Praxistauglichkeit des eWpG auf dem Prüfstand

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Das theoretische Potenzial des eWpG wurde bereits viel diskutiert. Erstmalig haben nun die beiden Beratungshäuser WEPEX und adesso mit einer gemeinsamen Marktumfrage die Meinungen deutscher Finanzmarktakteure zum eWpG verprobt. Zahlreiche Finanzinstitute setzen bereits eWpG-bezogene Lösungen ein oder sind dabei, diese zu implementieren.

In der eWpG-Marktumfrage geben diese eWpG-Pioniere unter anderem Einblicke dazu, welche Potenziale sich in der Praxis bewiesen haben, wo sie weitere Chancen sehen und wie sie die Entwicklung des Marktes einschätzen. Auch Institute, die zukünftig Dienstleistungen planen, teilen ihre Einsichten.

Das eWpG schafft rechtliche Rahmenbedingungen, um den Kapitalmarkt zu modernisieren, sodass dieser im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleibt. Durch die Einführung digitaler Wertpapiere ermöglichen das eWpG und seine Begleitverordnungen bereits heute erhebliche Veränderungen entlang der Wertpapierwertschöpfungskette. In einem dezentralisierten und pseudonymen Online-Ökosystem könnten Kapitalmarktgeschäfte auf Peer-to-Peer Basis unter Nutzung von Distributed Ledger Technology (DLT) und Smart Contracts stattfinden.

Die eWpG-Marktumfrage von WEPEX und adesso spiegelt das Meinungsbild regulierter Finanzmarktakteure im Bezug zum eWpG wider und zeigt Marktchancen eines weniger zentralisierten Kapitalmarktes auf. Für die Marktumfrage sind zwischen Mai und Juli 2022 40 Hauptakteure des deutschen Finanzmarktes kontaktiert worden, um ihre Einschätzung zu 15 eWpG-bezogenen Fragen abzugeben. Die heterogene Zusammensetzung der teilnehmenden Finanzinstitute hilft, ein differenziertes Meinungsbild am Finanzmarkt zu bilden. Zur Übersichtlichkeit beschränkt sich dieser Artikel auf die wesentlichen Ergebnisse der Marktumfrage.

eWpG nimmt wichtige Rolle für Finanzinstitute ein

Das eWpG nimmt bereits ein Jahr nach Inkrafttreten eine wichtige Rolle für deutsche Finanzmarktakteure ein. Mehr als die Hälfte aller befragten Institute setzen Lösungen im Zusammenhang mit dem eWpG produktiv ein oder befinden sich in der Implementierungsphase. Nur 3 Prozent der befragten Institute geben an, dass das eWpG für ihre Organisation derzeit keine Rolle spielt.

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Insbesondere die Möglichkeit der Kryptowertpapierregisterführung scheint für Finanzinstitute attraktiv zu sein. Werden elektronische Wertpapiere als Kryptowertpapiere ausgegeben, müssen diese in einem Kryptowertpapierregister eingetragen werden. Das eWpG hat mit der Führung eines solchen Registers eine neue, erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung geschaffen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Institute plant, als Registerführer aktiv zu werden. 10 Institute verfügen bereits über eine entsprechende (vorläufige) Erlaubnis.

Das Interesse seitens der Finanzinstitute überrascht nicht, da von einem starken Wachstum des Marktes für Kryptowertpapiere ausgegangen werden kann. Für 2026 schätzen die befragten Finanzinstitute den Anteil von Kryptowertpapieren am Gesamtvolumen der Brutto-Neuemissionen auf 25 Prozent und den Anteil von Kryptofondsanteilen auf 15 Prozent.

Auch gehen die Finanzinstitute von realen Kostenersparnissen bei der Emission von Kryptowertpapieren gegenüber der Vergabe von verbrieften Wertpapieren aus. So wird ein Einsparungspotenzial von 30 Prozent im Bereich Settlement, 25 Prozent im Bereich Custody und 24 Prozent im Bereich Emissionen erwartet.

Holistisches Dienstleistungsangebot entlang der Wertpapierwertschöpfungskette

Das eWpG führt jedoch nicht nur die Kryptowertpapierregisterführung als neue Finanzdienstleistung ein, sondern schafft ein holistisches Digitalisierungspotenzial entlang der gesamten Wertpapierwertschöpfungskette. Die Unterstützung bei der Wertpapieremission, der Kauf/Verkauf von Kryptowertpapieren für Kunden sowie die Kryptoverwahrung stellen die relevantesten Dienstleistungen für die Gesamtheit der teilnehmenden Institute dar.

