Gratwanderung zwischen Sicherheit und Risiko

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Viele Anleger traf es wie ein Schock, doch hatte es sich schon länger angekündigt: Die Krypto-Bank Nuri, ehemals Bitwala, meldete Anfang August Insolvenz an. Als Ursache wurden von der Geschäftsführung Zahlungsschwierigkeiten in der Coronapandemie, Verwerfungen am Kapitalmarkt durch den Ukraine-Krieg und der allgemeine Einbruch des Kryptomarktes angegeben. Damit ist Nuri eines der ersten Unternehmen im Bereich Financial Technology, das die finale Reißleine ziehen musste, um sich selbst und auch die Anleger vor weiterem Schaden zu bewahren.


Ein Beitrag von Dr. Wolfgang Richter, Rechtsanwalt und Partner der Großkanzlei gunnercooke

Es steht jedoch in Anbetracht der aktuellen Marktsituation zu befürchten, dass Nuri nicht die letzte Krypto-Bank bleibt. Was bedeuten Insolvenzen also für Anleger, welche Rechtsansprüche haben sie und sind die Einlagen überhaupt gesichert?

Was bedeutet Insolvenz?

Insolvenz heißt, dass ein Betrieb seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Der Gesetzgeber sieht dafür drei Gründe vor: eine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), eine drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO).

Dabei bildet Letzteres in der Praxis eine klare Ausnahme. Viel häufiger geraten Betriebe in Schieflage, weil das Geld fehlt. Ein Anhaltspunkt dafür ist es laut Bundesgerichtshof, wenn ein Betrieb wenigstens zehn Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den aktuellen und den innerhalb von drei Wochen voraussichtlich zu generierenden liquiden Mitteln nicht bedienen kann.

Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist der Schuldner gegenwärtig zwar noch solvent, es bestehen aber künftige Verpflichtungen, die bei ihrer Fälligkeit mit den dann vorhandenen finanziellen Mitteln nicht erfüllt werden können.

Und eine Überschuldung, so definiert es die Insolvenzordnung, liegt dann vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“ (§ 19 InsO) und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

Kein Zugriff auf das Vermögen?

Das allgemeine Insolvenzrecht gilt in Deutschland grundsätzlich. Liegen nicht eingefrorene Kundenmittel insolvenzfern, können sie jederzeit aus einer Bank abgezogen werden. Nuri selbst stellt keine Bank im rechtlichen Sinne dar, sondern handelt nach eigenen Angaben aus dem Impressum für die Fronting-Einheit Solaris.

Kundengelder in einer Höhe von bis zu 100.000 Euro sind bei Solaris gesichert, nur bei Summen, die darüber hinausgehen, müssen Betroffene sich um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemühen. Also lassen sich Debitkarten weiter nutzen, Überweisungen können getätigt werden, der Zugriff auf das Konto der eigentlichen Bank im Hintergrund ist in vollem Umfang möglich.

Sind Kunden hingegen nicht mehr in der Lage, selbst auf ihr Geld zuzugreifen, weil Nuri der Vertragspartner ist, müssen sie ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden und werden am Ende mit der Quote bedient. Dies ist bei den Bitcoin-Ertragskonten der Fall. Nuri hatte seinen Kunden ermöglicht, mit einem solchen Konto eigene Krypto-Währungen gewinnbringend zu verleihen.

Wegen des Zusammenbruchs von Celsius haben auch Einleger von Nuri derzeit keine Möglichkeit,
ihre Coins von den Ertragskonten abzuheben. Derzeit ist das Geld in den USA eingefroren, Einlagensicherung besteht nicht. In diesem Fall kommt es darauf an, inwiefern Nuri diese als sichere Geldanlage angeboten hat und vor allem wem.

Selbst wenn ein solcher Schritt für Kunden möglich ist, ist grundsätzlich fraglich, ob einzelne Kontoinhaber eigene Mittel aufwenden sollten, um gegen Nuri vorzugehen. Hier müsste sinnvollerweise eine Bündelung von Kundenansprüchen erfolgen. Wurden Kunden nicht anlage- und anlegergerecht beraten, können diese zusätzlich Schadenersatz von den Beratern verlangen.

Individuelle Beurteilung nötig

Erst die genaue Analyse der Vertragsverhältnisse zeigt, ob Kundengelder im jeweiligen Fall gefährdet sind. Sollte es sich um ein gewöhnliches Kunden- beziehungsweise Verwahrerverhältnis handeln, beschränkt die Insolvenz die Rechte der Kontoinhaber aus den Einlagen nicht. Ausgenommen davon sind natürlich die in den sogenannten Ertragskonten eingefrorenen Mittel.

Jedoch werden in zentralisierten Geschäftsmodellen Sicherheitsoptionen, die Blockchain-basierte Tokenstrukturen bieten, bisher kaum genutzt. Bei Business-Konzepten, bei denen nicht der Kunde, sondern das Unternehmen selbst beziehungsweise ein von diesem eingeschaltetes Drittunternehmen wie Celsius die Verfügungsmacht über die Kundenmittel hat, droht bei Insolvenz immer der Totalverlust.

Heute ist es jedoch möglich, über sogenannte Self-Custody-Strukturen die gegen Insolvenz gesicherte Verfügungsmacht bei den Kunden zu belassen. Da ihre Errichtung aufwendig ist, bietet der Kryptomarkt bislang nur wenige solcher Möglichkeiten. Es existieren aber erste Lösungen und es wird erwartet, dass sich Self Custody in den nächsten Jahren zu einem dominierenden Trend entwickelt.

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