Welthandel: Aktueller Einbruch nur temporär

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Konsum-Boom meets Lieferengpässe: So lässt sich die aktuelle Situation im Welthandel kurz zusammenfassen. Auch Lieferkettenunterbrechungen und die vielerorts rollende vierte Coronawelle sind zu diesem „Date“ geladen – eine recht ungute Beziehungskonstellation.

Und so schnell ändert sich das auch nicht: Bis mindestens Sommer 2022 dürfte diese Volatilität die neue Norm sein. Zu diesem Schluss kommt die neue Welthandelsstudie „Battling out of supply chain disruptions“ des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes.

Erholung in Sicht: Aktueller Einbruch nur temporär

Der Einbruch beim weltweiten Handel mit Waren im 3. Quartal 2021 (-1,1 Prozent beim Volumen im Vergleich zum Vorquartal) im Zuge der vielerorts rollenden vierten Coronawelle dürfte allerdings vorübergehend sein. Insgesamt legt der Welthandel 2021 beim Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen um voraussichtlich rund 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, beim Wert sogar um +18 Prozent.

Grund für die starke Wertsteigerung sind neben Lieferengpässen die hohen Frachtkosten in der Schifffahrt und der starke US-Dollar (USD). In den kommenden zwei Jahren dürfte sich das weltweite Handelsvolumen mit +5,4 Prozent im Jahr 2022 und +4 Prozent im Jahr 2023 sukzessive auf Vorkrisenniveau einpendeln. Auch die Entwicklung beim Wert der gehandelten Waren normalisiert sich in den kommenden zwei Jahren (2022: +7,2 Prozent; 2023: +5,7 Prozent).

Flaschenhals China bremst den Welthandel immer wieder aus

Auf und Abs seien auch im kommenden Jahr an der Tagesordnung, sagt Ana Boata, Head of Economic Research bei Euler Hermes:

Wir schätzen, dass aktuell rund 4 Prozent der weltweit gehandelten Waren durch Engpässe in der Schifffahrt feststecken. Das Tauziehen um Waren dürfte bis mindestens Sommer 2022 weitergehen.

Die USA sitze dabei weiterhin am längeren Hebel und sowohl Deutschland als auch Europa müssten sich hinten anstellen. China bleibe dabei der Flaschenhals durch die Null-Covid-Politik sowie eine starke Volatilität bei der Nachfrage und Logistik im Zuge des Chinesischen Neujahrs.

Abhängiges Europa im Epizentrum der Engpässe

Europa ist im Vergleich zu den USA wesentlich stärker von Zwischenerzeugnissen abhängig. Auch die Abhängigkeit von China ist insgesamt groß: Die Euler Hermes Experten gehen davon aus, dass ein Rückgang der gesamten chinesischen Exporte um 10 Prozent für die EU spürbare Folgen hätte: Dies würde zu einem Rückgang der Produktion im Metallsektor um mehr als -6 Prozent führen, im Automobilsektor (einschließlich Transportausrüstung) um mehr als -3 Prozent und im Computer- und Elektroniksektor um mehr als -1 Prozent.

Europa hinkt außerdem sowohl bei Produktionskapazitäten im verarbeitenden Gewerbe als auch bei Investitionen in die Hafeninfrastruktur hinterher. Deshalb könnte sich die vollständige Normalisierung der Engpässe in Europa über das Jahr 2022 hinaus verzögern, wenn die Nachfrage weiterhin über dem Potenzial bleibt, was laut Studie aktuell das wahrscheinlichste Szenario ist.

Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Automobilbranche sowie Maschinen und Anlagen sind am stärksten von Vorleistungsengpässen betroffen, insbesondere bei Halbleitern. Gleichzeitig gehören der Energie- und Elektroniksektor sowie Maschinen und Anlagen aufgrund der hohen Nachfrage aber auch zu den Exportgewinnern von 2021. 2022 dürften sie ebenfalls ein starkes Exportwachstum verzeichnen. 2023 dürften dann insbesondere die Autobauer und -zulieferer nach langer Durststrecke wieder zu den Exportgewinnern zählen.

