltliche Beratung aufzusuchen. Hintergrund ist, dass jeder Fall konkret rechtlich zu beurteilen ist und auch die Umstände des Einzelfalles entscheidend sein können. Da die Auswirkungen einer außerordentlichen Kündigung sehr weitreichend sind und auch zum Verlust des Ausgleichsanspruches führen können (siehe hierzu Der Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters), sollte eine außerordentliche Kündigung erst nach rechtlicher Bewertung des konkreten Falles durch einen im Vertriebsrecht spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen.

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