Vorfälligkeitsentschädigung: Wann muss keine Entschädigung gezahlt werden?

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Wenn ein Darlehensnehmer seinen Immobilienkredit noch vor Ablauf der Zinsbindungsfrist vollständig abbezahlen will – beispielsweise weil er die Immobilie verkauft – verlangen Banken häufig eine Entschädigung in Form einer Vorfälligkeitsgebühr. Diese fällt unter Umständen sehr hoch aus und wirft die Frage auf, ob sich eine vorzeitige Tilgung des Kredits überhaupt lohnt.

Was es bei der Vorfälligkeitsentschädigung zu beachten gibt und wann sie sich vermeiden lässt, erklären die VON POLL FINANCE Experten.

Warum wird eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig?

Wer einen Immobilienkredit bei einer Bank abschließt, vereinbart in der Regel auch eine Zinsbindung über mehrere Jahre. Das bedeutet: Der Darlehensvertrag lässt sich normalerweise erst zum Ende des vertraglich festgelegten Zeitraums kündigen. „Die festgelegte Zinsbindung bei einem Immobilienkredit ermöglicht nicht nur dem Kreditnehmer, sondern auch der Bank eine langfristige Ratenplanung“, erklärt Dr. Lucie Lotzkat, geschäftsführende Gesellschafterin bei VON POLL FINANCE. Und weiter:

Möchte der Darlehensnehmer den Kredit dennoch vor Ablauf der Zinsbindungsfrist vollständig oder auch teilweise zurückzahlen, verliert die Bank einen Teil ihrer zukünftigen Zinseinnahmen. Die Vorfälligkeitsentschädigung dient daher als Ausgleich an das Kreditinstitut um den Zinsausfall abzufedern.

Wann entsteht eine Vorfälligkeitsgebühr?

Um einen Darlehensvertrag vorzeitig zu kündigen, müssen bestimmte Bedingungen vorliegen. Eine außerplanmäßige Beendigung des Immobilienkredits ist nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Kreditnehmer die Immobilie verkaufen möchte – ohne die Immobilie ist der Kredit nämlich nicht mehr grundpfandrechtlich abgesichert. Des Weiteren besteht ein berechtigtes Interesse, wenn die Bank eine Erhöhung des Darlehensbetrags ablehnt und der Kreditnehmer dadurch gezwungen ist, ein Darlehen bei einem anderen Kreditinstitut aufzunehmen.

Wer dagegen aufgrund von günstigeren Konditionen über eine Umschuldung nachdenkt, ist auf die Kulanz seiner Bank angewiesen. Denn Banken sind in diesem Fall nicht gesetzlich verpflichtet, einer Auflösung des Darlehensvertrags zuzustimmen. Sollte die Bank mit der vorzeitigen Beendigung des Kredits einverstanden sein, wird die Vorfälligkeitsentschädigung fällig. Die Höhe der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung berechnet sich aus verschiedenen Faktoren, zum Beispiel der Höhe der Restschuld, der Restlaufzeit, dem vereinbarten Sollzins und dem aktuellen Zinsniveau.

„Je länger die Zinsbindung noch läuft und je höher der vereinbarte Sollzins im Vergleich zum Wiederanlagezins ist, desto teurer wird es in der Regel für eine vorzeitige Ablösung. Daher sollten Kreditnehmer grundsätzlich abwägen, ob eine Umschuldung oder vorzeitige Tilgung tatsächlich finanziell vorteilhaft ist“, gibt Immobilienfinanzexpertin Dr. Lotzkat zu bedenken. Und ergänzt:

Auf der anderen Seite können aber unter Umständen auch steuerliche Vorteile geltend gemacht werden, da die Vorfälligkeitsentschädigung bei Anlageimmobilien in der Regel vollständig steuerlich als Werbungskosten geltend gemacht werden kann.

Wann kann eine Vorfälligkeitsentschädigung entfallen?

