Unternehmen mit ungenügendem Reputationsmanagement

Cheerful businessman drinking coffee in cafeCheerful businessman drinking coffee in cafeYakobchuk Olena – stock.adobe.com

Ein „guter Ruf“ ist für Unternehmen schwer zu erarbeiten – kann aber schnell Schaden nehmen. Wie Unternehmen weltweit ihre Reputationsrisiken prognostizieren, bewerten und managen, hat der neue Reputation Risk Readiness Survey von WTW untersucht.

Für den Reputation Risk Readiness Survey hat WTW, eines der weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen Advisory, Broking und Solutions, im November 2021 branchenübergreifend 500 Risikoverantwortliche aus 100 Unternehmen zu ihrer Risikostrategie bei Reputationsbedrohungen befragt. Mathias Pahl, Head of Corporate Risk and Broking bei WTW berichtet:

Unternehmen haben oft kein klares Bild darüber, welche Dimensionen Reputationsrisiken – auch im Zusammenhang mit ESG – annehmen können.

Bei vielen Befragten klaffen die vorhandenen Strukturen, um Reputationsrisiken zu erfassen, und die tatsächlichen Möglichkeiten für schnelles und effektives Handeln weit auseinander, so Pahl.

Die größte Bedrohung: das eigene Fehlverhalten

Reputationsrisiken stehen hoch auf der Agenda der Führungskräfte: 83 Prozent der Befragten gaben an, dass sie diese zu ihren wichtigsten Unternehmensrisiken zählen. Als größte Risiken nannten sie Vorfälle, die intern, beispielsweise durch das Fehlverhalten der eigenen Mitarbeiter entstehen

Dazu zählen auf den Plätzen 1 und 2 Kunden- und Mitarbeitermisshandlungen in Form von körperlicher, rassistischer, sexistischer oder altersdiskriminierender Misshandlung. Darauf folgt das Risiko von ESG-Verstößen wie Umweltverschmutzung oder sozialen Missständen in der Lieferkette, etwa Kinderarbeit. Monika Behrens, Geschäftsführerin der Willis Towers Watson Versicherungsmakler GmbH, erklärt:

Das öffentliche Interesse an ESG-Themen steigt. Ein Verstoß kann einen nachhaltigen Reputationsschaden verursachen. Insbesondere soziale Medien können das Feuer zusätzlich anfachen und eine Krise auslösen.

Risikobewertung und Maßnahmenkatalog nicht umfassend genug

Ein sehr großer Teil der Unternehmen (79 Prozent) verfügt über einen formalen Prozess im Unternehmen, um Reputations- und ESG-Risiken zu identifizieren, zu bewerten und in ihr Risikomanagement zu integrieren. 90 Prozent haben sogar einen festen Krisenstab, der schnell auf Image-schädigende Ereignisse in der Öffentlichkeit reagieren kann. Behrens dazu:

Bei genauerer Betrachtung der Zahlen zeigt sich jedoch großes Verbesserungspotenzial.

So gaben mehr als 80 Prozent an, dass die Bewertung der Risiken sowie deren strategische und finanzielle Auswirkungen in ihrer Organisation nicht hinreichend sei. Diese Lücke zwischen Risikoverständnis und klaren, konsequenten Aktionen zieht sich durch verschiedene weitere Fragestellungen:

Risiko-Monitoring: 88 Prozent geben an, dass sie sehr gute Inhouse Ressourcen haben, um Informationen und Daten zu Reputations- und ESG-Risiken zu gewinnen – aber nur 25 Prozent bewerten die Vollständigkeit und Konsistenz der Reports als sehr gut.

Risikoverständnis: Obwohl in über 90 Prozent der Unternehmen Krisen-Teams etabliert sind, glauben nur 40 Prozent der befragten Führungskräfte, dass diese Teams das richtige Verständnis von Länge, Schwere und dem Verlauf einer Reputationskrise haben.

Nutzung von Social Media: Während 79 Prozent soziale Netzwerke strategisch für ihr Unternehmen nutzen, geben nur 50 Prozent an, dass sie diese Kanäle für ihr Reputationsmanagement nutzen; und nur 32 Prozent für Krisenkommunikation Behren urteilt:

Wenn man bedenkt, wie rasant Krisen heutzutage über Social Media verstärkt werden können, ist diese Lücke in der Wahrnehmung besonders gravierend.

Verantwortung der Unternehmensführung: 83 Prozent aller Teilnehmer zählen Reputationsrisiken zu den Top-5-Bedrohungen. Doch 75 Prozent räumen ein, dass ihr oberes Management nicht an Reputationsschäden gemessen wird, da Krisenbewältigung nicht in den KPIs des Unternehmens verankert ist. Dies kann in den übrigen Ebenen einer Organisation leicht als mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Führungsebene gedeutet werden.

