TVO: Mit Transparenz zu mehr Nachhaltigkeit

Weltkugel-Tropfen-Blatt-72741948-AS-danimagesWeltkugel-Tropfen-Blatt-72741948-AS-danimagesdanimages – stock.adobe.com (2) © experten-netzwerk GmbH

Die Transparenzverordnung (TVO) verpflichtet die Versicherungs- und Finanzdienstleistungswirtschaft zu Transparenz im Umgang mit dem Zukunftsthema Nachhaltigkeit. Michael Franke erläutert, was Vermittler*innen dazu jetzt wissen müssen.

Nachhaltigkeit ist kein modischer Trend. Der Begriff bezeichnet ein über 300 Jahre altes forstwirtschaftliches Prinzip: immer nur so viel Holz zu fällen, wie nachwachsen kann.

Weil wir heute wissen, dass Rohstoffe und Energievorräte auf der Erde endlich sind, steht Nachhaltigkeit mittlerweile für den schonenden Umgang mit allen Ressourcen.

Das schließt auch soziale und wirtschaftliche Aspekte ein. In der Finanzwelt hat sich für nachhaltiges Handeln die Bezeichnung ESG (Environmental, Social und Governance) etabliert.

Das Ziel, nachhaltiger zu handeln, beschäftigt auch die Politik. Im März 2018 veröffentlichte die Europäische Kommission dazu den Aktionsplan „Nachhaltige Finanzierung“. Ein Bestandteil des Aktionsplans ist die sogenannte Transparenzverordnung (TVO), die in Deutschland am 10.03.2021 in Kraft getreten ist.

TVO: Wer muss und wer sollte?

Die TVO verpflichtet Finanzmarktteilnehmer (Versicherer, Wertpapierfirmen und Kreditinstitute) sowie Finanzberater*innen, ihren Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit auf ihren Internetseiten offenzulegen.

Als Finanzberater*innen gelten Vermittler*innen, die Beratungsleistungen zu Versicherungsanlageprodukten (IBIP) erbringen.

Ausgenommen von der Pflicht sind aktuell (noch) kleinere Vermittlerbetriebe mit weniger als drei Beschäftigten. Die Pflichten nach der TVO gelten zudem nur, sofern Beratung angeboten wird.

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Wie Vermittler*innen ihre TVO-Pflichten erfüllen

Die Veröffentlichungspflichten betreffen vor allem die Vermittlerhomepage. Das bedeutet: kein Internetauftritt, keine Pflicht. Wie und an welcher Stelle die Informationen veröffentlicht werden müssen, ist hingegen nicht vorgeschrieben. Praktisch kann das zum Beispiel im Impressum, unter einem ESG-Reiter, Info-Button oder in einer „Nachhaltigkeitsinformation“ erfolgen.

Als Nachhaltigkeitsrisiken (Art. 3 TVO) gelten Ereignisse aus den drei ESG-Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, die negative Auswirkungen auf den Wert einer Investition beziehungsweise Anlage haben könnten. Die meisten Vermittler*innen haben (noch) keine eigenständige Strategie im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken entwickelt.

In diesem Fall wäre eine Möglichkeit zu erklären, dass sie bei der Auswahl von Anbietern und Produkten nur die anbieterseitig zur Verfügung gestellten Informationen berücksichtigen.

Ob nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (Art. 4 TVO) vorliegen, ist aktuell nicht eindeutig zu belegen. Es fehlen schlicht noch klare Vorgaben der EU.

Geplant ist ein EU-weites Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten („Taxonomie“), das Nachhaltigkeit erst messbar machen wird. Alle Unterziele der Taxonomie sollen ab Anfang 2023 in Kraft treten. Bis dahin sind Angaben der Produktgeber (Versicherer, Finanzdienstleister) oft schwer vergleichbar.

Die Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren standardmäßig bei der Beratung zu berücksichtigen, fällt Vermittler*innen deshalb noch schwer. Sie können das Problem in ihrem Internetauftritt benennen und möglichst die weitere Entwicklung im Auge behalten.

Wirken sich Nachhaltigkeitsrisiken einer Anlage oder eines Produktes auf die Vergütung aus? Art. 5 TVO Vergütungspolitik verlangt dazu eine Information. In der Regel lautet sie bei  Vermittler*innen sinngemäß: „Unsere Vergütung wird von den Nachhaltigkeitsrisiken der Anlage weder positiv oder negativ beeinflusst. Bei der Beratung zur Auswahl des Produktes spielt die Höhe der Vergütung keine Rolle.“

Praxistipp:  Weitere Empfehlungen zu Pflichten aus der TVO bieten die Vermittlerverbände.

