Europäischer Einzelhandel ist widerstandsfähiger als erwartet

At the Supermarket: Checkout Counter Customer Pays with SmartphoAt the Supermarket: Checkout Counter Customer Pays with SmartphoGorodenkoff – stock.adobe.com

Die Einzelhandelsumsätze in Europa sind trotz Rekordinflation widerstandfähiger als erwartet. Das zeigt eine aktuelle Studie von Allianz Trade, dem weltweit führenden Kreditversicherer. Ein Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine hat ein höheres Einkommensniveau den Inflationsschock teilweise abgefedert.

So haben insbesondere starke Zuwächse bei den Arbeitnehmereinkommen - hauptsächlich durch eine sehr gute Arbeitsplatzentwicklung in Frankreich sowie höhere Löhne in Deutschland, Italien und Spanien - die Kaufkraft der Haushalte gestützt. Die während der Pandemie angesammelten Ersparnisse haben den Konsum ebenfalls unterstützt, während Kredite nur einen geringen Beitrag in Frankreich und Italien geleistet haben. Die Studienautoren von Allianz Trade erwarten jedoch, dass der Konsum erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 wieder Fahrt aufnimmt.

Aurélien Duthoit, Senior Sector Advisor, Allianz: "Wir gehen davon aus, dass der Konsum der privaten Haushalte in den großen Volkswirtschaften der Eurozone bis Mitte 2024 schwach bleiben wird, bevor er in dem Maße wieder leicht ansteigt, in dem sich die Reallöhne und das Vertrauen der Haushalte verbessern. Die Kaufabsichten der Verbraucher für große langlebige Güter sind angesichts der angespannten Kreditbedingungen und der hohen Zinssätze gering."

Außerdem dürften höhere Zinsen die Haushalte zunehmend dazu veranlassen, ihre Ersparnisse auf höhere, aber weniger liquide Konten umzuschichten und/oder ihre Sparquote hoch zu halten, so Duthoit weiter. Umfragen zufolge bleiben die Sparabsichten für die nächsten 12 Monate auf einem historisch hohen Niveau.

Kaufparadoxon

Besonders interessant ist das Phänomen des "Kaufparadoxons": Im Gegensatz zu vergangenen wirtschaftlichen Abschwüngen sind die Ausgaben für nicht dauerhafte Güter (hauptsächlich Lebensmittel, aber auch Strom und Kraftstoff) am stärksten gesunken (von -2 Prozent in Italien bis -7 Prozent in Deutschland).

Hingegen sind größere Anschaffungen wie langlebige Güter (Autos, Unterhaltungselektronik, Möbel, Haushaltsgeräte) oder halblanglebige Güter (Kleidung, Spielzeug, Kulturgüter) trotz der steigenden Lebenshaltungskosten im niedrigen einstelligen Bereich gewachsen. Auch Dienstleistungen wie Luftverkehr (+42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), Gastronomie (+13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und Unterkunft (+30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) florieren.

Durchschnittlicher Warenkorb in Deutschland steigt

Eine mögliche Erklärung liegt in der asymmetrischen Natur des Inflationsschocks auf die Haushalte: Haushalte mit geringeren Einkommen und Vermögen besonders stark von den dynamischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln und beim Wohnen betroffen sind, sind sie gezwungen, bei lebensnotwendigen Gütern zu sparen.

Vermögendere Haushalte hingegen verfügen weiterhin über frei verfügbares Einkommen. Berechnungen zeigen, dass der durchschnittliche Haushalt in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 zusätzlich etwa 290 Euro für den gleichen Warenkorb an Gütern und Dienstleistungen ausgegeben hat.

Herausforderungen für den Einzelhandel

Die Studie von Allianz Trade betrachtet auch die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für den Einzelhandel: Die geringere Wachstumsrate, höhere Zinssätze und eine strengere Finanzierung stellen insbesondere Modegeschäfte, Warenhäuser und E-Commerce-Spezialisten vor große Risiken. Mit dem Rückgang staatlicher Unterstützungsprogramme im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen verlangsamt sich der Konsum und Kredite werden knapper.

