AGB-mäßige Verkürzung der Verjährung in Vertreterverträgen

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Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass AGB-Klauseln in Vertreterverträgen, die die Verjährung verkürzen, unwirksam sein können.

Im Wege der Stufenklage begehrte ein Vertreter zunächst den Buchauszug, um sich daraus ergebende rückständige Provisionen und einen weitergehenden Ausgleich gegen das beklagte Unternehmen durchzusetzen. Im Vertretervertrag war vereinbart, dass der Unternehmer monatlich über alle im Abrechnungszeitraum fälligen Provisionen abrechnet. Der Vertreter war vertraglich verpflichtet, die Abrechnungsunterlagen nach Erhalt auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Widersprüche sollten innerhalb von vier Wochen nach Zugang schriftlich bei der Hauptverwaltung des Unternehmers eingehen.

Juergen-Evers-2019-Evers-Rechtsanwaelte[1]Juergen-Evers-2019-Evers-Rechtsanwaelte[1] Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzleiinhaber Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Zur Frage der Verjährung enthielt der Vertretervertrag die folgende Klausel: „Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in 13 Monaten ab dem Ende des Monats, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt, spätestens aber in drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem die Fälligkeit eintritt. Dies gilt nicht für Ansprüche, für die das Gesetz zwingend eine längere Verjährung bestimmt hat. Der Kenntniserlangung steht es gleich, wenn der Berechtigte ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen können. Die Regelung gewährleistet, dass eventuelle Unstimmigkeiten über die gegenseitigen Rechte und Ansprüche, insbesondere Provisionen und ihre Abrechnung, aktuell und zeitnah geregelt werden.“

Der Vertreter hat den Buchauszug für die Zeit seit dem 1. Oktober 2014 begehrt. Der Unternehmer entgegnete, dass er den Buchauszug längstens für 13 Monate zurückverlangen könne. Das Landgericht wies die Einrede des Unternehmers zurück und gab dem Vertreter Recht. Der X. Zivilsenat des OLG Stuttgart schloss sich der Meinung an und grenzte sich damit vom VII. Zivilsenat ab, der die Klausel gebilligt hatte.

Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug

Das OLG Stuttgart begründete seine Entscheidung unter anderem wie folgt. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87 c Abs. 2 HGB verjähre selbstständig in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Es handele sich um einen Hilfsanspruch, der gegenstandslos werde, wenn der Provisionsanspruch, zu dessen Vorbereitung er diene, wegen Verjährung oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann. Der Anspruch entstehe, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies sei in der Regel mit Fälligkeit der Leistung der Fall.

Die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs beginne daher regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehende Provision erteilt hat. Davon sei auszugehen, wenn diese ohne Einschränkungen oder Vorbehalte erteilt werde. Denn mit einer einschränkungs- und vorbehaltlosen Abrechnung erkläre der Unternehmer, dass keine weiteren Provisionsforderungen des Vertreters für den jeweiligen Abrechnungszeitraum bestünden.

Verjährungsverkürzung durch AGB unwirksam

Eine Verkürzung von Verjährungsfristen sei zwar in unternehmerseitig vorformulierten Vertragsbestimmungen nicht durchweg ausgeschlossen. Es bestehe zudem grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an einer möglichst zeitnahen Klärung von Uneinigkeiten über die gegenseitigen Rechte und Ansprüche, insbesondere Provisionen.

Der im Streitfall verwendeten vorformulierten Vertragsklausel zur Abkürzung der Verjährung sei jedoch die Wirksamkeit zu versagen. Sie erfasse nach ihrem Wortlaut auch Haftungsansprüche aus dem Vertrag wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen.  Die Klausel benachteilige den Vertreter daher entgegen § 307 BGB unangemessen, weshalb sie insgesamt unwirksam sei. Sie könne auch nicht auf einen wirksamen Teil reduziert werden.

Außerdem sei die im Gesetz zum Ausdruck kommende Wertung, nach der ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in AGB unwirksam ist, grundsätzlich auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu beachten. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der Klausel.

BGH-Entscheidung überholt

Der BGH habe sich zwar bisher nicht an einer Beschränkung von Ansprüchen des Vertreters wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Pflichtverletzung gestört. Doch dies liege daran, dass der BGH die vertretervertragliche Abkürzung der Verjährung noch an der alten Rechtslage gemessen habe. Die Entscheidung könne daher für die Beurteilung der Verjährung nach den geltenden Vorschriften nicht herangezogen werden. Für eine interessengerechte Verjährungsabkürzung bedürfe es nicht einer weiten Formulierung, die auch vorsätzliche Schadenersatzansprüche wegen Pflichtverletzung einschließe.

Kritik

Der Begründung des Senats kann nicht gefolgt werden, soweit der Senat davon ausgeht, die Abkürzung erstrecke sich auf Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen. Denn die Klausel bestimmt ausdrücklich, dass sie nicht für Ansprüche gilt, für die das Gesetz zwingend eine längere Verjährung bestimmt hat. Deshalb hätte der Senat sich mit dieser Ausnahmebestimmung auseinandersetzen müssen.

Bedenklich erscheint jedoch in jedem Fall die Verkürzung der kenntnisunabhängigen Verjährung auf drei Jahre. Das Gesetz sieht insoweit zehn Jahre vor (§ 199 Abs. 4 BGB). Während eine Verkürzung auf vier Jahre keinen Bedenken unterliegt, weil sie dem alten Recht entsprach, erscheint eine weitergehende Beschränkung des Zeitraums sachlich nicht gerechtfertigt. Deshalb dürfte die Entscheidung im Ergebnis in Ordnung gehen.eR05-20_Mehr-zum-Thema_745x279pxeR05-20_Mehr-zum-Thema_745x279px

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