Michael-Franke-2021-FuBMichael-Franke-2021-FuB Michael Franke, Geschäftsführender Gesellschafter, Franke und Bornberg

Wie informieren Versicherer zur TVO?

Dank der TVO-Veröffentlichungspflichten können Vermittler* innen und Verbraucher*innen jetzt besser erkennen, welchen Stellenwert ESG-Kriterien bei den Produktgebern einnehmen. Aber wo sind die Informationen nach TVO zu finden?

Franke und Bornberg hat die Probe aufs Exempel gemacht und Internetauftritte von Lebensversicherern untersucht. Noch sind die Zuordnungen im Internetauftritt völlig unterschiedlich. Am größten war unsere Trefferquote bei Suchbegriffen wie „Nachhaltigkeitsrisiken“, „Transparenzverordnung“, „Offenlegungsverordnung“, „Nachhaltigkeit“ und „ESG“.

Viele Versicherer informieren auf einer gesonderten Seite „Nachhaltigkeit“, oft zu finden im Bereich „Über uns/Wir über uns“ oder neben dem Impressum. Anwenderfreundlich sind zusätzliche Verlinkungen von der Produktseite auf die Informationen zur Nachhaltigkeit.

Neun von zehn untersuchten Lebensversicherern (Stand Ende März 2021) berichten mittlerweile zu den Artikeln 3, 4 und 5 TVO; jeder zehnte lässt einzelne Artikel aus. Die überwiegende Mehrheit der Gesellschaften informiert über ihre Anlagestrategien (zum Beispiel Negativliste, Positivliste) und Ausschlusskriterien wie Waffen, Kohle oder Kernkraft.

Ebenfalls zu finden sind Informationen zur Verpflichtung auf ESG-Standards wie die UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI) sowie die Prinzipien für nachhaltige Versicherungen (PSI) der Vereinten Nationen.

Vorvertragliche Informationen liefern Angaben, ob ein Versicherer „grüne“ Produkte anbietet. Tut er dies, muss er darüber nach Artikel 8 TVO und/oder Artikel 9 informieren. Artikel 8 fragt, ob bei einem Produkt ökologische und/oder soziale Merkmale erfüllt sind. Wenn das Produkt eine nachhaltige Investition oder eine CO2-Reduzierung anstrebt, muss nach Artikel 9 TVO angegeben werden, welche Referenzwerte herangezogen werden (zum Beispiel Indizes).

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Welche zusätzlichen Informationsquellen haben Vermittelnde und Versicherte?

Nachhaltigkeitsberichte und nicht finanzielle Erklärungen bieten zusätzliche Informationen. Sie werden häufig nach Standards wie DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) oder GRI (Global Reporting Initiative) erstellt und sind meistens als Download bei den Jahresabschlüssen zu finden.

Weil Standards noch fehlen, sind die Angaben der einzelnen Gesellschaften allerdings häufig schwer oder gar nicht vergleichbar. Franke und Bornberg beschäftigt sich schon lange mit den vielfältigen Aspekten von Nachhaltigkeit.

Als erstes nach außen sichtbares Ergebnis haben wir Anfang 2021 unseren ESG-Report vorgestellt. Dafür wurden alle Erstversicherer in Deutschland befragt und zusätzlich  Nachhaltigkeitsberichte ausgewertet. Auf dem ESG-Report sollen künftige Nachhaltigkeitsratings aufbauen.

Vermittler*innen und Versicherten bietet der ESG-Report eine gute Einstiegslektüre zum Thema Nachhaltigkeit in der Assekuranz.

Er kann kostenlos angefordert werden unter https://www. franke-bornberg.de/ratings/esg-report/esg-report. Das Nachhaltigkeitsteam von Franke und Bornberg berichtet über neue Einsichten und Untersuchungen zum Thema Nachhaltigkeit regelmäßig im fb>blog – der Versicherungsblog.

Im März 2021 startete Franke und Bornberg zudem eine Vermittlerbefragung mit dem Schwerpunkt „ESG und TVO aus der Perspektive der Beratenden“. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit werden wir für jede/-n Teilnehmende/-n einen Baum pflanzen.

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