Anbieter von Berufsunfähigkeitsversicherungen sehen sich häufig mit Skepsis und Vorwürfen konfrontiert: Sie übervorteilen ihre Kunden systematisch mit (Gefälligkeits-)Gutachten, vorsätzlich verzögerten Bearbeitung und Zermürben durch ständiges Anfordern weiterer Informationen. Diesen Vorwürfen geht Franke und Bornberg nun in der aktuellen Leistungspraxis-Studie zur Berufsunfähigkeitsversicherung nach.
Analysiert dafür wurden Daten der Allianz, AachenMünchener, ERGO, HDI, Nürnberger und Swiss Life. Mit rund 32.800 (2016: 24.600) Neuanmeldungen von BU-Leistungsfällen decken diese Versicherer mehr als die Hälfte aller Leistungsfälle des Jahres 2017 ab.
Keine systematische Leistungsverweigerung
Von systematischer Leistungsverweigerung könne zumindest bei den teilnehmenden Gesellschaften keine Rede sein, berichtet Michael Franke, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg:
„Noch nicht einmal eine von fünf BU-Leistungsprüfungen endete hier mit einer Ablehnung; mehr als 80 Prozent der untersuchten Regulierungen sind zu Gunsten der Versicherten ausgefallen. Verweigerung sieht anders aus.“
Bei mehr als 14.000 Regulierungen könne die Studie allerdings nicht jeden einzelnen Fall analysieren.
Insgesamt wurden im Jahr 2017 92,7 Prozent (Vorjahr: 86,5 Prozent) bedingungsgemäß, 5,3 Prozent (Vorjahr: 10,9 Prozent) auf Basis einer individuellen Vereinbarung und 2,0 Prozent (Vorjahr: 2,6 Prozent) vor Gericht anerkannt.
Nicht anerkannt wurden sie, weil Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren (BU-Grad von mindestens 50 Prozent) oder Anzeigepflichten verletzt wurden. Dabei handelte es sich meist um falsche oder fehlende Angaben zum Gesundheitszustand vor Vertragsabschluss. Für einen Zusammenhang von Rentenhöhe und Ablehnungsquote konnten die Analysten von Franke und Bornberg keine Anhaltspunkte finden.
Die meisten Antragsteller zwischen 47 und 55 Jahren
Die mit Abstand meisten Anträge auf BU-Leistungen stellten Versicherte in der Altersgruppe der 47- bis 55-Jährigen fest. Danach sinkt die Zahl der Anträge, ebenso wie der prozentuale Anteil der Ablehnungen. Aber auch 10,58 Prozent der Antragsteller waren jünger als 30 Jahre. Das Durchschnittsalter aller Anspruchsteller lag bei 44,17 Jahren.
Je nach Krankheitsbild schwankt der Anteil der Anerkennungen deutlich. Bei Krebs („bösartige Neubildungen“) wurden über 90 Prozent der Anträge auf BU-Leistungen anerkannt. Die meisten Antragsteller mit diesem Befund zählen zur Altersgruppe 50 Jahre oder älter.
Bei psychischen Erkrankungen wurden im Gegensatz zu Krebs mehr als ein Viertel aller Anträge abgelehnt. Die höchste BU Leistungsquote findet sich bei den 54-Jährigen, die niedrigste bei Menschen von 32 Jahren. Bis zu diesem Alter ist die Ablehnungsquote fast immer höher als die Zahl der Anerkennungen.
Bei Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes wurden 27,05 Prozent abgelehnt, bei Kreislauferkrankungen 15,2 Prozent.
Durchschnittlich 180 Tage –BU-Prüfung braucht Zeit
Franke und Bornberg misst die Regulierungsdauer vom Zeitpunkt der Meldung der vermuteten Berufsunfähigkeit bis zur Leistungsentscheidung des Versicherers (Datum des Postausgangs).
Die Bearbeitungszeiten ab Erstmeldung des Kunden sowie für die Auswertung des Fragebogens sind mittlerweile nicht mehr so lange, allerdings gilt dies nicht die gesamte Regulierung.
