Warum auch im PKV-Vertrieb Schulungs- und Vertriebsleiter persönlich haften

Landauf, landab beklagen Versicherungsmakler, freie Finanzdienstleister und Bankberater, dass sie auf Vertriebsveranstaltungen von Schulungsleitern eigentlich nur positiv erscheinende Produkteigenschaften durch bunte Bilder, hübsche Flyer und nette Worte erfahren. Negative Produkteigenschaften, vor allem Risiken und Nebenwirkungen, erfährt man dort kaum. So ist es nicht verwunderlich, dass es Vertriebsleitern und  -vorständen nur allzu gelegen kommt, wenn primär unkritische Finanzvermittler gesucht werden.

(PDF)
Mann-lange-Nase-109330019-FO-ollyMann-lange-Nase-109330019-FO-ollyolly – fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm

Eine allzu gute Vorbildung könnte Skrupel bedeuten, und damit den schmerzfreien Produktverkauf behindern. Wer sich dann etwa die Mühe macht, auch noch das Kleingedruckte einmal selbst nachzulesen, wird am Ende kaum noch zum Vermitteln kommen und nichts mehr verdienen. Denn wo der Trend zur sprichwörtlichen Blondine im Callcenter oder Vertrieb noch nicht durchgesetzt wurde, hilft Druck durch die Vertriebsführung nur beschränkt weiter.

Persönliche Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB

Eine zentrale Fallgruppe für persönliche Haftung von Vertriebs- und Schulungsleitern sind falsche Auskünfte und/oder Gutachten – insbesondere bei Schulungen oder in Vertriebsunterlagen. Der Klassiker solcher Fälle ist die Schutzbehauptung, dass der X-Strukturvertrieb, der Y-Maklerpool oder das Z-Finanzhaus eine eigene Produktprüfung (selbst oder durch einen beauftragten Experten) durchgeführt habe. Solche Vertriebsmärchen kommen dann ans Licht, wenn die Begutachtung hinterfragt wird. Zumeist existiert sie dann nicht oder sagt nach genauer Lektüre ganz andere Dinge aus als geschult.

Haftung für Behauptungen „ins Blaue hinein“

Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala

Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 22.07.2004, Az. 1 U 58/04) verurteilte den Leiter einer Vertriebsgesellschaft insbesondere, weil er negative Presseberichte herunterspielte. Die Ermittlungen der StA gegen den Produktgeber verschwieg er komplett. Das OLG Stuttgart (Urteil vom 30.12.2008, Az.19 U 94/08) verurteilte den Treuhänder eines Kapitalanlagemodells, weil er unter anderem die Anleger nicht auf Ermittlungen der BaFin wegen des Verdachts unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften durch die Anlagegesellschaft hingewiesen hatte.

Wer sich einmal bei Privatbanken umschaut, wundert sich, dass für solche Anlagemodelle die fragliche BaFin-Zulassung weiterhin sogar irgendwo in den Prospektunterlagen benannt wurde. In diese Kategorie fällt auch die wahrheitswidrige Behauptung des Schulungsleiters, ein Produkt unterfalle beim Produktgeber einem Einlagensicherungssystem (OLG Celle, Urteil vom 15.12.2005, Az. 11 U 107/05), wenn damit zu rechnen ist, dass diese Lüge von Vermittlern weitergetragen wird.

Vorstände und Geschäftsleiter haften für defizitäre Schulungen

Genauso sittenwidrig war die Aussage auf einer Schulung, dass der Referent (BGH-Urteil vom 28.02.2005, Az. II ZR 13/03) absichtswidrig vorgab, persönlich im Fall des Scheiterns einer Kapitalanlage einstehen zu wollen. Dies hatten dann die Vermittler den Kunden so weitergetragen, die dann im Vertrauen auf diese Seriosität beim Vermittler unterschrieben. Einem Vorstand wurde es zum Verhängnis (LG Memmingen, Urteil vom 05.02.2009, Az. 3 O 894/08), dass er Vermittler bewusst so geschult hatte, dass er zentrale Risiken des beworbenen Produktes schlicht unter den Tisch hat fallen lassen.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Aus dieser Rücksichtslosigkeit gegenüber der Risikotragfähigkeit der späteren Kunden, indem ein Produkt als risikolos dargestellt wurde, schloss das Gericht auf eine Sittenwidrigkeit. Auch mancher Bankvorstand steht seither im obersten Stockwerk bereit zum Absprung in die Tiefe, denn auch viele Kundenberater werden halb informiert systematisch zum Produktverkauf gedrängt.

Mit Urteil vom 26.01.2009 (OLG München, Az. 21 U 3291/09) wurde der Chef eines Vertriebsunternehmens nach § 826 BGB verurteilt: Das Oberlandesgericht sah es als erwiesen an, dass bestimmte Vermittler über mehrere Ebenen einer Vertriebsstruktur absichtlich so geschult wurden, dass Risiken bei der Vermittlung verharmlost wurden.

