Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte sich mit Urteil vom 13. September 2017 (Aktenzeichen 15 U 7/17) mit der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve für Versicherungsvertreter zu befassen. Nach der Beendigung eines Handelsvertretervertrages können Finanzvertriebe die Stornoreserve nicht pauschal einbehalten, entschied das OLG Karlsruhe.
Sachverhalt vor dem OLG Karlsruhe
Eine selbstständige Handelsvertreterin war für einen Finanzvertrieb tätig, für den sie unter anderem Vermögensanlagen und Bausparverträge verschiedener Banken und Versicherungen vermittelte. Dafür erhielt sie eine erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen. Die zu erwartenden Provisionen wurden aber nur zu 90 Prozent ausgezahlt. Die restlichen 10 Prozent wurden auf ein Stornoreservekonto gebucht. Schlussendlich kam für die Handelsvertreterin so eine fünfstellige Summe auf dem Stornoreservekonto zusammen.
Die Handelsvertreterin erhielt monatlich Provisionsabrechnungen. Wenn ein Versicherungsnehmer nun seinen Versicherungsvertrag stornierte und die Handelsvertreterin folglich einen Teil der Provision zurückzahlen musste, wurde dieser Betrag mit der Stornoreserve verrechnet.
Nach der Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Handelsvertreterin behielt der Finanzvertrieb die Stornoreserve ein. Er begründete dies damit, dass diese vollständig mit Stornierungen verrechnet worden seien. Der Finanzvertrieb machte Provisionsrückzahlungsansprüche geltend. Die Handelsvertreterin wiederum forderte die Auszahlung der Stornoreserve.
Keine Darlegung des Provisionsanspruchs
Das OLG urteilte, dass der Finanzvertrieb keinen Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen hat. Der Finanzvertrieb genügt hier seiner Darlegungslast nicht.
Fordert das Unternehmen die Rückzahlung zu viel bezahlter Provisionen oder Provisionsvorschüsse, trägt es die Beweislast. Zur Begründung des Rückforderungsanspruchs muss auch dargelegt werden, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung der einzelnen stornierten Versicherungsverträge erfolgt war oder dass eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich war. Dies gilt für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag.
Für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch müssen dessen konkrete Gründe dargelegt und bewiesen werden. Der Finanzvertrieb hatte vorliegend jedoch nicht dargelegt, was in jedem Fall der Rückforderung von ihm an Nachbearbeitungsmaßnahmen durchgeführt wurde beziehungsweise aus welchen Gründen solche unterblieben sind.
Die Stornoreserve gilt als Sicherheit
Die Stornoreserve dient als Sicherheit für gezahlte Provisionsvorschüsse falls durch den Handelsvertreter abgeschlossene Verträge storniert werden. Bei der Stornoreserve handelt es sich um einen Teil der Provision für vermittelte Verträge. Dieser Teil wird vom Finanzvertrieb nicht ausbezahlt, sondern zur Sicherheit einbehalten. Wie hoch die Stornoreserve zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, lässt sich den Abrechnungen des Finanzvertriebes entnehmen.
Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve
Der Finanzvertrieb muss die Stornoreserve, also das Guthaben auf dem Rückstellungskonto, an die Handelsvertreterin auszahlen, so das OLG Karlsruhe.
Der Finanzvertrieb kann nicht einfach behaupten, die Stornoreserve sei durch Verrechnung mit stornierten Verträgen abgeschmolzen.
Laut OLG Karlsruhe handelt es sich bei der Klage auf Auszahlung eines Stornoreserveguthabens ihrem Wesen nach um eine Provisionsklage, für die dieselben Darlegungs- und Beweislastgrundsätze gelten. Wenn der Finanzvertrieb die Stornoreserve nach Ende der Zusammenarbeit nicht auszahlen will, muss er für jede einzelne Buchung in der Abrechnung nachweisen, dass die Stornoreserve auch berechtigt verrechnet wurde. Dieser Darlegungslast ist der Finanzvertrieb nicht nachgekommen.
Da vorliegend die Stornierungen unberechtigt erfolgten, konnte damit auch nicht wirksam die Stornoreserve abgeschmolzen werden. Diese stand somit nach wie vor der Handelsvertreterin zu.
Stornoreservekonto ist keine Konkorrentkonto
Der Finanzvertrieb kann sich vorliegend auch nicht auf die Grundsätze des Kontokorrents berufen. Das OLG ging in seinem Urteil davon aus, dass keine wirksame Kontokorrentabrede im Handelsvertretervertrag getroffen wurde. Selbst wenn das Provisionsrückstellungskonto als Kontokorrentkonto geführt worden wäre, wäre mit der Kündigung des Handelsvertretervertrages aber auch das Kontokorrentverhältnis gekündigt worden, so das OLG Karlsruhe.
Fazit
Bei diesem Urteil handelt es sich um ein handelsvertreterfreundliches Urteil. Das OLG Karlsruhe hat vorliegend zu Gunsten der Handelsvertreterin entschieden. Nach dem Urteil dürfen Unternehmen die gebildeten Stornoreserven nicht pauschal einbehalten, sondern haben die Gründe konkret dafür darzulegen und nicht pauschal zu argumentieren. Das Unternehmen trägt die Darlegungs- und Beweislast bei der Auszahlung der Stornoreserve, wenn dieses die Stornoreserve einbehalten will.
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