Erlaubnispflicht zum Abschluss von Gruppenversicherungsverträgen?

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hatte sich mit Urteil vom 27.06.2019 (Aktenzeichen: 6 U 108/18) mit der Frage zu befassen, ob eine Erlaubnispflicht zum Abschluss von Gruppenversicherungsverträgen besteht. Diese Frage verneinte das Gericht.

Der Sachverhalt vor dem OLG Frankfurt a. M.

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit war Unternehmensgegenstand einer Kapitalgesellschaft unter anderem die Vermittlung von Versicherungsverträgen über die Rückholung von kranken und verletzten Personen mit Fluggerät und sämtlicher sonstiger in diesem Zusammenhang anfallender Geschäfte. Dafür schließt sie „Mitgliedschaften“ über Vermittler ab, die von ihr beauftragt sind. Danach werden den Kunden, welche die Mitgliedschaft unterzeichnen, die Kosten der Rückreise aus dem Urlaubsort im Ausland im Falle der Erkrankung erstattet.

Hiergegen klagte man auf Unterlassung und sah eine solche Mitgliedschaft als eine erlaubnispflichtige Vermittlung von Versicherungsverträgen oder als eine originäre Tätigkeit als Versicherungsunternehmen an. Daher mahnte der Kläger die Kapitalgesellschaft ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Nachdem eine solche Erklärung nicht abgegeben wurde, wurde gerichtlich auf Unterlassung geklagt.

Kein Verstoß gegen § 34d Abs. 1 GewO

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Das OLG Frankfurt verneint einen Unterlassungsanspruch. Nach Ansicht des Gerichts lag kein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht gemäß § 34d GewO vor. Gem. § 34d Abs. 1 GewO ist Versicherungsvermittler, wer für einen anderen Versicherungsschutz beschafft, ausgestaltet oder abwickelt, ohne Versicherungsnehmer oder Versicherer zu sein.

Hierunter ließe sich aber laut OLG Frankfurt die hier beklagte Kapitalgesellschaft nicht fassen, da diese selbst mit einem Versicherer zusammenarbeitet und Versicherungsnehmer ist. Ein Unternehmen, welches als Versicherungsnehmer Gruppenversicherungsverträge abschließt, benötigt keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörden.

Nach dem Wortlaut des § 34d GewO wird derjenige, der Versicherungen vermittelt, gerade nicht selbst Partei des Versicherungsvertrages. Die Tätigkeit der Beklagten bewegt sich demnach außerhalb der Grenzen des Wortsinns des § 34 d GewO, sodass diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall – jedenfalls nicht direkt – anwendbar ist.

34d Abs. 1 GewO ist auch nicht analog anwendbar

Somit blieb nur noch die Frage zu klären, ob eine analoge Anwendung des § 34d Abs. 1 GewO auf den vorliegenden Fall in Betracht kommt.

Auch dies verneinte das OLG Frankfurt, da es diesbezüglich an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle, die dies ermöglichen würde. Schließlich sieht das VVG in § 43 explizit Gruppenversicherungen vor. Unter einer Gruppenversicherung versteht man einen Versicherungsvertrag, den ein Versicherungsnehmer für eine Gruppe von Versicherten mit dem Versicherer abschließt (Versicherung für fremde Rechnung).

Es wird zwischen unechten und echten Gruppenversicherungsverträgen unterschieden. Bei einem echten Gruppenversicherungsvertrag schließt ein Unternehmen einen Versicherungsvertrag mit dem Versicherer ab, dem die Mitarbeiter des Unternehmens beitreten können. Ein solcher echter Gruppenversicherungsvertrag liegt hier vor. Wenn aber das VVG eine solche Vertragsgestaltung kennt, spricht dies dagegen, den Gruppenversicherungsnehmer einem Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d GewO gleichzustellen.

Kooperation mit Versicherer war offensichtlich

Der klageführende Verein war der Auffassung, dass die Gesellschaft zumindest als Versicherer anzusehen sei und deshalb einer Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedürfe.

Dieser Auffassung war das OLG nicht. Es führte dazu aus, dass für die Frage, ob ein Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedarf, es nicht darauf ankomme, ob ein Unternehmen im Rahmen seiner Vertragsgestaltung/-durchführung möglicherweise den Eindruck erweckt, ein Versicherer zu sein. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) gilt für Unternehmen, die tatsächlich den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben. Eine möglicherweise irreführende Vertragsgestaltung löst keine Pflicht aus, die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde einzuholen.

Im Übrigen ließe sich dem Internetauftritt der Gesellschaft entnehmen, dass der Versicherungsschutz nicht durch sie, sondern durch ihren Versicherer gewährt wird. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass explizit auf den kooperierenden Versicherer hingewiesen wurde.

Fazit: Keine Erlaubnispflicht zum Abschluss von Gruppenversicherungsverträgen

Das OLG Frankfurt urteilt also, dass ein Unternehmen, das sog. echte Gruppenversicherungsverträge abschließt, hierfür keine Erlaubnis als Versicherungsvermittler nach § 34d GewO benötigt.

Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

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