Das Ausschließlichkeitsgebot

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Ein vertragliches Wettbewerbsverbot für Versicherungsvertreter wird für gewöhnlich auch als Ausschließlichkeitsgebot benannt. Zeitlich gesehen beschreibt ein Ausschließlichkeitsgebot damit ein während des Bestehens des Handelsvertretervertrages geltendes Wettbewerbsverbot.

Hierdurch unterscheidet es sich von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, welches ggf. im Anschluss an die Beendigung des Handelsvertretervertrages bestehen kann.

Rechtliche Grundlagen des Ausschließlichkeitsgebots

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Viele Handelsvertreterverträge enthalten vertragliche Regelungen zum Ausschließlichkeitsgebot. Auch bei Fehlen einer solchen expliziten Regelung wäre eine Konkurrenztätigkeit des Versicherungsvertreters allerdings mit der ihm nach § 86 HGB obliegenden Treuepflicht unvereinbar. Nach der Entscheidung des BGH mit Urteil vom 17.10.1991 (Az.: I ZR 248/89) kann aber auch ohne ausdrückliche Regelung im Handelsvertretervertrag für Versicherungsvertreter ein Ausschließlichkeitsgebot bestehen.

Im Rahmen des Handelsvertretervertrages kann das Wettbewerbsverbot jedoch konkretisiert oder aber auch eingeschränkt werden. Auch ist es möglich, dass auf ein Wettbewerbsverbot gänzlich verzichtet wird. Dies ist zum Beispiel bei Mehrfachvertretern der Fall, die für unterschiedliche Versicherer Versicherungsverträge vermitteln sollen, selbst wenn diese Versicherungsverträge untereinander in Konkurrenz zueinanderstehen.

Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot

Verstöße gegen das Ausschließlichkeitsgebot können weitreichende rechtliche Folgen nach sich ziehen. Ob dabei ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsvertreters als Verstoß gewertet werden kann, ist dabei oftmals jedoch nicht einfach feststellbar. Abzugrenzen ist der Wettbewerbsverstoß dabei insbesondere von bloßen Vorbereitungshandlungen.

Wettbewerbsverstoß

Dem Versicherungsvertreter ist es nicht schlechthin verwehrt, für andere Firmen Geschäfte zu tätigen. Das Ausschließlichkeitsgebot verbietet ihm nur, die Vermittlung von Produkten, mit denen er im Wettbewerb zu seinem Versicherer beziehungsweise Vertriebsgesellschaft tritt (vgl. Schürr in Küstner/Thume: Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band I, Kap. III, Rn. 59). Oftmals liegt ein Wettbewerbsverstoß damit jedoch dann vor, wenn der Versicherungsvertreter Versicherungsverträge an einen anderen Versicherer vermittelt, obwohl er das zu versichernde Risiko auch bei „seinem“ Versicherer hätte platzieren können.

Vorbereitungshandlungen

Vorbereitungshandlungen des Versicherungsvertreters in Bezug auf eine spätere Konkurrenztätigkeiten können jedoch zulässig sein, wenn hierdurch die Interessen des Versicherers nicht tangiert werden (siehe hierzu auch OLG Düsseldorf: Provisionsanspruch nach außerordentlicher Kündigung). Zulässig sein kann danach zum Beispiel die Teilnahme an einer Besprechung mit anderen Versicherungsvertretern über die Gründung eines Wettbewerbsunternehmens oder der Abschluss eines für den nachvertraglichen Zeitraum geltenden Vertrages mit einem Wettbewerber (vgl. OLG Hamm Urteil vom 07.11.1997 – Az.: 35 U 30/97).

Gegen die Interessen des Versicherers dürfte der Versicherungsvertreter allerdings verstoßen, wenn er unbefugt Daten und Geschäftsgeheimnisse des Versicherers (z.B. Kundendaten) speichert, insbesondere um sie nach Beendigung des Handelsvertretervertrages für eine Konkurrenztätigkeit zu nutzen (vgl. hierzu OLG München Beschluss vom 08.02.2018 – 23 U 1932/17).