Dies kann laut Studie zu einer Zunahme von Insolvenzen großer Einzelhandelsunternehmen führen. Denn bereits im ersten Quartal 2023 hat das Tempo bei den Insolvenzen angezogen mit 11 Fällen und einem Gesamtumsatz von 2,4 Milliarden Euro. Das deutet auf die Rückkehr zum Niveau von 2019 hin.

Die vollständige Studie (ENG) finden Sie hier.

LESEN SIE AUCH

Rear view of luxury carRear view of luxury carSergey Nivens – stock.adobe.com
Studien

Chinesische Automobilhersteller überholen rechts

Die europäischen und insbesondere die deutschen Automobilhersteller haben Ende 2022 ihre Marktführerschaft in China - dem weltweit größten Automobilmarkt - eingebüßt. Vor allem, weil sie bei der Elektromobilität bisher auf der Bremse standen.

Steckdose-Kabel-Pfeil-464097471-AS-Negro-ElkhaSteckdose-Kabel-Pfeil-464097471-AS-Negro-ElkhaNegro Elkha – stock.adobe.com
Studien

Energiepreise für deutsche Unternehmen 2023 rund 40 Prozent höher als vor der Krise

Den Energiepreisschock haben deutsche Unternehmen in 2023 noch vor sich. Doch die Angst vor einer Deindustrialisierung ist jedoch unbegründet, da der Energieverbrauch in der Regel etwa 1-1,5 Prozent der Produktionskosten im verarbeitenden Gewerbe ausmacht.

Abstract creative financial diagram and upward arrow hologram on flag of Germany and blue sky background, growth and development conceptAbstract creative financial diagram and upward arrow hologram on flag of Germany and blue sky background, growth and development conceptPixels Hunter – stock.adobe.com
Finanzen

Deutscher Geldanlage-Index Sommer 2024: Wenig Aufregung in unruhigem Markt

Attraktive zinsbasierte Geldanlagen, ein hoher Goldpreis, kaum finanzierbare Immobilienpreise und nervöse Börsen: Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) wollte vor diesem Hintergrund wissen, ob und wie sich dies auf die Anlagepräferenzen der Privatanleger auswirkt.

Economist leaving office. Handsome economist leaving the office taking his box with different thingsEconomist leaving office. Handsome economist leaving the office taking his box with different things
Wirtschaft

Neues Rekordjahr für Großinsolvenzen in Deutschland?

Die Zahl der großen Pleiten steigt mit 45 Fällen in den ersten neun Monaten 2023 um 73 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bei dem Gesamtinsolvenzen aller Unternehmensgrößen verzeichnen Handel, Gastgewerbe und der Baubranche den stärksten Anstieg.

1981605c-c13a-4edc-9bba-78bbfa8f345e1981605c-c13a-4edc-9bba-78bbfa8f345eSergey Nivens – stock.adobe.com
Studien

Unternehmensinsolvenzen steigen weltweit erneut an

Allianz Trade veröffentlicht aktuelle Insolvenzprognosen für 2023 und 2024. Darin wird von einem Anstieg der Insolvenzen im Jahr 2023 um 6 Prozent und im Jahr 2024 um 10 Prozent ausgegangen. Schwindende Liquiditätspuffer und eine sich verschlechternde Rentabilität gefährden viele Branchen.

Worried woman checking her wallet when shopping in supermarket. Inflation and economic recession concept.Worried woman checking her wallet when shopping in supermarket. Inflation and economic recession concept.Halfpoint – stock.adobe.com
Studien

Gefühlte und tatsächliche Inflation klaffen auseinander

Die gefühlte Inflation ist mit 18 Prozent in Deutschland fast dreimal höher als die tatsächliche (6,1 Prozent). Damit liegt die faktische Teuerungsrate zwar im europäischen Mittelfeld, der Abstand zur wahrgenommenen ist aber so groß, wie in keinem anderen europäischen Land.