Die durchschnittliche Dauer beträgt rund 180 Tage. Prozessverbesserungen auf der einen Seite werden offensichtlich durch negative Einflussfaktoren auf der anderen Seite konterkariert. Das betrifft zum Beispiel den Zeitaufwand von Gutachten. So schlägt ein psychiatrisches Gutachten mit einer mittleren Durchlaufzeit von 105 Tagen zu Buche.
Laut Michael Franke bringt es einen zeitlichen Nachteil, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung individuell auf den jeweiligen Beruf abgestellt ist. Eine individuelle Prüfung erfordere jedoch deutlich mehr Zeit als ein schematisiertes Vorgehen wie beispielsweise zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente. Über diesen Sachverhalt lohne es sich zu sprechen. Höchstmögliche Transparenz sei das beste Mittel gegen pauschalisierte Vorwürfe. Daran mangele es jedoch noch deutlich. Nicht zuletzt zeige sich das auch an der Zahl der untersuchungsbereiten Versicherer.
Dauer der BU
Statistiken belegen, dass jeder vierte Erwerbstätige im Laufe des Erwerbslebens berufsunfähig wird. Dennoch ist aktuell nicht einer von vier Menschen im arbeitsfähigen Alter betroffen. Wie passt das zusammen?
Die Leistungspraxisstudie liefert eine plausible Erklärung: Die durchschnittliche Leistungsdauer beträgt rund sechs Jahre. Da es bekanntlich auch langandauernde Leistungen gibt, drücken viele Fälle, zu denen nur kurze Zeit geleistet wird, den Durchschnitt. Das erklärt, warum trotz des statistischen Erfahrungswertes die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit eine andere ist. Es sind schlicht nicht alle Betroffenen ein Leben lang und insbesondere nicht gleichzeitig berufsunfähig.
Untersuchungssteckbrief BU-Leistungspraxisstudie 2019
- Teilnehmer: Allianz, AachenMünchener, ERGO, HDI, Nürnberger und Swiss Life
- Gesamtbestand: 6,82 (2016: 4,57) Millionen BU-Versicherte, davon 1,82 (2016: 1,12) Millionen BUZ zur Beitragsbefreiung einer Hauptversicherung
- BU-Leistungsbestand: rund 142.200 (2016: 79.800) Verträge (zum Jahresende 2017)
- BU-Leistungsfall-Neuanmeldungen: 32.808 (2016: 24.627)
- Stichprobenumfang vor Ort: Je Versicherer mindestens 125 Leistungsfälle. Ablehnungen sind für Verbraucher und Vermittler besonders problematisch. Aus diesem Grund hat Franke und Bornberg Ablehnungen bei der Auswahl der Stichprobe mit 60 Prozent systematisch übergewichtet, obwohl sie nur knapp ein Viertel aller Leistungsentscheidungen ausmachen.
- Personenbezogene Daten wurden nicht erfasst. Damit ist die Regulierungsstudie von Franke und Bornberg die einzige Auswertung dieser Art, die sich nicht allein mit zugelieferten Informationen von Versicherern zufriedengibt. Erst die Datenerhebung und Stichproben vor Ort beim Versicherer erlauben eine Standardisierung und Verifizierung der Datenlage.
- Das vorliegende Update 2019 der Regulierungsstudie basiert auf Untersuchungen im Jahr 2018. Für das Geschäftsjahr 2017. Die Stichproben erfolgten vor Ort im November 2018.
- Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer repräsentativen und umfangreichen Analyse einer großen Anzahl von Leistungsfällen. Größe, Marktrelevanz und die unterschiedlichen Ausrichtungen der untersuchten Gesellschaften lassen somit auch Schlussfolgerungen für die gesamte Branche zu. Dennoch ist die Anzahl der Unternehmen, die freiwillig Transparenz zeigen, noch niedrig. Das schränkt die Allgemeingültigkeit dieser Studie ein.