BGH: Versicherungsmakler müssen Kunden nicht dauerhaft betreuen

190624-Geldschein gefaltet-FO-22700959-Comugnero Silvana190624-Geldschein gefaltet-FO-22700959-Comugnero SilvanaComugnero-Silvana / fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala

Der Bundesgerichtshof entschied (BGH, Urteil vom 28.06.2018, Az. I ZR 77/17), dass ein Versicherungsmaklervertrag nicht voraussetzt, dass der Auftraggeber nach der getroffenen Vereinbarung dauerhaft zu betreuen ist. Ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung gibt es eine solche laufende Betreuungspflicht im Allgemeinen nicht.

Keine Notwendigkeit der Betreuung des Versicherungsnehmers auf Dauer

Der BGH unterstreicht, dass die Hauptleistung des Versicherungsmaklers in der Vermittlung oder (als Bevollmächtigter) dem Abschluss von Versicherungsverträgen besteht.

Die laufende Betreuung kann eingeschlossen werden – was ein Dauerschuldverhältnis bedeutet – sie muss jedoch nicht zwingend vereinbart sein. Eine laufende Betreuung braucht es für einen Maklervertrag gerade nicht. Ein Versicherungsmaklervertrag liegt auch dann vor, wenn keine laufende Betreuung vom Makler versprochen wird.

Tarifwechselmakler arbeiten legal im Maklerberuf – in Konkurrenz zu Versicherungsberatern

Dr. Johannes FialaDr. Johannes Fiala Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala

Der BGH stellt erstmalig klar, dass auch die Einholung von Angeboten zum Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung (PKV) zur Tätigkeit des Versicherungsmaklers gehört. Dies auch, wenn der Makler weder den bisherigen Tarif vermittelt hatte noch die laufende Betreuung später übernommen, sondern er sich auf die einmalige Vermittlung des Tarifwechsels beschränkt.

Es ist für den BGH auch unerheblich, dass kein neuer PKV-Vertrag vermittelt wird und dies auch gar nicht als eine Alternative vorgesehen ist – sondern der bisherige Vertrag mit der PKV nur unter veränderten Bedingungen, im vermittelten gewechselten neuen Tarif fortgesetzt wird.

Damit befindet sich der Makler auch gegenüber Verbrauchern, in allen denkbaren Sparten, in Konkurrenz zum Versicherungsberater – dem eine Erfolgsvergütung nicht gestattet sein wird. Der Versicherungsmakler kann sich bis zur Grenze des Wuchers eine Courtage vom Versicherungsnehmer (VN) versprechen lassen. Freilich trifft den Tarifwechselmakler noch eine Aufklärungspflicht über sein Vergütungsmodell – sonst kann er die Courtage kaum sicher einklagen.

Haftung für unterlassene und defizitäre Tarifwechselberatung

Bisweilen erweist sich der neue Tarif als am Ende teurer, und der VN wechselt später abermals nach § 204 VVG den Zieltarif aus. Die Beratung durch Versicherer (VR) nebst Agenten kann sich nach Prüfung durch einen Tarifwechselmakler als defizitär erweisen – dies eröffnet dem VN die Option den VR später um Kostenerstattung und Schadenersatz für die zu viel gezahlten Prämien zu bitten. Dies auch, wenn er wegen mangelhafter Beratung zu Tarifwechselmöglichkeiten durch VR, Agenten oder Makler sich für einen ungünstigeren Versichererwechsel entscheidet. Ein Makler kann hier nicht einwenden, dass er – anders als zum Versichererwechsel – zu Tarifwechseln nach § 204 VVG gar nicht beraten dürfte, weil ihm das angeblich nicht erlaubt wäre.

Dauerschuldverhältnisse führen den Makler in laufende Haftungsverantwortung

Bereits das OLG Frankfurt/Main (Urteil vom 05.07.2006, Az. 7 U 68/05) folgerte, dass ein Dauerschuldverhältnis dann entsteht, wenn der Versicherungsmakler zusätzliche Leistungen verspricht, wie beispielsweise eine Bestandspflege, eine Überwachung des Risikoobjektes, die Anpassung der Versicherungsdeckung an veränderte Umstände, eine Vertragsverwaltung mit daraus folgender Überwachungspflicht. Erkennbar sei dies etwa an beauftragtem Beitragseinzug oder Betreuungsprovision – wobei auch hier der Umfang einer damit vergüteten Betreuung fraglich ist. Einer ausdrücklichen Abdingung einer laufenden Betreuungspflicht bedarf es indes nicht.

Im Fall des OLG Frankfurt konnte der VN den Makler nicht in Regresshaftung nehmen, weil der Makler kein Dauerschuldverhältnis eingegangen war – die Anpassung einer Gebäudeversicherung hätte der VN selbst in die Wege leiten müssen, und blieb so auf einem Teilschaden sitzen. Nur wenn der Makler erkennt, dass der VN tätig werden muss, kann ihn eine Hinweispflicht treffen.

Versicherungsmaklervertrag mit absehbaren VSH-Deckungslücken?

Peter A. SchrammPeter A. Schramm Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Es gibt zahlreiche weitergehende Versprechen in Maklerverträgen, welche auf ein Dauerschuldverhältnis schließen lassen – auch an versteckter anderer Stelle wie Anschreiben und Aussagen auf der Website, bei verschiedenen denkbaren Versprechen des Maklers gegenüber seinen Kunden. Derartige Verantwortung freiwillig gegenüber Kunden zu übernehmen, sehen manche VR recht gerne – die Makler mutieren zum Versicherungsagent beziehungsweise Versicherungsvertreter.

Der Versicherungsmakler sollte sich darüber vergewissern, dass seine verschiedenen denkbaren „Betreuungsleistungen“ nach den landläufigen Bedingungswerken in der Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung (VSH) gar nicht erst von der Versicherungsdeckung umfasst sind. Dies schließt auch Tätigkeiten mit ein, die als Service empfunden werden und manche Courtagezusage dem Makler nahe bringt. Ein genauer Vergleich zwischen Maklervertrag und Makler-AGB mit den VSH-Bedingungen offenbart den nicht versicherten Bereich eigener Versprechen gegenüber VN. Für die Vermittlung nicht erforderliche Dienstleistungen zu vermittelten Versicherungen versprechen könnte sogar eine verbotene Provisionsweitergabe darstellen und zur Nichtigkeit entsprechender Verträge führen.

Von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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