Darlegungs- und Beweislast bei Auszahlung der Stornoreserve

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte sich mit Urteil vom 13. September 2017 (Aktenzeichen 15 U 7/17) mit der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve für Versicherungsvertreter zu befassen. Nach der Beendigung eines Handelsvertretervertrages können Finanzvertriebe die Stornoreserve nicht pauschal einbehalten, entschied das OLG Karlsruhe.

(PDF)
Frau-hand-Euro-Jojo-69741366-FO-Sergey-NivensFrau-hand-Euro-Jojo-69741366-FO-Sergey-NivensSergey Nivens / fotolia.com

Sachverhalt vor dem OLG Karlsruhe

Jens Reichow, Rechtsanwalt bei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB Jens Reichow, Rechtsanwalt bei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Eine selbstständige Handelsvertreterin war für einen Finanzvertrieb tätig, für den sie unter anderem Vermögensanlagen und Bausparverträge verschiedener Banken und Versicherungen vermittelte. Dafür erhielt sie eine erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen. Die zu erwartenden Provisionen wurden aber nur zu 90 Prozent ausgezahlt. Die restlichen 10 Prozent wurden auf ein Stornoreservekonto gebucht. Schlussendlich kam für die Handelsvertreterin so eine fünfstellige Summe auf dem Stornoreservekonto zusammen.

Die Handelsvertreterin erhielt monatlich Provisionsabrechnungen. Wenn ein Versicherungsnehmer nun seinen Versicherungsvertrag stornierte und die Handelsvertreterin folglich einen Teil der Provision zurückzahlen musste, wurde dieser Betrag mit der Stornoreserve verrechnet.

Nach der Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Handelsvertreterin behielt der Finanzvertrieb die Stornoreserve ein. Er begründete dies damit, dass diese vollständig mit Stornierungen verrechnet worden seien. Der Finanzvertrieb machte Provisionsrückzahlungsansprüche geltend. Die Handelsvertreterin wiederum forderte die Auszahlung der Stornoreserve.

Keine Darlegung des Provisionsanspruchs

Das OLG urteilte, dass der Finanzvertrieb keinen Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen hat. Der Finanzvertrieb genügt hier seiner Darlegungslast nicht.

Fordert das Unternehmen die Rückzahlung zu viel bezahlter Provisionen oder Provisionsvorschüsse, trägt es die Beweislast. Zur Begründung des Rückforderungsanspruchs muss auch dargelegt werden, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung der einzelnen stornierten Versicherungsverträge erfolgt war oder dass eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich war. Dies gilt für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag.

Für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch müssen dessen konkrete Gründe dargelegt und bewiesen werden. Der Finanzvertrieb hatte vorliegend jedoch nicht dargelegt, was in jedem Fall der Rückforderung von ihm an Nachbearbeitungsmaßnahmen durchgeführt wurde beziehungsweise aus welchen Gründen solche unterblieben sind.

Die Stornoreserve gilt als Sicherheit

Die Stornoreserve dient als Sicherheit für gezahlte Provisionsvorschüsse falls durch den Handelsvertreter abgeschlossene Verträge storniert werden. Bei der Stornoreserve handelt es sich um einen Teil der Provision für vermittelte Verträge. Dieser Teil wird vom Finanzvertrieb nicht ausbezahlt, sondern zur Sicherheit einbehalten. Wie hoch die Stornoreserve zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, lässt sich den Abrechnungen des Finanzvertriebes entnehmen.

Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve

Der Finanzvertrieb muss die Stornoreserve, also das Guthaben auf dem Rückstellungskonto, an die Handelsvertreterin auszahlen, so das OLG Karlsruhe.

Der Finanzvertrieb kann nicht einfach behaupten, die Stornoreserve sei durch Verrechnung mit stornierten Verträgen abgeschmolzen.

Laut OLG Karlsruhe handelt es sich bei der Klage auf Auszahlung eines Stornoreserveguthabens ihrem Wesen nach um eine Provisionsklage, für die dieselben Darlegungs- und Beweislastgrundsätze gelten. Wenn der Finanzvertrieb die Stornoreserve nach Ende der Zusammenarbeit nicht auszahlen will, muss er für jede einzelne Buchung in der Abrechnung nachweisen, dass die Stornoreserve auch berechtigt verrechnet wurde. Dieser Darlegungslast ist der Finanzvertrieb nicht nachgekommen.

