EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen zu Equal Pay

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Für 81 Prozent der deutschen Unternehmen sind zunehmende regulatorische Anforderungen der hauptsächliche Grund, dass sie zu ihren Gehaltsstrukturen kommunizieren. Aber sie agieren aus einer Position der Unsicherheit heraus: Sie befürchten vor allem Rückfragen aus der Belegschaft, bezweifeln, dass das Management gut kommuniziert, und erachten ihre Vergütungsstrukturen für nicht ausgereift. Der Druck auf Unternehmen, ihre Gehaltslücken aufzudecken und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, steigt. Das zeigt der neue WTW Pay Transparency Survey.

„Die EU-Direktive zu fairer Vergütung ist ein scharfes Schwert. Sie legt fest, dass Unternehmen künftig für diskriminierungsfreie, nachvollziehbare und transparente Vergütungsstrukturen zu sorgen haben. Viele Unternehmen in Deutschland tun aktuell aber noch nichts und wollen erst abwarten, wie diese Vorschriften in deutsches Recht umgesetzt werden. Das ist aber riskant, weil sie nur noch wenig Zeit haben, um ihre Gehaltsstrukturen dafür vorzubereiten“, sagt Florian Frank, Head of Work & Rewards bei WTW.

Denn Unternehmen, die ab 2026 ihre Gehaltsstrukturen offenlegen müssen, haben nur noch zwei bis drei Gehaltsrunden, um ihre Pay Gaps, die Gehaltslücken zwischen Männern und Frauen, zu schließen. Es herrsche akuter Handlungsbedarf, betont Frank.

Unternehmen informieren vor allem zu Basis-Themen und müssen sich auf Berichtspflichten vorbereiten

Zu den Themen, welche Unternehmen in Deutschland bezüglich ihrer Gehaltsstrukturen kommunizieren, gehören vor allem Hierarchie-Ebenen beziehungsweise Job-Levels (68 Prozent), variable Gehaltsanteile (67 Prozent) und wie sich das Grundgehalt zusammensetzt (63 Prozent).

Wozu sie hingegen kaum kommunizieren, ist das Durchschnittsgehalt von Mitarbeitenden im Vergleich zu Personen in einer ähnlichen Position oder Funktion. Nur bei neun Prozent ist das Teil der Kommunikation. Über die Hälfte der befragten Unternehmen (51 Prozent) plant gar nicht erst, dazu zu kommunizieren.

„Dass Unternehmen in erster Linie zu den einfacheren Vergütungsthemen informieren, überrascht nicht, weil sie sich in diesen Bereichen am sichersten fühlen“, sagt Frank. „Vor allem müssen Unternehmen im Blick haben, welche Berichtspflichten mit der EU-Direktive kommen und welche Auskunftsrechte Mitarbeitende dadurch haben werden. Beispielsweise müssen Unternehmen pro Mitarbeitergruppe, welche gleichwertige Arbeit leisten, die Pay Gaps berechnen. Wenn die Lücken mehr als fünf Prozent betragen und nicht durch objektive Faktoren erklärt werden können, müssen Unternehmen es melden und konkrete Gegenmaßnahmen gemeinsam mit dem Betriebsrat ergreifen. Ansonsten drohen Bußgelder.“

Führungskräfte sollen Vergütungsstrukturen kommunizieren

Wenn es um die Kommunikation der Gehaltsstrukturen innerhalb des Unternehmens geht, setzen Unternehmen vor allem auf das Management. Für 87 Prozent ist das der wichtigste Kanal, gefolgt vom Intranet (64 Prozent) und umfassende Vergütungsbescheinigungen, die auch Benefits wie die betriebliche Altersversorgung einschließen (sogenannte Total Rewards Statements, 53 Prozent).