Folgen des Wettbewerbsverstoßes

Ist das Ausschließlichkeitsgebot vertraglich geregelt worden, so enthält der Handelsvertretervertrag oft auch eine Bestimmung der Rechtsfolgen eines Verstoßes. Regelmäßig sehen solche vertraglichen Regelungen vor, dass ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot als Grund für eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages dienen kann und darüber hinaus für jeden Verstoß auch eine Vertragsstrafe zu zahlen ist.

Mangelt es an einer vertraglichen Regelung zu den Folgen eines Wettbewerbsverstoßes, so können gleichwohl eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages oder aber Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.

Außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrages ist gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Gerade wiederholte Verstöße des Versicherungsvertreters gegen das Ausschließlichkeitsgebot können dabei das Vertrauensverhältnis zerstören, insbesondere nach vorheriger Abmahnung.

Ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot kann indes aber auch so schwerwiegend sein, dass auch eine Abmahnung das Vertrauensverhältnis nicht wiederherstellen kann und daher vor einer außerordentlichen Kündigung entbehrlich ist (vgl. OLG München: Entbehrlichkeit der Abmahnung bei Wettbewerbsverstoß). Bei geringfügigen Verstößen gegen das Ausschließlichkeitsgebot kann eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages hingegen aber auch unbegründet sein. Es bedarf also stets der genauen Prüfung des Einzelfalles, zumal die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erhebliche Konsequenzen für weiterführende Ansprüche der Parteien hat, insbesondere des Ausgleichsanspruches.

Vertragsstrafen und Schadensersatz

Enthält der Handelsvertretervertrag Regelungen zu den Folgen eines Wettbewerbsverstoßes, so bestehen diese Regelungen oftmals in Form von Vertragsstrafenregelungen. Die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die rechtliche Wirksamkeit derartiger Vertragsstrafenabreden stellt, sind aber durchaus nicht gering. Es kann sich daher durchaus empfehlen, die Wirksamkeit einer solchen Vertragsstrafenregelung einer rechtlichen Prüfung zuzuführen.

Im Falle eines Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot ist allerdings zumindest der hierdurch entstandene Schaden zu ersetzen. Ein solcher Schaden kann seitens der Gerichte auch geschätzt werden (siehe hierzu BGH Urteil vom 24. Juni 2009 – VIII ZR 332/07). Oftmals kann beobachtet werden, dass zur Vorbereitung der Geltendmachung weiterführender Schadensersatzansprüche zunächst Auskunft begehrt wird.

Die Rechtsprechung des BGH gibt Versicherern und Vertriebsgesellschaften mit dem Auskunftsanspruch ein beachtliches Rechtsmittel zur Durchsetzung der eigenen Rechtspositionen in die Hand . Dies gilt insbesondere, wenn Versicherer und Vertriebsgesellschaften das Auskunftsbegehren mit der Forderung nach einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit der erteilten Auskunft verbinden.

Praxistipp

Verstöße gegen das Ausschließlichkeitsgebot können weitreichende rechtliche Folgen für Versicherungsvertreter haben. Bei Zweifel an der Zulässigkeit bestimmter Tätigkeiten sollten Versicherungsvertreter daher unbedingt vorab rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Wird ihnen gegenüber jedoch bereits konkrete Forderungen wegen eines (angeblichen) Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot geltend gemacht oder aber ihnen gegenüber sogar die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertretervertrages erklärt, so sollte dies unbedingt einer anwaltlichen Prüfung zugeführt werden, da es hier oft auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt. Gerne steht hierfür auch die unter anderem im Handelsvertreterrecht spezialisierte Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung.

Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

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Im Jahr 2013 hatte sich der BGH (Urt. v. 26.09.2013 – Az.: VII ZR 227/12) mit der Frage des Inhalts des Auskunftsanspruches des Versicherers gegen den Versicherungsvertreter bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zu befassen.
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