Da vorliegend die Stornierungen unberechtigt erfolgten, konnte damit auch nicht wirksam die Stornoreserve abgeschmolzen werden. Diese stand somit nach wie vor der Handelsvertreterin zu.

Stornoreservekonto ist keine Konkorrentkonto

Der Finanzvertrieb kann sich vorliegend auch nicht auf die Grundsätze des Kontokorrents berufen. Das OLG ging in seinem Urteil davon aus, dass keine wirksame Kontokorrentabrede im Handelsvertretervertrag getroffen wurde. Selbst wenn das Provisionsrückstellungskonto als Kontokorrentkonto geführt worden wäre, wäre mit der Kündigung des Handelsvertretervertrages aber auch das Kontokorrentverhältnis gekündigt worden, so das OLG Karlsruhe.

Fazit

Bei diesem Urteil handelt es sich um ein handelsvertreterfreundliches Urteil. Das OLG Karlsruhe hat vorliegend zu Gunsten der Handelsvertreterin entschieden. Nach dem Urteil dürfen Unternehmen die gebildeten Stornoreserven nicht pauschal einbehalten, sondern haben die Gründe konkret dafür darzulegen und nicht pauschal zu argumentieren. Das Unternehmen trägt die Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve, wenn dieses die Stornoreserve einbehalten will.

Jöhnke & Reichow Vermittler-Kongress 2019

Im kommenden Vermittler-Kongress am 21. Februar 2019 in Hamburg wird über die aktuellen Änderungen in der Rechtsprechung berichtet werden.

Der Kongress ist für Vermittler kostenfrei. Wir bitten um verbindliche Anmeldung über die folgende Adresse: www.vermittler-kongress.de

(PDF)

LESEN SIE AUCH

European Union financial stimulus on coronavirus Covid-19 pandemEuropean Union financial stimulus on coronavirus Covid-19 pandemEuropean Union financial stimulus on coronavirus Covid-19 pandem
Marketing & Vertrieb

Provisionsverbot: Europäische Interessenvertretung des BVK wirkt

Dass die Vorstöße des BVK bereits Früchte tragen, zeigen kritische Äußerungen der Berichterstatterin des ECON-Ausschusses Stéphanie Yon-Courtin: Sie äußerte sich kritisch zu Provisionsverboten und sprach sich gegen Benchmarks aus. Auch bemängelte sie zu viele delegierte Rechtsakte seitens der EU.

Young couple and financial advisor going through investment plans on digital tablet.Young couple and financial advisor going through investment plans on digital tablet.Drazen – stock.adobe.comYoung couple and financial advisor going through investment plans on digital tablet.Drazen – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Honorarberatung liegt bei Maklern im Trend

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Makler, die in Zukunft auch Honorarberatung anbieten wollen, um 21 Prozentpunkte auf 73 Prozent gestiegen. Ein Grund ist möglicherweise auch die anhaltende Debatte um die Regulierung der Makler-Provisionen.

Funny momentFunny momentpressmaster – stock.adobe.comFunny momentpressmaster – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Bessere Regulierungen anstatt Provisionsverbot!

Ein Provisionsverbot in der Finanzberatung könnte eine ganze Reihe an Kollateralschäden für Verbraucher und Geringverdiener nach sich ziehen. Marktteilnehmer, Branchenverbände und Politik sollten sich daher für bessere Regulierungen einsetzen, anstatt einseitig Provisionen zu kritisieren.

impatient businessman waiting to grab euro for corporate theftimpatient businessman waiting to grab euro for corporate theftSTUDIO GRAND WEB – stock.adobe.comimpatient businessman waiting to grab euro for corporate theftSTUDIO GRAND WEB – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Vergütung sollte nicht durch Verbote gesteuert werden

Sowohl Provisions- als auch Honorarberatung haben ihre Daseinsberechtigung. Bei einer transparenten Beratung und einem gleichberechtigten Nebeneinander regelt letztlich der freie Markt, welche Vergütungsform gewählt wird und das zum Vorteil aller am Prozess Beteiligten.

Uhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignUhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignsergign – stock.adobe.com (2) © EVERS Rechtsanwälte für VertriebsrechtUhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignsergign – stock.adobe.com (2) © EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht
Marketing & Vertrieb

AGB-mäßige Verkürzung der Verjährung in Vertreterverträgen

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass AGB-Klauseln in Vertreterverträgen, die die Verjährung verkürzen, unwirksam sein können.
Geldscheine-Schnipsel-23112808-FO-Daniel-SchweinertGeldscheine-Schnipsel-23112808-FO-Daniel-SchweinertDaniel Schweinert / fotolia.comGeldscheine-Schnipsel-23112808-FO-Daniel-SchweinertDaniel Schweinert / fotolia.com
Marketing & Vertrieb

Kündigung von Lebensversicherungen: Deutsche verschenken 80 Millionen Euro

Das Stornovolumen bei den Lebensversicherungen ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017 laut GDV um 2,6 Prozent zurückgegangen und betrug 12,3 Milliarden Euro. Die Stornoquote, gemessen an der Zahl der Verträge ist mit 2,64 Prozent nahezu konstant geblieben.

Mehr zum Thema

Michael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER VersicherungsgruppeMichael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER Versicherungsgruppe
Marketing & Vertrieb

INTER: „Makler müssen die Lebenswelt ihrer Zielgruppe verstehen.“

Michael Schillinger und Andreas Bahr von der INTER erklären, wie wichtig Zielgruppenspezialisierung für Makler ist und wie die INTER ihre Partner dabei unterstützt – von maßgeschneiderten Produkten bis hin zu persönlicher Beratung vor Ort. Es ist der zweite Teil eines Interviews, das zuerst im expertenReport 10/24 erschien.

Michael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER VersicherungsgruppeMichael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER Versicherungsgruppe
Marketing & Vertrieb

INTER: „Schema F gibt es nicht mehr.“

Der Maklermarkt befindet sich in einem stetigen Wandel. Das fordert nicht nur die freien Vermittlerinnen und Vermittler selbst, sondern auch die Versicherer. Vertriebsvorstand Michael Schillinger und Bereichsleiter Maklerorganisation Andreas Bahr erzählen im Interview mit expertenReport, wie die INTER auf die Entwicklungen reagiert und welche eigenen Akzente sie setzen will.

DALL-EDALL-E
Marketing & Vertrieb

Maklermedien auf dem Prüfstand: Die MRTK Media-Analyse 2024

Welche Medien erreichen Makler wirklich? Die „MRTK Media-Analyse 2024“ zeigt: Print und Newsletter sind für Makler gleichermaßen wichtig.

Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance-Practice bei Simon-KucherSimon-KucherDirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance-Practice bei Simon-KucherSimon-Kucher
Marketing & Vertrieb

Rabatte in der Assekuranz: Vom Rendite-Killer zum Vertriebs-Turbo

Rabatte sind ein wichtiger Hebel im Wettbewerb, doch zu oft fehlen klare Strategien. Experte Dirk Schmidt-Gallas (Simon-Kucher) zeigt, wie Versicherer mit smarter Rabattsteuerung Profitabilität und Kundenzufriedenheit steigern können.

Mehr oder weniger zaghaft öffnen Versicherer ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb, zeigen Beispiele von ALH-Gruppe und Zurich (Symbolbild).DALL-EMehr oder weniger zaghaft öffnen Versicherer ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb, zeigen Beispiele von ALH-Gruppe und Zurich (Symbolbild).DALL-E
Marketing & Vertrieb

Vertrieb im Wandel: Öffne dich, Ausschließlichkeit

Versicherer öffnen ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb für Mehrfachagenten, um Produktlücken zu schließen und den Vermittlerschwund zu bekämpfen. Wie ALH und Zurich unterschiedliche Ansätze verfolgen.

entspannter geschäftsmann liest am laptopentspannter geschäftsmann liest am laptopcontrastwerkstatt – stock.adobe.comentspannter geschäftsmann liest am laptopcontrastwerkstatt – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Wie Branded Content Marken helfen kann, Vertrauen aufzubauen und Kunden zu binden

Insbesondere im Finanzsektor steht Sponsored Content vielfach noch am Anfang. Dabei bietet Branded Content viel Potential und kann helfen, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Wie das gelingen kann.