Keine Pflicht zur Information über Steuern und Sozialabgaben auf Betriebsrenten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 18.02.2020, Az. 3 AZR 206/18) entschied, dass ein Arbeitgeber schon deshalb keinen Schadensersatz schuldete, nachdem er bei einer Informationsveranstaltung über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht richtig unterrichtet hatte, schlicht weil er das Thema Sozialversicherung gar nicht ansprach.

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Anzugtraeger-Vortrag-280128098-AS-ASDFAnzugtraeger-Vortrag-280128098-AS-ASDFASDF – stock.adobe.com (2) © Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik  

Dann musste er eben auch nicht auf geplante Änderungen des Gesetzgebers hierzu hinweisen, wie es sein Arbeitnehmer nach Jahren meinte.

Nur unzutreffende Informationen führen zur Haftung des Arbeitgebers

Falsch können Informationen demnach nur dann sein, wenn über diese (auch) zumindest ansatzweise unterrichtet wurde. Wenn der Arbeitgeber, ohne dazu verpflichtet zu sein (überobligatorisch), etwaige Auskünfte oder Informationen erteilt, hat er für deren Richtigkeit einzustehen.

Wenn jedoch zu einem (Teil-)Thema gar nichts gesagt wird, ist dies auch ganz logisch niemals vorwerfbar falsch, und als schon gar nicht angefangen auch nicht unvollständig. Nur erteilte Beratung und Auskünfte sollen vollständig und unzweideutig sein (BAG, Urteile vom 13.12.1988, Az. 3 AZR 322/87; und 23.05.1989, Az. 3 AZR 257/88).

Kein Anspruch auf umfassende, nur auf vollständige Informationen

Arbeitnehmer besitzen keinen Rechtsanspruch, über alle Aspekte der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Rahmen nur freiwilliger Information aufgeklärt zu werden. Wäre im konkreten Einzelfall ansatzweise über Sozialversicherungsbeiträge gesprochen worden, wäre die Bewertung anders gewesen.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Arbeitnehmer sollten dabei nicht vergessen, dass die Vertriebsmitarbeiter von Versicherungen und Kreditinstituten keine Beratungspflicht gegenüber den Arbeitnehmern besitzen. Es handelt sich nicht um Finanz- oder Anlageberater der Mitarbeiter, sondern des Arbeitgebers.

Beraten sie gleichwohl die Mitarbeiter (im ggf. überobligatorischen Pflichtenkreis des Arbeitgebers) kann es sich zwar um einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz handeln – gleichwohl haften dann potentiell der Arbeitgeber für Falschdarstellungen sowie der Vertriebsmitarbeiter, etwa bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Prinzip autonomer Eigenverantwortung und Selbstinformation durch Arbeitnehmer selbst

Arbeitnehmern steht es frei, sich über „Risiken und Nebenwirkungen“ etwa bei Entgeltumwandlung selbst zu unterrichten – dafür gibt es Lohnsteuerhilfevereine und steuerliche Berater. Auch muss kein Arbeitgeber seine Mitarbeiter „gegen sich selbst“ beraten, indem er auf seine Fürsorge- und Einstandspflichten hinweist, etwa bei künftiger Schieflage des bAV-Trägers (z.B. Pensionskasse).

Ebenso wenig muss er die Arbeitnehmer darüber aufklären, dass es legale Möglichkeiten der Firmenbestattung gibt, um sich der Haftungsverantwortung als Arbeitgeber geplant zu entziehen.

Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala

Der Arbeitgeber ist auch kein Vermögensberater oder Rentenberater seiner Mitarbeiter. Arbeitgeber haben nur bei schuldhaft unvollständig, zweideutig oder unzutreffend erteilter Auskunft beziehungsweise Rat einzustehen (BAG, Urteil vom 21.11.2000, Az. 3 AZR 13/00).

Die Ansicht, der Arbeitgeber sei zu (unaufgeforderten) Beratungen verpflichtet, wäre ein Trugschluss.

Über finanzielle Nachteile im Alter sollten sich Arbeitnehmer selbst beraten lassen – etwa die Verpflichtung dann Sozialversicherung bis zu 100 Prozent bezahlen zu dürfen.

Ebenso wenn sich durch Entgeltumwandlung bereits gegenwärtig die Rechtsansprüche auf Erwerbsminderungsrente, Krankengeld, Arbeitslosengeld und Altersrente oder Leistungen der Berufsgenossenschaft spürbar reduzieren.

Arbeitgeberhaftung beim Aufhebungsvertrag

Könnten Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit wegen erkennbarer Krankheit drohen, wäre der Arbeitgeber gehalten über höhere Versorgungseinbußen durch einen Aufhebungsvertrag hinzuweisen (BAG, Urteil vom 17.10.2000, Az. 3 AZR 605/99).

Hingegen muss sich der Arbeitnehmer selbst informieren, wie er durch Gestaltung des Aufhebungsvertrages – ohne finanzielle Belastung des Arbeitgebers – bis zu 50 Prozent der Abfindung steuerfrei erhalten könnte. Im Zweifel haftet ihm (ggf. nur) sein eigener Rechtsbeistand.

Keine Aufklärungspflicht über Möglichkeit der Entgeltumwandlung

Hartnäckig verbreiten auch steuerliche Berater das „Vertriebsmärchen“ von der Arbeitgeberpflicht auf die Option der Entgeltumwandlung hinzuweisen, vgl. § 1 a BetrAVG.

Zutreffend ist jedoch genau das Gegenteil (BAG, Urteil vom 21.01.2014, Az. 3 AZR 807/11). Auf ausdrückliches schriftliches Verlangen des (ggf. Ex-)Mitarbeiters, können bAV-Träger beziehungsweise zu Auskünften über die Höhe unverfallbarer Anwartschaften oder zum Übertragungswert verpflichtet sein (vgl. §§ 4 III, 4 a BetrAVG).

Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers gibt es im Übrigen nicht generell, sondern nur nach den Besonderheiten im Einzelfall (BAG, Urteil vom 15.10.2013, Az. 3 AZR 10/12). Eine Rolle spielen dabei auch das Informationsbedürfnis, die Komplexität und Schwierigkeit der Rechtsmaterie, sowie die Vorhersehbarkeit vielleicht drohender Nachteile für den Arbeitnehmer.

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