Schmerzensgeld bei Schäden durch ärztliche Behandlungsfehler

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Laut der aktuellen Jahresstatistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung des Medizinischen Dienstes (MD) haben Fachärzte bundesweit 13.059 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Die Gutachter haben 3.221 Fälle mit Schäden (24,7 Prozent) bestätigt. In 2.696 der 3.221 Fälle (83,7 Prozent) wurden die Schäden durch den Behandlungsfehler verursacht, was laut Anita Faßbender, Fachanwältin für Medizinrecht in Gießen, bedeutet, dass die Patienten Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Wie Dr. Gronemeyer vom MD erklärt, ist die Dunkelziffer laut Studien aber noch deutlich höher.

„Die Begutachtungszahlen zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist vielfach belegt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt: Experten gehen davon aus, dass etwa 1 Prozent der Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen ist. Nur etwa 3 Prozent aller unerwünschten Ereignisse werden nachverfolgt.“

Schmerzensgeld bei Behandlungsfehlern

Laut Faßbender sind Schmerzensgeldansprüche bei ärztlichen Behandlungsfehlern in § 630 h des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt. Bei einem Behandlungsfehler entstehen häufig zusätzliche Kosten für die Betroffenen, etwa durch entgangene Einkünfte, Medikamente oder weitere medizinische Behandlungen. Schadensersatz soll finanzielle Einbußen abdecken. Das Schmerzensgeld hingegen kompensiert körperliche sowie seelische Leiden, die durch den Behandlungsfehler entstanden sind.

Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach den tatsächlichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen, die ein Patient erleidet. Orientierung für die Bemessung des Schmerzensgeldes bietet häufig eine Schmerzensgeldtabelle, welche die gerichtlichen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen reflektiert.

BehandlungsfehlerSchmerzensgeldGericht
Fehlerhaft eingesetzte Hüftprothese25.000 €LG Freiburg
OLG Hamm
Schwarzer Hautkrebs nicht diagnostiziert104.000 €Außergerichtlicher Vergleich
Inkomplette Querschnittslähmung nach Wirbelsäuleninjektion80.000 €Gerichtlicher Vergleich LG Hamburg
Unterlassene Thromboseprophylaxe30.000 €Außergerichtlicher Vergleich
Querschnittslähmung nach Operation220.000OLG Hamm

Wie Faßbender erklärt, ist die Forderung von Schmerzensgeld bei einem ärztlichen Behandlungsfehler ein rechtlich komplexer Vorgang. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht empfiehlt Patienten deshalb zur Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen juristische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein auf Medizinrecht spezialisierter Anwalt kann die Erfolgschancen signifikant erhöhen, indem er die rechtlichen Ansprüche professionell vertritt und mögliche Fehler, etwa die Verjährung der Ansprüche, vermeidet.

Der Anwalt evaluiert zunächst die Anspruchsgrundlagen und berät über die möglichen juristischen Schritte. Dabei wird auf die korrekte Einschätzung der Schadenshöhe sowie auf die Sammlung und Aufbereitung aller relevanten medizinischen Unterlagen und Beweise geachtet. Ein erfahrener Anwalt navigiert durch die komplexen rechtlichen Prozesse und vertritt die Interessen des Mandanten vor Gericht oder in außergerichtlichen Einigungen. Dies umfasst die Einreichung aller notwendigen Unterlagen, die Führung von Verhandlungen und gegebenenfalls die Vertretung in einem Gerichtsverfahren.

Ärztliche Behandlungsfehler nach Fachgebieten

Laut den Daten des MD entfallen die meisten Behandlungsfehlervorwürfe auf die Fachgebiete der Orthopädie und Unfallchirurgie (30,3 Prozent). Bedeutende Anteile weisen ebenfalls die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (12,2 Prozent), die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (9 Prozent) und die Allgemein- und Viszeralchirurgie (9 Prozent) auf. Es folgen darauf die Zahnmedizin (8 Prozent) und die Pflege (6 Prozent). Zusammengefasst entfällt aber ein Viertel der Vorwürfe auf 29 weitere Fachgebiete (26 Prozent). Die häufigsten Vorwürfe betreffen Behandlungen bei Hüft- und Kniegelenksverschleiß, Knochenbrüchen, Durchblutungsstörungen am Herzen, Gallensteinen sowie Zahnerkrankungen. Chirurgische Eingriffe stehen dabei oft im Zentrum der Kritik, da Fehler hierbei für Patienten in der Regel leichter erkennbar sind als etwa Medikationsfehler.

„Eine Häufung von Vorwürfen in einem Fachgebiet sagt gar nichts über die Fehlerquote oder die Sicherheit in dem jeweiligen Gebiet aus“, erklärt Adolph. „Sie zeigen nur, dass Patientinnen und Patienten reagieren, wenn eine Behandlung nicht ihren Erwartungen entspricht.“

Viele Schäden sind vorübergehend

Bei einem Großteil der untersuchten Fälle waren die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Patienten temporär (60,5 Prozent), wobei medizinische Eingriffe oder Krankenhausaufenthalte notwendig waren. Diese Patienten haben sich letztlich vollständig erholt. Bei mehr als einem Drittel der Patienten (35 Prozent) kam es jedoch zu dauerhaften Schäden. Der MD klassifiziert diese Dauerschäden in leichte, mittlere und schwere Kategorien.

Leichte Dauerschäden umfassen etwa minimale Bewegungseinschränkungen oder Narben, während mittlere Dauerschäden sich durch chronische Schmerzen, deutliche Bewegungseinschränkungen oder die Beeinträchtigung von Organfunktionen auszeichnen. Schwere Dauerschäden führen zur Pflegebedürftigkeit, Blindheit oder dauerhaften Lähmungen. Bei einem kleinen Teil der Patienten (3 Prozent) führten die medizinischen Fehler zudem zum Tod oder haben diesen wesentlich mitausgelöst.

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