Die kleine Münze des Versicherungsvertriebs

Die Tippgeber-Vereinbarung gilt als kleine Münze des Versicherungsvertriebs. Deshalb wird ihr in der Praxis wenig Beachtung geschenkt. Das ist wegen der damit verbundenen Risiken nicht folgenlos. Wer meint, mit einer aus dem Netz gezogenen und unter strengster Budgetschonung mit Bordmitteln aufgepeppten Tippgeber-Vereinbarung komme man schon klar, dem wird im Streitfall schnell bewusst, sich in Gottes Hand zu begeben. Dass sich Versicherungsvermittler noch immer zu wenig Gedanken über die Tippgeber-Vereinbarung machen, ist Grund genug für den expertenReport, diesem Thema einen Beitrag zu widmen.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jürgen Evers, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Juergen-Evers-2022-Evers-Rechtsanwaelte-fuer-VertriebsrechtJuergen-Evers-2022-Evers-Rechtsanwaelte-fuer-VertriebsrechtEVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Stellt man dem EVERS.OK die Frage: „Was ist eine Tippgeber-Vereinbarung?“, so erhält man zur Antwort, dass der Tippgeber eine Vergütung dafür erhält, dass er einem Dritten mögliche Kunden benennt (OLG München, 23.01.2014 – 23 U 1955/13 – EVERS.OK LS 38 – DVAG 40 –). Dies deutet unverkennbar zunächst in die Richtung eines Nachweises im Sinne des § 652 Abs. 1 BGB.

Denn die einem Nachweismakler nach § 652 BGB obliegende Leistung besteht in dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages (BGH, 18.01.1996 – III ZR 71/95 – EVERS.OK LS 2). Gemeint ist damit eine Mitteilung, durch die der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Vertrag einzutreten; der allgemeine Hinweis auf einen möglichen Vertragsgegenstand genügt nicht (BGH, 15.06.1988 – IVa ZR 170/87 – EVERS.OK LS 3).

Dass auf eine konkrete Vertragsangelegenheit hingewiesen wird, ist mithin unverzichtbare Voraussetzung für eine qualifizierte Maklerleistung im Sinne des § 652 BGB (BGH, 15.06.1988 – IVa ZR 170/87 – EVERS.OK LS 6). Und hier beginnen die Probleme.

Eine Tätigkeit, die auf einen konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet ist, ist im gewerberechtlichen Sinne aber bereits eine Versicherungsvermittlungstätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 15 – Tchibo -). Empfiehlt der Tippgeber also bereits ein konkretes Versicherungsprodukt und ist sein Verhalten darauf gerichtet, dass der Kunde einen bestimmten Versicherungsvertrag abschließt, so entfaltet er eine nach § 34d Abs. 1 GewO erlaubnispflichtige Tätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 17 – Tchibo –).

Dass der Abschluss dann letztlich über Dritte erfolgt, also über einen Versicherungsvermittler auf der Website des Versicherers direkt, ist unter diesen Umständen für die Annahme einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit unerheblich. Denn die Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung werden weit verstanden (EuGH, 29.09.2022 – C-633/20 – EVERS.OK LS 18 – TC Medical Air Ambulance Agency –).

Der Versicherungsvermittlung zuzurechnende Tätigkeiten erschöpfen sich daher nicht im Anbieten und Vorschlagen von Versicherungsverträgen, sondern erstrecken sich auch auf Vorbereitungsarbeiten zum Abschluss solcher Verträge, ohne dass die Art dieser Vorbereitungsarbeiten in irgendeiner Art und Weise beschränkt wäre (EuGH, 31.05.2018 – C-542/16 – EVERS.OK LS 20 – Länsförsäkringar –). Tragend hierfür ist die Ansicht, dass der gewerberechtliche Begriff der Versicherungsvermittlung im Interesse eines hohen Verbraucherschutzniveaus nicht eng bestimmt werden dürfe (BGH, 28.06.2018 – I ZR 77/17 – EVERS.OK LS 7).

Vorsicht ist daher bei dem Einsatz von Tippgebern oder Vorwerbern geboten, die schon mal dazu neigen, den angesprochenen Personen bestimmte Produkte zu empfehlen, oder die im Rahmen einer sogenannten Engpassstrategie eingesetzt werden, Kunden für bestimmte Versicherungsprodukte zu gewinnen.

