Vier Mythen über den digitalen Kunden

Vier grundsätzliche Fehleinschätzungen über den digitalen Versicherungskunden behindern die Modernisierung der Branche. Das ist das Ergebnis einer KUBUS-Studie von MSR Insights, die die Kundenbedürfnisse in der Assekuranz untersucht hat.

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Mythos 1: Digitaler Versicherungskunde als Exot

Aktuell sind 29 Prozent der Privatkunden hochgradig digitalaffin. Der Anteil dieser „Digital Lover“ hat sich seit 2016 fast verdoppelt. Gut ein weiteres Viertel zeigt sich zumindest offen gegenüber einer digitalen Modernisierung der Branche; nur 14 Prozent der Kunden lehnen das Digitale ab.

Während die Entwicklungen im Gesamtbestand langsam voranschreiten, sind in den Zielgruppen bis unter 40 Jahren klar überdurchschnittlich sprunghafte Nutzungsquoten zu erkennen.

Mythos 2: Jung = digital / Alt = analog

Hier herrscht in der Branche meist ein Schwarz-Weiß-Denken vor. So ist der Kunde entweder noch total analog unterwegs oder aber komplett „durchdigitalisiert“. Dazwischen gibt es wenig. Doch die Realität sieht in der Tat anders aus.

In allen Alterssegmenten ist der persönliche Betreuer die präferierte Informationsquelle schlechthin – mit zunehmendem Alter immer deutlicher, aber selbst bei den unter 30-Jährigen noch mit 40 Prozent an erster Stelle.

Vergleichsportale sind in allen Alterssegmenten etwa für jeden siebten Kunden die Informationsquelle der Wahl. Die Website der Versicherer spielt eher eine untergeordnete Rolle – außer für die 30-50-jährigen Kunden. Hier steht sie an zweiter Stelle hinter dem persönlichen Betreuer.

Freunde und Bekannte sowie das familiäre Umfeld sind übrigens ähnlich relevant wie die elektronischen Kanäle. Das persönliche Umfeld ist folglich mit 35 Prozent auch der Hauptauslöser für einen Versicherungsabschluss in der Gruppe der unter 40-Jährigen. Vergleichsportale werden dann von jedem Dritten als Informationsquelle genutzt (persönlicher Betreuer: 60 Prozent), entscheidend für den Abschluss sind diese aber nur noch für 15 Prozent (persönlicher Betreuer: 45 Prozent).

Der persönliche Betreuer sollte aber nicht mit analoger Kommunikation gleichgesetzt werden. Die höchsten Abschlussquoten erzielen Vermittler bei Kunden, zu denen sie persönlich, telefonisch und elektronisch Kontakt haben (19 Prozent). Wird nur ein Kontaktweg genutzt, sinkt die Abschlussquote auf 11 Prozent. Die hybriden Kanalpräferenzen sind mit unterschiedlichen Nuancen in allen Alterssegmenten vorherrschend – von der Generation Y bis hin zu Silver Agern.

Mythos 3: Der digitale Kunde ist nicht loyal

In der Branche gilt der digitale Kunde häufig noch als „Cherry Picker“: Er tummelt sich häufiger auf Vergleichsportalen, ist überdurchschnittlich preissensibel, weniger loyal und wechselt bereits bei geringen Prämienunterschieden unabhängig von der erlebten Servicequalität.

Diesem landläufigen Vorurteil widersprechen die Ergebnisse der KUBUS-Studie deutlich:

Die Gruppe der „Digital Lover“ sind jung, gut gebildet, besserverdienend und mit überdurchschnittlich vielen Neuabschlüssen. Insgesamt halten diese Kunden 2,7 Sparten bei einem Versicherer und damit deutlich mehr als im Gesamtdurchschnitt mit 2,3 Sparten. Sie sind damit entgegen der ersten Intuition eine in hohem Maße loyale Zielgruppe.

Darüber hinaus stellen sie, sobald sie auf für sie passende digitale Angebote bei ihrer Versicherung treffen, einen wichtigen Multiplikator für die Neukundengewinnung dar.

Genau an dieser Stelle lauert eine der Gefahren für die klassischen Anbieter im Markt: Volldigitale Anbieter werden zu ernstzunehmenden Wettbewerbern um diese Kundengruppe. Start-ups aus der InsurTech-Szene bieten für diese Kundengruppe passgenaue Angebote und Services, die einen deutlichen Mehrwert aus Kundensicht und so gezielt digitale Kontakte schaffen. Gelingt es diesen Unternehmen sich langfristig am Markt zu etablieren, werden diese für die spannende Gruppe der Digital Natives so interessant, dass eine systematische Abwanderung dieser Kundengruppe ein durchaus realistisches Szenario darstellt.

Mythos 4: App wird gebraucht

Apps und Portal-Applikationen für die Abrechnung von Leistungsfällen haben sich in der PKV in den letzten Jahren fest etabliert. Jeder vierte Kunde nutzt aktuell diesen Weg für die Einreichung von Arztrechnungen und Rezepten.

Was in der PKV funktioniert, ist aber noch lange kein spartenübergreifendes Erfolgsrezept. In den Kompositsparten bleibt die Durchdringung von Schaden-Apps klar hinter den Erwartungen zurück. Die Anmeldezahlen stimmen häufig noch positiv, die tatsächliche Nutzung im Moment of Truth ist jedoch marktweit überschaubar.

Auch Vielvertragskunden nutzen ein Portal nicht automatisch häufiger als Einvertragskunden. Entscheidend ist, ob eine digitale Applikation in der spezifischen Kundensituation einen substantiellen Mehrwert stiftet oder nicht.

Fazit

Versicherungskunden sind insgesamt aufgeschlossener gegenüber dem Digitalen als die Versicherer glauben. Entscheidend für die Akzeptanz auf der Verbraucherseite ist jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit den situationsspezifischen Bedürfnissen der Kunden in den unterschiedlichen Abschnitten der Customer Journey. Dabei ist die Altersstruktur der Kundenbestände nur eine vordergründige Erklärung beziehungsweise Entschuldigung für die nur langsam voranschreitende digitale Durchdringung.

Das Analoge einfach nur digital abzubilden, ist definitiv zu wenig, um die Kunden aus ihren Gewohnheiten herauszuholen. Gefragt sind echte Mehrwerte und spürbare Zusatznutzen, die sich an der Lebenswelt der Kunden orientieren und nicht an der Produktwelt der Versicherer.

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