Wohnungsbau von drastischem Einbruch bedroht

Construction industry concept with drafts and plans . Mixed mediaConstruction industry concept with drafts and plans . Mixed mediaSergey Nivens – stock.adobe.com

Beim Wohnungsbau in Deutschland drohen wegen der hohen Zinsen und Baukosten 2023 und insbesondere 2024 drastische Einbrüche. So könnte die Zahl der neu fertiggestellten Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern von 295.000 im Jahr 2022 auf im schlechtesten Fall schätzungsweise 223.000 in diesem und nur noch 177.000 im kommenden Jahr sinken.

Damit könnte 2024 fast wieder der historische Tiefststand von 2009 erreicht werden - und das von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen läge in weiter Ferne. Der mögliche Einbruch bei den Fertigstellungen würde einem Rückgang der realen Wohnungsbauinvestitionen um knapp 21 Milliarden Euro in diesem beziehungsweise gut 16 Milliarden Euro im kommenden Jahr entsprechen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, welche die Risiken für die lahmende Baukonjunktur abschätzt. 1

BriefBriefHans-Böckler-Stiftung

Angesichts solcher Aussichten sollten die Ausgaben für öffentlich geförderten Wohnungsbau erhöht und die Strukturen für eine schnellere Umsetzung gestärkt werden, empfehlen die Forschenden. So ließe sich Risiken begegnen, dass sich die Wohnungsknappheit noch weiter zuspitzt und die Kapazitäten der Bauwirtschaft dauerhaft zurückgefahren werden.

Für ihre Untersuchung haben die IMK-Fachleute Dr. Carolin Martin und Dr. Thomas Theobald zusammen mit Lukas Jonas ein statistisches Modell entwickelt, das insbesondere die Wirkung der Zins- und der Einkommensentwicklung auf die Bautätigkeit abschätzbar macht.

Die Zahl der Fertigstellungen 2022 hat das Modell mit 274.000 neuen Wohnungen relativ gut prognostiziert, wenn auch leicht unterschätzt. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass auch die Vorhersagen für 2023 und 2024 eher den unteren Rand definieren und sich somit zur Risikoabschätzung eignen. Zudem erhöht aktuell das Bundesbauministerium die Wohnungsbauförderung für Sozialbauten - der Effekt auf Baufertigstellungen ist positiv, allerdings liegen noch nicht genug Informationen vor, um die Wirkung für 2023 und 2024 einzukalkulieren.

Doch selbst wenn die Entwicklung etwas besser ausfiele als in der Risikoabschätzung, würde das immer noch drastische Rückgänge bedeuten, die die Baubranche über Jahre lähmen könnten, warnen Martin, Theobald und Jonas: "Es besteht die Gefahr eines Kapazitätsabbaus, der auch mittelfristig dafür sorgt, dass das verfügbare Angebot weit hinter dem Bedarf zurückbleiben wird."

Aufstockung der öffentlichen Ausgaben

Um den absehbaren Einbruch der privaten Bauinvestitionen zumindest teilweise auszugleichen, plädieren die Forschenden für eine spürbare weitere Aufstockung der öffentlichen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau. Damit könnte nicht nur ein Absturz der Baubranche verhindert, sondern auch der Anteil günstigerer und energieeffizienter Wohnungen gesteigert werden, die zuletzt von privaten Bauträgern angesichts zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zu selten gebaut wurden.

Befürchtungen, ein verstärktes Engagement der öffentlichen Hand werde dazu beitragen, die Baupreise und indirekt auch die Inflation anzuheizen, halten die IMK-Fachleute in der gegenwärtigen Situation für überzogen. Die Risiken seien beherrschbar, insbesondere, wenn man die Ausgaben schrittweise aufstocke, die Lage im Jahresrhythmus evaluiere, die sonstige Bautätigkeit im Blick behalte und auf die weiteren Ausbaustufen bei gegebenenfalls besserer Entwicklung verzichte. Zudem könne es andererseits auch zur Inflation beitragen, wenn zu wenig Wohnungen gebaut werden und durch die Knappheit Mieten weiter anziehen.