So ist eine Tippgeber-Vereinbarung schwierig, wenn der Versicherungsvermittler Bestattungsunternehmer gegen Provision mit dem Nachweis von Kunden betraut und die Mitarbeiter des Bestatters die Kunden auf die vom Versicherungsvermittler vertriebenen Trauerfallvorsorgetarife eines bestimmten Versicherers ansprechen. Für diesen Fall eignet sich die Tippgeber-Abrede nur, wenn sichergestellt ist, dass der Bestatter weder den Versicherer noch den Tarif bezeichnet, sondern er diese Aufgabe dem Versicherungsvermittler überlässt.

Nur das bloße Einholen von Kundendaten ist keine Versicherungsvermittlungstätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 19 – Tchibo –). Da der Versicherungsvermittler sich des Tippgebers bedient, um seiner Tätigkeit der Versicherungsvermittlung nachzugehen, kann er auch nicht darauf bauen, dass ihn das ordnungswidrige Handeln seines Tippgebers nichts angehe. Vielmehr dürfte die anhaltende Duldung einer Tätigkeit ohne Erlaubnis Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Versicherungsvermittlers selbst begründen.

Den vollständigen Beitrag mit ausführlichen Überlegungen zu Vertragsausgestaltung und Provisionsregelungen finden Sie kostenfrei hier in der digitalen Sonderausgabe "Update: Recht" des expertenReport.

LESEN SIE AUCH

Richter-Richterhammer-462414364-AS-GorodenkoffRichter-Richterhammer-462414364-AS-GorodenkoffGorodenkoff – stock.adobe.com

5 wichtige Urteile für Versicherungsvermittler

Rechtsanwalt Tobias Strübing, stellt mehrere wichtige Gerichtsentscheidungen zu den Pflichten und der Haftung des Maklers sowie dem Maklervertrag vor, die in den letzten zwei Jahren getroffen wurden und zum Teil erheblichen Einfluss auf die Beratungspraxis von Versicherungsvermittlern haben.

Businessman with magnifying glass reading documentsBusinessman with magnifying glass reading documentsBrian Jackson – stock.adobe.com

Transparenzgebot in der Wohngebäudeversicherung

Intransparent ist eine Klausel, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließen lässt. Wie sich das Transparenzgebot auf die Obliegenheitspflichten in der Wohngebäudeversicherung auswirkt, erläutert Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski im zweiten Teil.

Mann-Smartphone-enttaeuscht-326991844-DP-tommaso1979Mann-Smartphone-enttaeuscht-326991844-DP-tommaso1979
Tools

Versicherungs-Apps nicht zufriedenstellend

Stiftung Warentest beurteilte fünf Apps von führenden Online-Vermittlern als nur „mittelmäßig“ und monierte Beratungsmängel beim Versicherungsabschluss. Der BVK betont, dass kein noch so ausgeklügelter Algorithmus oder Chatbot die Qualität der persönlichen Beratung ersetzen kann.

Pflanzen-Paragraf-78419126-AS-malpPflanzen-Paragraf-78419126-AS-malpmalp – stock.adobe.com

ESG-Beratungspflichten wurden durch EU-Verordnungen erweitert

Die ESG-Abfragepflicht reiht sich in ein stetig wachsendes Pflichtenportfolio für Vermittler ein und es drängt sich die Frage auf, wie die Informations- und Beratungspflichten hinreichend erfüllt und dokumentiert werden können. RA Stephan Michaelis klärt auf.

Kurs-Laptop-Weltkugel-519301347-AS-Pcess609Kurs-Laptop-Weltkugel-519301347-AS-Pcess609Pcess609 – stock.adobe.com

Nachhaltigkeit in der Versicherungs- und Finanzberatung

Der 2. August sollte die nachhaltige Zeitenwende für die Versicherungs- und Finanzvermittlung einläuten. Den regulatorischen Startschuss setzte dafür die EU-Transparenzverordnung. Wo stehen wir jetzt in Bezug auf die Vermittlerschaft? Eine Positionsbestimmung von Norman Wirth.

Anzugtraeger-verzweifelt-510534858-AS-Bits-and-SplitsAnzugtraeger-verzweifelt-510534858-AS-Bits-and-SplitsBits and Splits – stock.adobe.com

Das Konzept zulässiger Haftungsbegrenzung für Versicherungsmakler

Verletzen Makler ihre Sorgfaltspflichten sind sie zu Schadenersatz verpflichtet. Daher müssen sie unter anderem über eine VSH verfügen. Diese bietet diese aber nicht immer hinreichend Deckung. Es stellt sich daher die Frage, ob im Maklervertrag Haftung ausgeschlossen oder der Höhe nach begrenzt werden kann.