Reichweite der Auskunftsansprüche des Versicherungsvertreters

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Der Versicherungsvertreter hat aufgrund der in § 87 c HGB geregelten Auskunftsansprüche die Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, ob und in welcher Höhe mögliche Provisionsansprüche bestehen. Neben der regelmäßigen Abrechnungspflicht des Versicherers kann der Versicherungsvertreter darüber hinaus den bei vielen Handelsvertretern bekannten Buchauszug geltend machen.

Zudem regelt das Gesetz jedoch noch die Möglichkeit eines darüberhinausgehenden Auskunftsanspruches sowie die Einsichtnahme in Bücher und Urkunden des Unternehmens. Der gesetzliche Auskunftsanspruch kommt jedoch nur für Ansprüche in Betracht, aus denen der Versicherungsvertreter tatsächlich überhaupt noch Provisions- oder Schadenersatzansprüche herleiten kann.

So hat das OLG Hamm mit Urteil vom 27.02.2020, Az. 18 U 59/19 entschieden, dass dem Versicherungsvertreter keine Auskunft im Hinblick auf Provisionsansprüche aus vermittelten Versicherungsverträgen zusteht, welche wirksam auf einen Versicherungsmakler übertragen wurden.

Auskunftsanspruch nach § 87 c Abs. 2 und 3 HGB

Der Versicherungsvertreter hat die Möglichkeit, in Ergänzung zu den Provisionsabrechnungen einen ausführlichen und qualifizierten Buchauszug geltend zu machen. Dieser dient der Nachprüfung provisionspflichtiger Geschäfte und ihrer Ausführung. Der Buchauszug hat in der Praxis eine sehr große rechtliche Bedeutung für den Handelsvertreter, da dieser oftmals als Druckmittel für die Durchsetzung seiner Provisions- und an ihre Stelle tretenden Schadenersatzansprüche geltend gemacht wird.

Der Buchauszug geht daher weiter als die Provisionsabrechnung und muss im Einzelnen alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provisionen von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus gewährt das Gesetz, in Ergänzung zu den Abrechnungen und dem Buchauszug, dem Handelsvertreter, Auskunft über alle für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlichen Umstände zu verlangen.

In der Praxis dürfte der Auskunftsanspruch jedoch bereits durch die Erteilung des Buchauszuges nicht mehr in Betracht kommen. Wird der Buchauszug durch das Unternehmen verweigert oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskunft, so hat der Versicherungsvertreter darüber hinaus die Möglichkeit, selbst oder durch einen beauftragten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen die Bücher und Urkunden des Unternehmens einsehen zu können.

Grenzen des Auskunftsanspruches

Grundsätzlich hat die Rechtsprechung den Anspruch zugunsten des Versicherungsvertreters im Hinblick auf die Erteilung eines Buchauszuges sehr weit gezogen. Darüber hinaus hängt der Anspruch nicht davon ab, ob für das provisionspflichtige Geschäft auch ein konkreter Provisionsanspruch entstanden ist, sodass ein möglicher Streit über den Provisionsanspruch erst im Nachhinein auszutragen ist. Allerdings hat auch hier die Rechtsprechung bereits die Grenze dahingehend gezogen, sofern es sich zweifelsfrei um kein provisionspflichtiges Geschäft handelt.

Stephanie-Has-2020-Koch-und-BoikatStephanie-Has-2020-Koch-und-Boikat Stephanie Has, Rechtsanwältin, Rechtsanwälte Koch & Boikat

Mit der Entscheidung des OLG Hamm vom 27.02.2020 hat das Gericht jedoch bei vorbereitenden Auskunftsansprüchen eines Versicherungsvertreters Grenzen gesetzt. Danach kommen diese nur in Betracht, wenn ihm bezüglich der Versicherungsverträge überhaupt noch Provisions- oder Schadenersatzansprüche zustehen können.

Wenn dem Versicherungsvertreter jedoch – aus Rechtsgründen – keine solchen (Zahlungs-)Ansprüche zukommen, weil der Versicherer die Versicherungen berechtigt aus dem Bestand des Versicherungsvertreters herausgenommen hat, so scheiden auch Auskunftsansprüche aus, die lediglich der Vorbereitung solcher Ansprüche dienen.

So haben die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit eine Regelung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffen, welche wie folgt lautet: „Während des Bestehens des Vertretervertrages darf die Versicherung einzelne Versicherungsverträge oder Gruppen von Versicherungsverträgen ohne Entschädigung des Vertreters aus dem Bestand der Vertretung aussondern, wenn die Versicherungsverträge nicht oder nicht mehr in dem Arbeitsgebiet des Vertreters laufen ... oder wenn die Versicherungsnehmer es ausdrücklich wünschen und die Nichterfüllung dieses Wunsches den Bestand der Versicherungsverträge gefährdet.“ Konkret ging es dabei um die Auskunft möglicher Bestandspflegeprovisionsansprüche. Weitere Abschluss- oder Vermittlungsprovision war hingegen nicht streitig.

Der Kunde äußerte dabei den Wunsch unter Bezugnahme auf einen beigefügten Maklervertrag, dass die bislang von dem Versicherungsvertreter vermittelten und betreuten Versicherungsverträge zukünftig auf den Makler übertragen werden sollen.

Da der Kunde darüber hinaus auch damit drohte, dass bei fehlender Bestandsübertragung die Versicherungen gekündigt und damit gedeckt werden sollen, ist nach Ansicht des OLG Hamm darüber hinaus auch von einer Bestandsgefährdung auszugehen. Da es sich darüber hinaus bei den zu übertragenden Versicherungen um ein hohes Prämienvolumen für die Versicherung handelte, stellte dies ein weiteres Argument für eine wirksame Bestandsübertragung dar.

Insgesamt geht das Gericht in dem vorliegenden Fall von einer wirksamen Bestandsübertragung aus, welche im Ergebnis dazu führte, dass weitere Bestandspflegeprovisionen des Versicherungsvertreters nicht bestehen und daher auch der Auskunftsanspruch zurückzuweisen ist. Ein provisionspflichtiger Versicherungsvertrag zugunsten des Versicherungsvertreters besteht im Ergebnis nicht mehr.

Fazit

Dem Versicherungsvertreter stehen grundsätzlich neben der regelmäßigen Provisionsabrechnung weitere Auskunftsansprüche, wie insbesondere die Erteilung eines qualifizierten Buchauszuges, zu. Der Buchauszug als Spiegelbild der provisionsrelevanten Geschäftsbeziehungen zwischen Versicherer, Kunde und Vertreter muss sämtliche Informationen enthalten, um Provisionsansprüche zu prüfen und insbesondere berechnen zu können.

Erst wenn dem Versicherungsvertreter tatsächlich keine Provisionsansprüche mehr zustehen, da die vermittelten Versicherungsverträge zweifelsfrei keine Vergütung mehr auslösen oder wie im beschriebenen Fall vor dem OLG Hamm durch wirksame Bestandsübertragung auf einen Versicherungsmakler übergegangen sind und es sich dabei lediglich um Bestandspflegeprovisionen handelt, kann ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nicht mehr gegeben sein.

Grundlage für einen entsprechenden Ausschluss ist jedoch der Handelsvertretervertrag, sodass stets zu prüfen ist, ob Regelungen tatsächlich wirksame Auskunftsansprüche ausschließen können.

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