Nachhaltiger Handlungsdruck auf deutsche Versicherungswirtschaft

Gras-Pfeil-Mann-230238506-AS-SergeyNivensGras-Pfeil-Mann-230238506-AS-SergeyNivensSergey Nivens – stock.adobe.com

Nachhaltigkeitsfragen – und dabei besonders die Themen Klima und Umwelt – sind wesentliche Einflussfaktoren auf die Strategie sowie das operative Handeln von Versicherungsunternehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie von EY und der V.E.R.S. Leipzig GmbH.

Bereits heute erreicht die Einschätzung der Relevanz von Nachhaltigkeit bei den befragten Unternehmen einen Indexwert von 84 auf einer Skala von Null bis Einhundert. Innerhalb der nächsten zwei Jahre steigt dieser Bedeutungsindex sogar auf 94 an. Thomas Korte, Partner und Head of Insurance bei EY, sagt:

Die Branche ist sich ihrer Rolle für die grüne Transformation unserer Wirtschaft bewusst. Allerdings stehen die Unternehmen erst am Anfang ihrer Bemühungen.

Für eine ganzheitliche Transformation der Branche müssen die Unternehmen gleich mehrere Herausforderungen meistern, erklärt EY-Partner Korte. Und weiter:

Zum einen müsse die Branche die ESG-Faktoren in ihre Angebote integrieren – auch um die veränderten Kundenwünsche zu bedienen. Zum anderen gelte es, die gesamtwirtschaftlich bedeutende Kapitalanlage von fast 1,8 Billionen Euro ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusst anzulegen. Und schließlich tragen die Versicherer mit dem Underwriting wesentlich zur Entwicklung ökologisch positiver oder negativer Geschäftsfelder bei, so der EY-Partner.

Versicherungsunternehmen haben Klimaneutralität fest im Blick

Konkret haben weltweit bereits 23 der 30 größten Versicherungsunternehmen ihre Geschäfte mit der Kohleindustrie eingeschränkt oder beendet. Immer mehr Unternehmen verpflichten sich auf ein klimaneutrales Anlageportfolio und ein klimaneutrales Versicherungsportfolio bis 2050.

Die wichtigsten Handlungsfelder für die Unternehmen sind derzeit die Kapitalanlage (Indexwert: 78), vor der eigenen Unternehmensinfrastruktur (Fuhrpark, Gebäude etc., Indexwert: 74) sowie Kommunikation (Indexwert: 74), Human Resources (Indexwert: 73) und Risikomanagement (Indexwert: 71).

Mit Blick auf die Potenziale werden nach Einschätzung der Befragten aber andere Bereiche deutlich an Bedeutung gewinnen. Sie erwarten in den kommenden zwei Jahren einen wesentlichen Anstieg der Relevanz von Nachhaltigkeit beim Pricing, im Vertrieb sowie im Leistungs- und Schadenmanagement.

Prof. Dr. Fred Wagner, Direktor des Instituts für Versicherungslehre an der Universität Leipzig und Co-Autor der Studie, erklärt:

Das sind zentrale Funktionen der Wertschöpfungskette von Versicherern. Offensichtlich sehen die Versicherer hier besonderen Handlungsbedarf.

Politik hat Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit

Auch die Politik sieht die Versicherungswirtschaft in einer außerordentlichen Verantwortung und einer Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit. Im Fokus steht dabei die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Kapitalanlage.

Aber auch das Underwriting beziehungsweise Pricing wird als wichtiger Einflussfaktor angeführt, mit dem die Versicherer Verantwortung übernehmen können. Die befragten Häuser selbst sehen ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit als fortgeschritten an. Dagegen schneiden die Aktivitäten der Politik im Vergleich zu Unternehmen und Verbänden am schwächsten ab.

Kapitalanlage birgt größten Nachhaltigkeitseffekt

Die Kapitalanlage gilt derzeit als größter Stellhebel, um Finanzströme stärker in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Dabei setzen die Unternehmen vor allem auf die Einhaltung der Principles for Responsible Investment (PRI), Positiv- und Ausschlusskriterien sowie die Dekarbonisierung des Portfolios.

Aktive Maßnahmen wie Engagement oder Impact Investment haben noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung.

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