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In Anbetracht neuer Finanzdienstleistungen verbindet der Großteil der Institute mit dem eWpG konkrete Chancen hinsichtlich ihrer eigenen Marktpositionierung. Umgekehrt gehen 93 Prozent der Finanzinstitute davon aus, dass ihrer Organisation wichtige Chancen entgehen würden, wenn sie sich nicht mit eWpG-bezogenen Strategien befasst. Da 79 Prozent der befragten Finanzinstitute annehmen, dass ihre Wettbewerber bereits Strategien im Zusammenhang mit dem eWpG verfolgen, befürchten sie den Verlust von Umsätzen an Wettbewerber, wenn sie sich nicht schnell genug mit einem eWpG-Angebot auf dem Markt positionieren.

Ein Teil der Finanzinstitute bleibt dabei hinsichtlich der Auswirkung auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit noch unentschlossen. Zumal das eWpG erst kürzlich Kraft getreten ist und der Einsatz von DLT nicht selten als disruptive Technologie für das eigene Geschäftsmodell betrachtet wird, sollte diese Zurückhaltung nicht weiter verwunderlich sein.

Finanzinstitute sehen Effizienzgewinne für ihr Geschäftsmodell

Letztlich verbinden die teilnehmenden Institute mit der Möglichkeit, Emissionen auf Basis der DLT durchzuführen, erhebliche Chancen. 80 Prozent der Finanzinstitute versprechen sich Effizienzgewinne in der Wertpapierverarbeitung und -emission. Ein Blick auf die Antworten von Finanzinstituten, welche bereits eWpG-Lösungen produktiv einsetzen, verdeutlicht, dass sich diese Effizienzvorteile auch tatsächlich realisieren lassen.

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Geringere Settlementrisiken, eine erhöhte Rechtssicherheit bei der Token-Emission (durch den rechtlichen Rahmen des eWpG, welcher davor nicht existierte) sowie der Abbau von Intermediären werden mehrheitlich als Chancen betrachtet. Obgleich einige Finanzinstitute den Abbau von Intermediären als Chance erachten, ist zu beobachten, dass bewusst Infrastrukturen für elektronische Wertpapiere aufgebaut werden, um als Intermediäre zu bestehen.

Regulatorische Unsicherheit seitens der Finanzinstitute

Demgegenüber wird regulatorische Unsicherheit als größte Herausforderung bei der Implementierung eines eWpG-Angebots genannt. Diese könnten aber letztlich auch aus dem DLT-Pilot Regime sowie unklaren BaFin-Anforderungen an die Kyrptowertpapier-Registerführung herrühren und nicht direkt in Verbindung mit dem eWpG stehen. Neben der regulatorischen Unsicherheit sind zudem die ausschließliche börsliche Handelbarkeit von elektronischen Wertpapieren und Anteilscheinen mit Zentralverwahrer als Registerführer und Inhaber in Sammeleintragung als Herausforderung charakterisiert worden.

Die Transformation hin zu einer modernen digitalen Infrastruktur samt Aufbau eines Wissensmanagements erscheint somit als eine notwendige Voraussetzung für die Teilhabe am Markt für Kryptowertpapiere und -fonds. Letztlich braucht es Mut und den Willen seitens der Finanzinstitute, sich den Herausforderungen einer Transformation zu stellen und proaktiv den heutigen Wertpapiermarkt mitzugestalten.

Auch wenn mit der zunehmenden Digitalisierung des Wertpapiermarkts operationelle Veränderungen entlang der Wertschöpfungskette einhergehen, ist ein äußerst positives Meinungsbild hinsichtlich des eWpG zu beobachten.

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43 Prozent der befragten Institute planen als nächste Maßnahme die Umsetzung und Implementierung von eWpG-bezogenen Lösungen. Weiterhin verfolgen 13 Prozent den weiteren Kompetenz- und Wissenserwerb im Bereich eWpG und 10 Prozent den Erwerb einer Lizenz zur Registerführung.

Innovative Finanzmarktregulierung

Die zunehmende Digitalisierung verändert Gesellschaft und Wirtschaft und lässt mithin auch die traditionelle Finanzmarktinfrastruktur nicht unbeeinflusst. Die Marktumfrage von WEPEX und adesso zeigt, dass das eWpG als innovative Finanzmarktregulierung die digitale Entwicklung im Kapitalmarktgeschäft beflügeln kann.

Auch wenn Strukturen hierfür erst noch entwickelt werden müssen, könnte durch das Inkrafttreten des eWpG die Papierurkunde sukzessive abgelöst werden. Eine mögliche Erweiterung des aktuellen rechtlichen Rahmens, beispielsweise durch die Ermöglichung eines börslichen Handels von Kryptowertpapieren oder die Ausweitung des eWpG auf Aktien, könnte dabei das Marktwachstum weiter positiv beeinflussen.

Die Ergebnisse der Marktumfrage bekräftigen, dass etablierte Finanzmarktakteure auch in einem immer weniger zentralisierten Kapitalmarkt wichtige Funktionen einnehmen können und vermutlich einnehmen werden.

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