Zudem war die Verharmlosung zentrales Ziel der Schulungen gewesen. Auch das OLG Hamm (Urteil vom 25.02.2010, Az. 28 U 78/09) sieht in einer Schulung, welche Produktrisiken zu verharmlosen sucht oder gar nicht erst zur Sprache bringt, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung.

Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist (Karl Valentin)

Das OLG Koblenz (Urteil vom 21.10.2005, Az. 8 U 1295/04) verurteilte einen Versicherungsvermittler, der einer Kundin zur Altersversorgung unter anderem eine fondsgebundene Rentenversicherung in Höhe von 1,05 Millionen Euro vermittelt hatte, obgleich die Kundin nur 270.000 D-Mark aus einem Hausverkauf anlegen konnte. Die Beitragsfreistellung bei der Fondspolice nach Ersteinzahlung von 150.000 D-Mark hatte der Vermittler als problemlos hingestellt.

Dass damit eine vielfach höhere Provision anfällt und durch hohe Kosten sowie Stornoabzüge bei Beitragsfreistellung Verluste entstehen, hat er der Versicherungsnehmerin verschwiegen. Keine sittenwidrige Schädigung, urteilte das Gericht, sondern schlichte Haftung für einen Betrugsschaden, denn der Vermittler hatte den Irrtum erweckt, dass seine Provision nur aus der tatsächlich einbezahlten Versicherungsprämie errechnet würde.

Auch freie PKV-Sprüchemacher zur Vermittlerunterhaltung können haften

Bundesweit werden gewisse Entertainer vom PKV Vertrieb angeheuert, den Versichererwechsel in der PKV zu fördern. Dabei werden zentrale Risiken, etwa der Verlust von Alterungsrückstellung, geflissentlich unter den Teppich gekehrt.

Nach dem Motto „Verschenke alles und ziehe nach Monaco, da sind die Menschen reicher!“ wird behauptet, dass der Kunde beim neuen Versicherer gleich Anteil an einer sogar noch viel höheren Alterungsrückstellung hat, sodass man sogar etwas durch den Wechsel dazugewinnt.

Dafür haften dann nicht nur der halbwissende Sprüchemacher, sondern auch der Schulungsleiter beim Pool beziehungsweise Versicherer. Insgesamt gute Aussichten, künftig auf Vermittlung der Arbeitsagentur morgens auf der einen und abends auf der anderen Seite der Autobahn nach Basel neue Betätigungsfelder für die persönliche Zukunft zu erobern, solange die Spargelzeit anhält.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Anzugtraeger-Paar-270781219-AS-fizkesAnzugtraeger-Paar-270781219-AS-fizkesfizkes – stock.adobe.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat SchrammAnzugtraeger-Paar-270781219-AS-fizkesfizkes – stock.adobe.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm
Recht

Warum den Versicherungsmakler nur eingeschränkte Beratungs- und Dokumentationspflichten treffen

Das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 05.12.2018, Az. 20 U 146/18) bestätigte die Klageabweisung betreffend die (angebliche) Fehlberatung durch einen Versicherungsmakler beim Umdecken einer PKV. Der neue PKV-Versicherer hatte den Vertrag später wegen fehlerhafter Antworten bei den Antragsfragen angefochten. Eine Makler-Dokumentation gab es nicht.
stressed businessman with papers at workstressed businessman with papers at workSyda Productions –stock.adobe.comstressed businessman with papers at workSyda Productions –stock.adobe.com
Recht

Was ist die Markt- und Informationsgrundlage des Versicherungsmaklers?

Mit einigen gerichtlichen Entscheidungen in diesem Jahr wurden von der Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen an die Markt- und Informationsgrundlage des Versicherungsmaklers gestellt. Die Nichtbeachtung könnte weitreichende Folgen haben.
Motor-319996067-AS-ARTPROXIMOMotor-319996067-AS-ARTPROXIMOARTPROXIMO – stock.adobe.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat SchrammMotor-319996067-AS-ARTPROXIMOARTPROXIMO – stock.adobe.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm

Wie starkes Schadenmanagement zum gefährlichen „Service“ wird

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 07. Juli 2020, Az. VI ZR 308/19) entschied, dass ein angestellter Schadenregulierer deliktisch (mit-)haftet, wenn er seine vermeintliche Sachkunde für einen Geschädigten einsetzt, indem er Einfluss auf die Leistungserbringung Dritter nimmt; § 823 I BGB.
Maenner-Streit-Papier-27007544-FO-Dragos-IliescuMaenner-Streit-Papier-27007544-FO-Dragos-IliescuDragos Iliescu / fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat SchrammMaenner-Streit-Papier-27007544-FO-Dragos-IliescuDragos Iliescu / fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm
Recht

Dokumentationspflicht und Beweislast trotz Verzicht auf Beratungsdokumentation

Der beste Beweis bei fehlerhafter Beratung ist die Beratungsdokumentation, weil sich daraus die Lücken in der Beratung ableiten lassen. Die wenigen sachverständig beratenen Versicherungsnehmer haben häufig bessere Aussichten, die Beratungslücken sowie eventuelle Fehler darzulegen. Umgekehrt haben aber auch Versicherungsvermittler und Versicherungsmakler bei Begleitung durch einen Privatgutachter weitaus bessere Chancen bei der Haftungsabwehr.
Wer trägt eigentlich das finanzielle Risiko bei überhöhten oder fehlerhaften Werkstattrechnungen nach einem Unfall?stux / pixabayWer trägt eigentlich das finanzielle Risiko bei überhöhten oder fehlerhaften Werkstattrechnungen nach einem Unfall?stux / pixabay
Recht

Wer trägt das „Werkstattrisiko“?

