Kein Anspruch auf einen den Zeitwertschaden übersteigenden Neuwertanteil

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Das Oberlandesgericht Schleswig hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob ein Versicherungsnehmer gegen die Gebäudeversicherung nach einem Brandschaden an Nebengebäuden einen Anspruch auf Zahlung des den Zeitwert übersteigenden Neuwertanteils hat (OLG Schleswig, Urteil vom 18. November 2019 – Az. 16 U 22/19).

Das OLG hatte dabei insbesondere zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen von einer Gleichartigkeit zwischen einem zerstörten und neu errichteten Vorhaben ausgegangen werden kann.

Der Fall vor dem OLG Schleswig

Der Kläger begehrt nach einem Brandschaden vom beklagten Gebäudeversicherer die Zahlung des Neuwertanteils (sogenannte „Neuwertspitze“) sowie Mehrkosten für die Wiederherstellung durch behördliche Auflagen.

Auf dem Grundstück des Klägers befanden sich neben einem Wohnhaus auch Nebengebäude in Form einer Halle mit einem Anbau mit Pultdach, eine Garage und eine weitere Halle mit Tonnendach. Bis auf die Grundmauern brannten die genannten Nebengebäude ab.

Der Versicherungsnehmer hat bereits als Entschädigung die Zahlung des Zeitwertes erhalten. Hinsichtlich der Wiederherstellung hat der Versicherte die Erteilung der Baugenehmigung beantragt. Die Genehmigung wurde dem Kläger sodann erteilt. Des Weiteren teilte der Kläger dem Gericht mit, dass er bereits mit Bodenarbeiten begonnen habe.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung des OLG Schleswig

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 18. November 2019 entschieden, dass der Kläger unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten einen Anspruch auf Ersatz des Neuwertanteils hat, der den Zeitwertschaden übersteigt.

Bezüglich des Neuwertanteils der Entschädigung setzt § 29 Ziff. 5 VGB 2006 (Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen) voraus, dass der Versicherungsnehmer nur dann einen Zahlungsanspruch hat, soweit und sobald dieser innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die den Inhalt der Entschädigungsklausel bestimmt.

Die sogenannte „strenge Wiederherstellungsklausel“

In dem vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so das Gericht. Der Kläger habe nicht innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt, dass er die Entschädigung verwenden würde, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen.

Der Beklagten lag innerhalb der maßgeblichen Frist lediglich die dem Kläger erteilte Baugenehmigung und den dazugehörigen Bauantragsunterlagen vor. Dass der Kläger schon Investitionen bezüglich der Wiedererrichtung der Hallen und sonstigen Nebengebäude getätigt habe und Bodenarbeiten in Form der Errichtung eines Fundaments durchführen lassen habe, genüge als Beurteilungsgrundlage für die Beklagte im Hinblick auf die Gleichartigkeit der wiederherzustellenden Gebäude jedoch nicht.

Weitere Umstände, aufgrund derer die Sicherstellung der vertragsgemäßen Verwendung der Neuwertentschädigung innerhalb der maßgebenden Frist hätte festgestellt werden können, seien nicht vorgetragen. Der Kläger habe unstreitig keinen Bauvertrag, von dem er sich nicht mehr oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen einseitig hätte lösen können, innerhalb der Frist abgeschlossen (vergleiche BGH Urteil vom 18. Februar 2004 – IV ZR 94/03).

Die Neuwertversicherung

Sinn und Zweck der Neuwertversicherung sei, dass mit ihr der etwaige Schaden ausgeglichen werden soll, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er hinsichtlich der Wiederherstellung des zerstörten Gebäudes einen höheren Kostenaufwand als den Zeitwert hat. Es erfolge somit eine Beschränkung des Umfangs des Ersatzanspruchs auf diesen tatsächlichen Schaden.

Aufwendungen durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes, die bei der Wiedererrichtung entstehen, sollen dagegen von der Neuwertversicherung dem Grundsatz nach nicht abgedeckt werden. Demnach sei eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers aus Anlass des Schadenfalls zu vermeiden, um ein Interesse am Abbrennen des versicherten Gebäudes nicht zu fördern, so das Gericht (vergleiche BGH Urteil vom 20. April 2016 – IV ZR 415/14). Ziel der sogenannten „strengen Wiederherstellungsklausel“ in der Wohngebäudeversicherung sei daher die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers.

Keine Gleichartigkeit bei der Wiederherstellung

Nach Auffassung des Gerichts fehle es außerdem an der Gleichartigkeit der innerhalb der Ausschlussfrist beabsichtigten Wiederherstellung. Dies ergebe sich bereits aus der mitgeteilten Größe des Vorhabens. Auf Grundlage der Baugenehmigung sei festzuhalten, dass das neu zu errichtende Vorhaben die Größe des ursprünglichen Gebäudes um mehr als die Hälfte, nämlich um 55 Prozent übersteigen würde. Dass der Kläger die Planung dann aber geändert habe und die Wiederherstellungsmaßnahmen eine Überschreitung des Rauminhalts um ungefähr 12 Prozent mit sich bringen würden, ändere hieran nichts.

Die ganz genaue Übereinstimmung sei zwar nicht zu fordern. Dennoch sei die Größe entscheidend für den Vergleich zwischen beschädigtem und neu errichtetem Gebäude, so das OLG. Wird das Gebäude in seiner Gesamtheit wesentlich vergrößert, so geht dies in der Regel über Modernisierungsmaßnahmen, die von der Neuwertentschädigung mit abgedeckt sein können, hinaus. Deshalb kann eine Wiederherstellung nur dann angenommen werden, wenn das neu errichtete Gebäude etwa dieselbe Größe wie das zerstörte aufweist und gleichartigen Zwecken dient (vergleiche BGH Urteil vom 21. Februar 1990 – IV ZR 298/88).

Hinweise für die Vermittlerpraxis

Im Ergebnis kann das Urteil überzeugen. Die Wiederherstellung durch Errichten eines neuen Gebäudes muss im Vergleich zum zerstörten Gebäude gleichartig sein. Dies ist vorliegend deshalb nicht gegeben, da die Größe des neuen Objekts die des zerstörten Gebäudes erheblich übersteigt, nämlich um rund 12 Prozent.

Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich keine Aufwendungen abdecken, die dann entstehen, wenn es bei der Wiedererrichtung zu wesentlichen Verbesserungen des Gebäudes kommt. Einerseits besteht der Zweck darin, die Bereicherung des Versicherungsnehmers auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet. Dabei geht es um für den Versicherungsnehmer zwingend notwendige Ausgaben, die ungeplant waren und diesem erst durch den Versicherungsfall auferlegt werden (vergleiche BGH Urteil vom 20. April 2016 – IV ZR 415/14).

Aus diesem Grund sollte jede Leistungsverweigerung einer Versicherung zeitnah juristisch überprüft werden. Bei Leistungsablehnungen von Gebäudeversicherungen sind viele rechtliche Aspekte zu überprüfen und beachten. An dieser Stelle hätte der Versicherungsnehmer auch im Vorfeld darauf hingewiesen werden können, dass in solchen Fällen ein Anspruch auf den, den Zeitwert übersteigenden, Neuwert möglicherweise nicht besteht. Es ist daher sinnvoll, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden können.

Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

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