Lemonade ist seit kurzem als neues Versicherungs-Start-up auf dem deutschen Markt vertreten. Zunächst bietet der Versicherer Privathaftpflicht und Hausratversicherungen an, die gleichzeitig miteinander abgeschlossen werden.
VEMA-Vorstandsvorsitzender, Hermann Hübner, analysierte die Beschreibung des Versicherungsschutzes und kommt zu keinem guten Urteil:
Hermann Hübner, Vorstandsvorsitzender, VEMA eG „Mit wenigen Angaben kommt man schnell zum Angebot. Was neben dem nach außen gern zur Schau gestellten locker-flockigem Auftreten auffällt: Der Schutz ist ziemlich billig.
Dass guter Schutz nicht teuer sein muss, ist uns als Versicherungsmaklern natürlich nicht unbekannt. Unterschreitet das Beitragsniveau jedoch eine gewisse Grenze, ist Vorsicht angebracht. Da Lemonade dies in zwei Sparten tut, sind wir doppelt vorsichtig.“
Dazu käme die Info in den FAQ von Lemonade, dass man plane, 40 Prozent der eingenommenen Beiträge für gute Zwecke zu spenden. Das sei zwar eine tolle Idee, allerdings scheine dies angesichts einer branchenweiten Schaden-Kosten-Quote von 91 Prozent in den Haftpflichtsparten nicht nur optimistisch, sondern beinahe schon blauäugig. Umso mehr, da weitere 20 Prozent als „Notgroschen für schlechte Zeiten“ vorgesehen seien.
Warum sollten Lemonade-Kunden weniger als halb so schadenanfällig sein wie „normale Kunden“ von „normalen Versicherungsunternehmen“? Selbst wenn diese Rechnung aufgeht, wo spart man das im Vergleich zu anderen Versicherungsunternehmen? Dazu werfen wir einen prüfenden Blick auf die Beschreibung des Versicherungsschutzes. Und da gibt es so manches zu entdecken.
„Beginnen wir mit der sehr unüblichen Beschränkung der maximalen Schadenerstattung von 2.000 Euro pro Gegenstand in der Hausratversicherung. Teurere Dinge, wie etwa ein hochwertiges Sofa, müssen extra eingeschlossen und vom Lemonade-Team genehmigt werden. Die Hausratversicherung sieht aber noch einige weitere Einschränkungen des Versicherungsschutzes vor.“
Hier einige Beispiele:
Nicht mit versichert sind Bargeld in der Wohnung, Gegenstände an Orten, die nicht zum Versicherungsort zählen, beispielsweise ein Rasenmäher im Gartenhaus, sowie geborgte Gegenstände, wie etwa die Kreissäge des Nachbarn.
In der Privathaftpflichtversicherung sind zum Beispiel Schäden, die durch Haustiere oder mit Booten verursacht werden, sowie Schäden durch Drohnen nicht versichert.
„Allein mit den aufgezählten Ausschlüssen entfernt sich Lemonade stark von dem, was am deutschen Versicherungsmarkt als normal angesehen werden darf. Nun wird es für Kunden, die nicht vom Versicherungsfach sind, sicherlich noch möglich sein, diese klaren Ausschlüsse mit dem gelebten Alltag abzugleichen (sofern sie überhaupt auffallen); problematischer wird es mit Ausschlüssen, die nicht sofort ins Auge springen und in viel Text versteckt sind.“
So bedeute ein Ausschluss von Schäden durch motorisierte Fahrzeuge jeder Art auch, dass keinerlei Schutz für Verkehrsunfälle geboten wird, die mit einem nicht versicherungspflichtigen Pedelec verursacht werden. Das erst im Schadenfall zu erfahren, wäre eine böse Überraschung.
„Auch der unmotorisierte Radfahrer wurde beim Negativen bedacht: Mutwillig begangene Ordnungswidrigkeiten hebeln den Versicherungsschutz aus. Die Ampel, die man doch noch hätte schaffen müssen und dann bei Rot überfahren wurde, wäre so ein Praxisfall. Oder die Fußgängerampel, die man auch als Radfahrer nutzt. Verursacht man dadurch einen Verkehrsunfall, ist man bei Lemonade wieder mit dem eigenen Geld in der Pflicht. Gut für den Versicherer – und zwar nur für den.“
Auch Personen, die bei einem wohnen, dürften nicht darauf hoffen, von Lemonade entschädigt zu werden, wenn sie vom Versicherungsnehmer geschädigt werden.
„Eine Versicherung sollte ein gutes Gefühl vermitteln, ein Gefühl, dass zumindest finanziell alles gut wird, wenn es denn mal „kracht“. Und zahlen muss sie dann natürlich auch. Dafür braucht es zweierlei: Ein gutes Bedingungswerk mit möglichst weitreichendem Schutz und eine solide Kalkulation der Beiträge. Das schafft Sicherheit beim Schutz, Sicherheit in der Finanzierbarkeit eines Schadens und Sicherheit hinsichtlich Stabilität der Beiträge.
Ganz sicher haben viele etablierte Versicherungsunternehmen bei der Ansprache jüngerer Kundengruppen noch Optimierungsbedarf und man könnte den grauen Staub der vergangenen Jahrzehnte ruhig abschütteln. Nur mit Duzen hingegen, lockeren Texten und Onlinebeantragung allein ist es allerdings nicht getan.
Da darf Lemonade seine Hausaufgaben noch machen. Wir hoffen, dass Kunden durch den löchrigen Schutz nicht zu arg geschädigt werden.
Momentan hinterlässt diese Limonade jedenfalls einen zu bitteren Nachgeschmack.“