Wer trägt eigentlich das finanzielle Risiko bei überhöhten oder fehlerhaften Werkstattrechnungen nach einem Unfall? Rechtsanwalt Fabian Kosch (Kanzlei Michaelis) beleuchtet Entscheidungen des BGH .

Beratung-Unterschrift-566631791-AS-kerkezzBeratung-Unterschrift-566631791-AS-kerkezzkerkezz – stock.adobe.comBeratung-Unterschrift-566631791-AS-kerkezzkerkezz – stock.adobe.com
Recht

Große Probleme mit der Beratungsdokumentation

Versicherungsvermittler und -makler sind nicht nur beweisbelastet, dass der Kunde eine Beratungsdokumentation erhalten hat, sie müssen auch den Nachweis erbringen, dass dies rechtzeitig war. Nur dann kann eine Falschberatung von sich gewiesen werden.

Mehr zum Thema

Close up confused man having problem with phone, receive bad newsClose up confused man having problem with phone, receive bad newsfizkes – stock.adobe.comClose up confused man having problem with phone, receive bad newsfizkes – stock.adobe.com

Rückholanrufe ohne Kundeneinwilligung sind wettbewerbswidrig

Das Landgericht Hannover entschied, dass Anrufe und Mails an ehemalige Kunden, mit dem Ziel, diese zurückzugewinnen, wettbewerbswidrig sind, wenn keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Auch ein wettbewerbswidriges Verhalten des den Kunden neu betreuenden Maklers ändert daran nichts.

german lawyer with a robe and a bookgerman lawyer with a robe and a bookcameris – stock.adobe.comgerman lawyer with a robe and a bookcameris – stock.adobe.com

Keine Haftung des Versicherungsmaklers für fehlende Risikolebensversicherung

Das Oberlandesgericht Dresden stärkt die Rechte von Versicherungsmakler(innen) und hat entschieden, dass diese ohne besondere Umstände nicht verpflichtet sind, Kunden zum Abschluss einer Risikolebensversicherung zu raten. Der Fall betraf eine Klägerin, die ihren Versicherungsmakler verklagte, weil ihr verstorbener Ehemann keine ausreichende Absicherung im Todesfall hatte. Sie forderte einen Schadensersatz von 500.000 Euro.

Business problemBusiness problemstokkete – stock.adobe.comBusiness problemstokkete – stock.adobe.com

Großinsolvenzen steigen um mehr als ein Drittel, Schäden sind nahezu verdoppelt

Die Insolvenzen in Deutschland steigen an und der Trend dürfte sich durch die Rezession im Jahresverlauf fortsetzen. Bis Ende 2024 rechnet Allianz Trade für die Bundesrepublik mit einer Zunahme der Pleiten um 21 Prozent. Damit dürften die Fallzahlen Ende des Jahres etwa 15 Prozent über dem Niveau von 2019 und damit vor der Pandemie liegen. Erst in 2025 wird ein Abflachen der Zahlen erwartet.

Einbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertEinbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertChristian Delbert – stock.adobe.comEinbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertChristian Delbert – stock.adobe.com

BGH stärkt Rechte der Versicherungsnehmer bei Einbruchdiebstählen

Der Bundesgerichtshof stärkt mit einem Urteil die Rechte der Versicherungsnehmer bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Hausratversicherung aufgrund von Einbruchdiebstählen.

Pharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Pharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Halfpoint – stock.adobe.comPharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Halfpoint – stock.adobe.com

Die Zukunft ist digital: moderne Arztpraxen absichern

Die Fakten für einen modernen Praxisbetrieb und das unternehmerische Risiko unterscheiden sich nicht sehr von anderen hochtechnisierten (Dienstleistungs)unternehmen, die auch sensible Kundendaten verarbeiten und verwalten. Versicherungsmaklerbüros sollten diesen Status quo in ihrer Kundenberatung berücksichtigen.

Wolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungWolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungSHB Allgemeine Versicherung VVaGWolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungSHB Allgemeine Versicherung VVaG

Elementar wichtig: Prävention in der Wohngebäudeversicherung

Die SHB-Versicherung hatte schon beim Relaunch ihrer Wohngebäudeversicherung ankündigt, Schadenprävention noch stärker zu unterstützen. Vorstand Wolfgang Rieke erklärt dazu, dass der Versicherer aus Königswinter dafür mit dem Heidelberger Start-up Enzo kooperiert.