Wenn ein Immobilienkredit bis zum Ende der festgelegten Vertragsdauer läuft, muss keine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden. Vermeidbar kann die Zahlung des Vorfälligkeitsentgelts auch bei einem Immobilienverkauf sein. Dafür kommen zwei Möglichkeiten in Frage: der Pfandtausch oder der Schuldnertausch. Wer sein kreditfinanziertes Haus verkauft und eine neue Immobilie erwerben möchte, kann den Kredit nach Rücksprache mit der Bank auch beibehalten und auf eine neue Immobilie übertragen. Die zweite Variante ist der sogenannte Schuldnertausch. Hierbei übernimmt der neue Eigentümer der Immobilie, mit Zustimmung der Bank, den bestehenden Kreditvertrag zu den eventuell gleichen Konditionen.

Es gibt auch Ausnahmen, in denen das Darlehen vorzeitig beendet wird und die Bank dennoch keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf. Dazu gehört das Sonderkündigungsrecht nach Paragraph 489 Absatz 1 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Demnach steht dem Kreditnehmer nach einer Kreditlaufzeit von zehn Jahren ein gesetzlich festgeschriebenes Sonderkündigungsrecht zu – unabhängig davon wie lange die Zinsbindungsfrist noch läuft. Es muss lediglich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten eingehalten werden.

Der Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung kann ebenso bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung sowie bei fehlerhaften Angaben im Darlehensvertrag beanstandet werden.

Sollte die Widerrufsbelehrung im Vertrag unvollständig, unklar formuliert oder fehlerhaft sein, lässt sich das Darlehen widerrufen – die Zahlung einer Vorfälligkeitsgebühr entfällt. Zwar kann jeder Verbraucher sich auf die Verwendung des Widerrufsjokers beziehen, allerdings wird dafür eine Rechtsbeurteilung nötig ein. Es ist daher ratsam, immer die Unterstützung eines Rechtsexperten einzuholen,

sagt Dr. Lotzkat von VON POLL FINANCE. Auch nicht außer Acht bleiben sollte die Planung der Folgefinanzierung. Passende Alternativangebote der Banken könnten zeitlich mit dem vorzeitig beendeten Kredit nicht übereinpassen und Kreditnehmer in Schwierigkeiten bringen.

Das gleiche gilt für die Überprüfung fehlerhafter Angaben im Kreditvertrag. In seinem Urteil vom 28. Juli 2020 (Az: XI ZR 288/19) bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Darlehensgeber den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verliert, wenn die Angaben zur Methode der Entschädigungsberechnung im Darlehensvertrag fehlerhaft sind. Im verhandelten Fall hatte die Bank die Angaben im Kreditvertrag zur maximalen Höhe der Vorfälligkeitsgebühr nach Paragraph 502 Absatz 3 BGB nicht als Höchstsummen für die Entschädigung ausgewiesen. Da die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend waren, hatte die Bank keinen Anspruch auf eine Zahlung des Vorfälligkeitsentgelts.

Auch das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann viele Verbraucher vor der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bewahren. In seiner Entscheidung vom 9. September 2021 (Az: C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20) stellt der EuGH klar, welche Voraussetzungen seitens der Banken erfüllt sein müssen, um ihre Darlehensnehmer korrekt und vollständig über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu informieren. Demnach müssen Darlehensverträge nicht nur die Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten, diese muss zudem für den Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbar sein – und zwar in einer Weise, dass er die Höhe der Entschädigung mithilfe der Angaben im Kreditvertrag selbst bestimmen kann. Bei Verstoß gegen die Informationspflicht verliert die Bank den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Der sogenannte Vorfälligkeitsjoker greift auch rückwirkend. Darin inbegriffen sind aktuell Zahlungen, die seit Anfang 2019 geleistet worden sind.

Fazit

„Wer vorzeitig aus seinem Immobilienkredit aussteigen möchte, sollte zunächst überprüfen, ob und in welcher Höhe eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Unter Umständen lässt sich die Zahlung einer Vorfälligkeitsgebühr vermeiden. Zur Überprüfung des eigenen Vertrags sollten Darlehensnehmer immer auf die Unterstützung eines Rechtsexperten setzen und sich auch über die Alternativfinanzierung im Klaren sein“, resümiert Dr. Lucie Lotzkat von VON POLL FINANCE.


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