Hier offenbart sich aber ein großer Widerspruch: Die Führungskräfte sind zwar der wichtigste Kanal, jedoch ist nur die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) davon überzeugt, dass sie ihr Management ausreichend zu den Gehaltsstrukturen schult. Beim Thema Lohngleichheit sind es sogar nur 19 Prozent.

Das wirkt sich auf die Qualität der Mitarbeiterkommunikation aus. Nicht einmal ein Drittel der Unternehmen (30 Prozent) ist der Meinung, dass ihre Mitarbeitenden zu den Vergütungsstrukturen effektiv informiert werden. Bei Lohngleichheit sind es nur zehn Prozent.

„Im globalen Vergleich schneiden Unternehmen in Deutschland schlechter ab, was die Kommunikation zu Vergütungsstrukturen betrifft. Dass liegt unter anderem daran, dass die Transparenzanforderungen in ausländischen Firmen schon seit längerem höher sind", erläutert Frank.

Fair Pay als Erfolgsfaktor im „War for Talents“

Etwa ein Drittel (31 Prozent) der Unternehmen, welche über ihre Gehaltsstrukturen kommunizieren, gaben an, dass sie mehr Bewerbungen von potentiellen Mitarbeitenden erhalten. „Bei diesen Unternehmen handelt es sich meist um Fair-Pay-Vorreiter, die sich auch zertifizieren lassen und sich damit aktiv im Arbeitsmarkt positionieren. Das kann ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um die besten Talente sein“, sagt Frank.

Mehr Kommunikation kann aber auch mehr Fragen nach sich ziehen: 62 Prozent berichten von mehr Rückfragen durch ihre Mitarbeitenden, wenn sie regelmäßig zu Vergütungsthemen informieren. „Gewachsene Gehaltsstrukturen sind nicht unbedingt auf den ersten Blick verständlich“, sagt Frank. „Wenn Firmen auf dieser Basis kommunizieren, ist es nachvollziehbar, dass Mitarbeitende mit Rückfragen auf sie zukommen.“

Was Unternehmen tun müssen

Vor dem Hintergrund der EU-Direktive sind Unternehmen dazu angehalten, möglichst schnell ihre Vergütungsstrukturen und Prozesse entsprechend den neuen Vorgaben anpassen, um etwaige Gehaltslücken zu schließen. Denn voraussichtlich ab 2026 werden die Regelungen auch in Deutschland gelten. Folgende Punkte sollten Unternehmen dabei beachten:

  1. Stellenarchitektur: Entwicklung einer grundlegenden Stellenarchitektur und deren aktiven Verwaltung, um klare Rollen- und Aufgabenstrukturen zu schaffen.
  2. Vergütungsstrukturen: Überprüfung und Optimierung der Gehaltsstrukturen sowie Einführung einer einheitlichen Offenlegung. Klare Definition von Richtlinien für Einstellungs-, Beförderungs- und Leistungsentscheidungen.
  3. Datenerhebung: Sicherstellen, dass alle Systeme und Daten zur Verfügung stehen, um Gehaltsanalysen durchzuführen.
  4. Wissensvermittlung: Befähigung der Führungskräfte zur Kommunikation von Vergütungsthemen.
  5. „Unternehmen muss klar sein: Die Zeit des Abwartens ist vorbei, jetzt ist Zeit zu handeln. Die Überarbeitung der internen Gehaltsstrukturen kann komplex und langwierig sein. Unternehmen, die jetzt nicht starten, könnten das Nachsehen haben, wenn sie etwaige Unwuchten in ihren Vergütungsstrukturen offenlegen und dies ihren Mitarbeitenden erklären müssen“, warnt Frank.

    Über die Studie

    Weltweit haben 1313 Unternehmen mit insgesamt 26 Millionen Mitarbeitenden aus allen Branchen am WTW Pay Transparency Survey teilgenommen. In Deutschland wurden 57 Unternehmen befragt, die 3,4 Millionen Mitarbeitende beschäftigen. Die Umfrage wurde im Juli 2023 durchgeführt.

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