Halbleiter vor allem nach Asien und die USA geliefert

Deutsche Unternehmen konnten ihre Halbleiter-Bestände zuletzt etwas aufstocken, aber sie bleiben trotzdem weiterhin Mangelware, sagt Milo Bogaerts, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Taiwan sei der weltweit größte Produzent von Halbleitern und habe zuletzt Produktionskapazitäten deutlich ausgebaut. Diese liegen durchschnittlich jetzt sogar höher als vor der Pandemie. Die größten Kontingente haben sich allerdings Asien und die USA gesichert. Deutschland als führende Industrienation in Europa habe im Vergleich das Nachsehen.

Drei Faktoren beeinflussen die sukzessive Normalisierung des Welthandels

Am Horizont winkt allerdings eine schrittweise Normalisierung. Es sei Licht am Ende des Tunnels beim Kampf gegen Lieferengpässe und Lieferkettenunterbrechungen, erklärt Boata. Es zeichne sich eine deutliche Entspannung bei den zahlreichen Ungleichgewichten und Verschiebungen im Welthandel ab. Dabei spielen drei wichtige Faktoren eine Rolle: Erstens der Konsum, zweitens die Lagerbestände und Produktionskapazitäten sowie drittens die Schiffskapazitäten.

Hamstern ist langfristig zu teuer: Rückkehr zu „Just in Time“-Lagerhaltung

Der Konsum boomt; er dürfte seinen Höhenflug fortsetzen und somit weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgen. Die Lager sind in den meisten Branchen ebenfalls wieder auf Vorkrisenniveau gefüllt. Selbst bei Halbleitern dürfte sich die Lage nach und nach entspannen. Bogaerts prognostiziert:

Die meisten Unternehmen werden allein wegen der Kosteneffizienz schrittweise zur ‚Just in time‘-Lagerhaltung zurückkehren – ‚Just in case‘ und Hamstern ist auf Dauer schlicht zu teuer.

Über Reshoring oder Nearshoring werde aktuell zwar viel geredet, aber konkrete Projekte sehe man nur wenige.

Frachtraten: Es bleibt auch 2022 teuer – aber ab dem 4. Quartal geben Raten langsam nach

Die Engpässe in der Schifffahrt dürften sich mit steigenden Kapazitäten wieder auflösen. Noch ist es nicht soweit: Die Frachtraten bewegen sich weiterhin auf Rekordniveau und tragen zusätzlich zur Teuerung bei. Allerdings hat seit November eine leichte Entspannung der Situation eingesetzt. Diese dürfte sich fortsetzen, wenn Ende 2022 die ersten neu bestellten Schiffe fertiggestellt sind und eingesetzt werden.

Die Frachtraten haben im September 2021 ein Rekordhoch erreicht und lagen sechs bis sieben Mal höher als vor der Pandemie, erläutert Bogaerts. Seine Prognose: 2022 bleiben sie voraussichtlich auf hohem Niveau, dürften aber ab dem 4. Quartal 2021 langsam nachgeben.

Erhöhte Schiffskapazitäten alleine reichen dabei allerdings nicht aus. Auch die Hafeninfrastruktur spielt eine wichtige Rolle. Da zeichnen sich mit dem staatlichen Investitionsprogramm in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar vor allem in den USA Verbesserungen ab. In Europa gibt es hingegen keine groß angelegten Pläne für Infrastrukturinvestitionen. Aufgrund der großen Abhängigkeit europäischer Unternehmen von Zwischenerzeugnissen aus dem Ausland, insbesondere aus Asien, bleibt hier langfristig ein erhöhtes Risiko für Schocks in der Versorgungskette. Bogaerts berichtet:

Deutsche Häfen haben in den letzten Jahren bei der Qualität der Hafeninfrastruktur deutlich an Boden verloren.

Sie erreichten zuletzt nur noch den Durchschnittswert der Industrienationen. Die Niederlande, Belgien und die USA haben hingegen ihre Positionen ausgebaut und rechts überholt. Investitionen seien deshalb gerade für Deutschland als führende Export- und Industrienation in Europa ein wichtiger Aspekt für die Stabilisierung von Lieferketten.

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