Konkret könne nach Analysen des IMK insbesondere eine Aufstockung und Ausweitung von existierenden KfW-Programmen für den sozialen Wohnungsbau helfen, die durch steigende Zinsen verursachten Kosten abzufedern und so Bauprojekte zu ermöglichen. Eine weitere Förderoption bestehe bei der Erbpacht. Mittelfristig sinnvoll sei der Aufbau neuer öffentlicher Einrichtungen, die den Bau bezahlbaren Wohnraums fördern. Dazu zählt das IMK:

LESEN SIE AUCH

Baustelle-Muenzen-232985353-AS-1599685svBaustelle-Muenzen-232985353-AS-1599685sv1599685sv – stock.adobe.com
4 Wände

Bauzinsen nähern sich wieder 4-Prozent-Marke

Nach einem Zwischentief im Februar liegen die Bauzinsen für zehnjährige Darlehen aktuell bei rund 3,85 Prozent. Im weiteren Jahresverlauf müssen sich Kreditwillige auf schwankende Zinsen in einem Korridor zwischen 3 und 4 Prozent einstellen.

Residential buildings with euro price tags and calculator. Property valuation. Investment business plan. Market study. Calculating mortgage. Prices comparison for renting apartments. Housing value.Residential buildings with euro price tags and calculator. Property valuation. Investment business plan. Market study. Calculating mortgage. Prices comparison for renting apartments. Housing value.
4 Wände

Lage, Lage, Finanzierbarkeit: der deutsche Immobilienmarkt im Wandel

Nach der langanhaltenden Phase rückläufiger Zinsen traf die abrupt eintretende Zinswende im Sommer 2022 auf eine Gemengelage weiterer negativer Einflüsse im Immobilienmarkt. Ein Überblick über die Auswirkungen der unterschiedlichen Faktoren.

Architect with model of a house sitting at the desk indoors in office.Architect with model of a house sitting at the desk indoors in office.Halfpoint – stock.adobe.com
4 Wände

Nachholbedarf bei energetischer Gebäudesanierung wird immer größer

Der Gebäudesektor hat zwar ein hohes Einsparpotenzial bei den CO2-Emissionen, verfehlt aber regelmäßig seine Reduktionsziele. Es braucht konzertierte Aktionen von Produzenten, Baufirmen und Investoren, um Sanierungskapazitäten zu erhöhen.

Geldschein-Haus-40451952-AS-Bastiaanimage-StockGeldschein-Haus-40451952-AS-Bastiaanimage-StockBastiaanimage Stock – stock.adobe.com
Finanzen

Der Zinsgipfel ist in Sichtweite, niedrigere Zinsen vorerst nicht

Kaufinteressierte und Verkäufer von Immobilien kommen zunehmend im ‚neuen Normal‘ an: Die starke Zurückhaltung der vergangenen Monate weicht immer mehr der Akzeptanz des veränderten Zinsniveaus, das sich für zehnjährige Hypothekendarlehen weiterhin zwischen 3,5 und 4,0 Prozent bewegen wird.

Haus-Euro-220258889-AS-adrian-ilie825Haus-Euro-220258889-AS-adrian-ilie825adrian_ilie825 – stock.adobe.com
4 Wände

Warum Sparen jetzt ein schlechter Ratgeber ist

Geld sollte in der momentanen Situation nicht einfach auf dem Konto schlummern – die Inflation schmilzt es gnadenlos weg. Vielmehr ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt, in Immobilien zu investieren, denn auf dem Markt sind Verhandlungen wieder möglich.

The wooden house key is inserted at the door of the house. ThereThe wooden house key is inserted at the door of the house. ThereShisu_ka – stock.adobe.com
4 Wände

Wachsende Nachfrage nach Bauzinssicherung

Die Menschen haben das Bausparen wiederentdeckt: So verzeichnet allein die LBS mit 290.000 neuen Bausparverträgen ein Plus von 43 Prozent bei der Bausparsumme und fordert die BaFin auf, den zu Jahresbeginn eingeführten Kapitalpuffer für Banken wieder zu entschärfen.