Finanzielle Folgen erfassen: Zwar sind sich 74 Prozent der Führungskräfte sicher, dass eine Reputationskrise schwere finanzielle Folgen haben könnte – jedoch geben nur 8 Prozent an, dass sie die Länge und Schwere einer Krise mit ihren Modellierungen erfassen könnten.

Schadensbegrenzung durch Echtzeitanalysen

Die Auswirkungen einer Reputationskrise können Monate, ja sogar Jahre andauern, sagt Pahl. Die richtige Absicherung im Fall eines Schadenereignisses ist daher essenziell, um die finanziellen Folgen abwenden zu können. Pahl weiter:

Potenzielle Gewinnverluste und die Kosten für den Wiederaufbau der Marke müssen abgedeckt werden. Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, ist jedoch bereits während der Krise wohlüberlegtes Handeln erforderlich.

So können beispielsweise Lösungen, die Echtzeitanalysen des Stimmungsbildes und der Auswirkungen einer Krise erfassen, ein Unternehmen befähigen, die Situation in den Griff zu bekommen, bevor sie eskaliert, erläutert Pahl weiter. Solche Lösungen basieren auf KI-Anwendungen gepaart mit risikoanalytischer Beratung, die von Finanzierungs- oder Versicherungslösungen flankiert werden.



LESEN SIE AUCH

Reputation on Pocket Watch Face.Reputation on Pocket Watch Face.
Management

ESG-Verstöße als größte Bedrohung für Reputation

Unternehmen sind sich zunehmend ihrer Reputationsrisiken und deren potenziellen Kosten bewusst – vor allem durch die steigende Relevanz von ESG-Pflichten. Ihr Vertrauen in die eigenen Risikomanagementsysteme ist aber seit 2021 gesunken und vielerorts mangelt es an adäquater Prävention.

Hand-Pfeil-Puzzle-102573777-AS-tadamichiHand-Pfeil-Puzzle-102573777-AS-tadamichitadamichi – stock.adobe.com
Management

Kernaufgabe für Risikomanager: Entwicklung von ESG-Strategien

ESG rückt weltweit in den Fokus der Risikomanager. Im Widerspruch dazu steht aber, dass die bisher getätigten Fortschritte noch auf sich warten lassen: Nur 17 Prozent der Unternehmen verfügen über messbare ESG-Ziele und entsprechende Maßnahmen.

Pay-Gap-310190018-AS-adraganPay-Gap-310190018-AS-adraganadragan – stock.adobe.com
Management

Rentenlücke als Konsequenz von zu wenig Fair Pay

Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern wirkt sich überdeutlich auf das akkumulierte Vermögen zum Zeitpunkt des Renteneintritts aus: So gehen Frauen durchschnittlich mit nur 74 Prozent des Vermögens ihrer männlichen Kollegen in den Ruhestand.

Handsome Caucasian Man Working on Laptop Computer while SittingHandsome Caucasian Man Working on Laptop Computer while SittingGorodenkoff – stock.adobe.com
Management

Talente gewinnen mit Social Recruiting

Social Media ist ein fester Bestandteil unseres Lebens und damit ein vorteilhafter Ort, um gezielt nach Mitarbeitern zu suchen. Worin liegen die Vor- und Nachteile des ‚Social Recruiting‘ und wie können qualifizierte Fachkräfte auf diesem Weg gewonnen werden?

WTW-Risk-Summit-2022-WTWWTW-Risk-Summit-2022-WTWWillis Towers Watson GmbH
Management

Neue Risiken werden zur größten Hürde

Risiko- und Versicherungsmanager in Unternehmen sehen ihre größte Herausforderung in der zunehmenden Komplexität der Risikolandschaft. Laut einer Blitzumfrage auf dem WTW Risk Summit, der am 10. Mai 2022 in Frankurt stattfand, betrachten 27 Prozent der Befragten die vielschichtigen und teils neu aufkommenden Risiken – etwa durch die Kriegsereignisse, den Klimawandel oder das Lieferkettengesetz – als Herausforderung Nummer eins.
Infinite hashtag background, 3d rendering, technology and digitaInfinite hashtag background, 3d rendering, technology and digitatostphoto – stock.adobe.com
Politik

Technologie wird Treiber für politische Instabilität

Der WTW „Political Risk Index 2021“ weist 66 – auch europäische – Länder mit hohen politischen Risiken aus. Häufige Ursachen: Hashtag-Kampagnen über soziale Medien, Pandemie und Staatsverschuldung.