Rollt jetzt die D&O-Welle an?

Die Auswirkungen des Corona-Virus auf die Weltwirtschaft sind massiv. Das hat Folgen, die eine erneute Aussetzung der Insolvenzantragspflicht abmildern sollen – die große Insolvenzwelle wird somit erst einmal vertagt. Dennoch sind Auswirkungen auf die D&O-Versicherung spürbar.

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Kurzarbeit, Homeoffice, Krankheitsfälle, Betriebsschließungen sowie Beeinträchtigungen von Prozessen und Lieferketten – die Liste der durch die Corona-Krise bedingten Probleme in Bezug auf industrielle und kommerzielle Unternehmensabläufe ist lang. Kein Wunder, dass sich Führungskräfte zunehmend mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich vor den finanziellen Auswirkungen des COVID-19-Virus schützen können. In diesem Zusammenhang rückt auch die Manager-Haftpflicht (D&O) immer wieder in den Fokus – und trifft Versicherer auf einem sowieso schon „harten Markt“. Dass es im besten Fall gar nicht erst zu Schadenersatzforderungen und Haftungsansprüchen kommt, soll das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) unterstützen.

Insolvenz und Haftung in Zeiten von Corona

Am 27.03.2020 ist das COVInsAG in Kraft getreten, die Insolvenzantragspflicht für eine durch COVID-19 bedingte Zahlungsunfähigkeit wurde bis Ende September 2020 ausgesetzt und jetzt nochmals verlängert. Das Ziel: pandemiebedingt überschuldeten Unternehmen Zeit zu geben, sich durch das in vielen Branchen wieder anziehende Wirtschaftsgeschehen oder staatliche Hilfsangebote zu sanieren. Andernfalls hätte ein Anstieg von Insolvenzen auch einen Anstieg von Managerhaftungsfällen und Schadenmeldungen unter D&O-Versicherungen zur Folge. Zudem ist mit Rechtsstreitigkeiten zu rechnen, da mit den modifizierten Regeln zur persönlichen Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife jede Menge Rechtsunsicherheiten für Geschäftsführer und Vorstände einhergehen.

D&O und Corona: Wie vermeiden Manager Haftungsrisiken?

Berechtigt oder unberechtigt – viele Vorstände und Aufsichtsräte sehen sich in den kommenden Monaten mit Schadenersatzforderungen konfrontiert, Klagen der Aktionäre oder Gesellschafter gegenüber dem Management könnten überproportional steigen. Die Argumentation fußt dabei – mit Blick auf die Folgen der Pandemie für das Unternehmen – primär auf dem Vorwurf des fehlenden oder nicht rechtzeitigen Handelns. Auch der Vorwurf eines mangelhaften Risikomanagements könnte kritisch werden, zum Beispiel, was die Überprüfung und Anpassung von Lieferketten betrifft.

Generell werden sich Ansprüche vermutlich hauptsächlich auf die Innenhaftung beziehen, sprich die Frage aufwerfen, ob Entscheider Überwachungs- und Organisationspflichten vernachlässigt oder möglicherweise ein Auswahlverschulden begangen haben. Doch auch wenn manche befürchten, dass ein Klage-Tsunami anrollen könnte: Es gibt Hürden. Eine Inanspruchnahme der Unternehmensleitung setzt nämlich eine Pflichtverletzung voraus, die sich ausschließen lässt, wenn sämtliche Entscheidungen im eigenen beziehungsweise im Interesse der Gesellschaft auf Basis sämtlicher verfügbaren Informationen und sachlichen Erwägungen in gutem Glauben getroffen wurden.

Eine weitere Hürde: Eine angebliche Pflichtverletzung müsste zunächst einmal zu einem Vermögensschaden führen, was die konkreten Kostenpositionen im Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung betrifft.

Bestenfalls reagiert die Führungsebene daher mit Besonnenheit und vermeidet, für Entscheidungen, die sie in der Krise getroffen hat, später einmal in Haftung genommen zu werden. So stehen leitende Organe nicht nur in der Fürsorgepflicht gegenüber Beschäftigten und Auftraggebern, um eine Pflichtverletzung zu umgehen.

Davon abgesehen sollten Geschäftsführer auch alles daransetzen, den betriebswirtschaftlichen Schaden abzufedern, um eine persönliche Haftung abzuwenden. Für die Manager bedeutet das: Fristen einhalten, zum Beispiel, was Anträge auf Gewährung staatlicher Hilfen oder Überbrückungsfinanzierungen betrifft, Ansteckungsgefahren für Mitarbeiter und Kunden abwenden und die teils modifizierten Fristen der §§ 12, 15a Insolvenzordnung (InsO) streng im Blick halten. Für die Versicherer wiederum heißt das: genau hinschauen.

„Auch der Schutz persönlicher Daten und die Gefahr eines Cyberangriffes sind gerade jetzt, wo vermehrt im privaten Umfeld im Homeoffice gearbeitet wird, besonders zu beachten. Sprich, Manager haften auch, wenn sie keine entsprechenden Maßnahmen zur Gewährleistung der Cybersicherheit im Homeoffice getroffen haben“, erklärt Marius Dressel, Underwriter bei Markel. Ein relevanter Punkt, den Versicherer verstärkt im Blick halten werden. Gerade wenn es um die Abwicklung neuer D&O-Anträge geht. Andernfalls kann es schon einmal passieren, dass das Neugeschäft nicht gezeichnet wird.

D&O und Corona: Wie Versicherer reagieren

Dass ein Virus in einem Spezialmarkt wie der D&O-Versicherung einmal auf einen so großen Resonanzraum treffen könnte, hätte wohl niemand gedacht. Tatsächlich prophezeien einige Stimmen bereits den Untergang des D&O-Schutzes durch Corona. Dazu jedoch gibt es kontroverse Ansichten.

Fakt zumindest ist, dass sich die Bedingungen dieses Spezialmarktes schon vor Ausbruch der Pandemie verändert, Versicherer Preise erhöht und Versicherungsbedingungen verschärft haben. Nahezu alle Versicherer sanieren ihre Bestandsverträge. Eine Entwicklung, die durch SARS-CoV-2 jetzt zusätzlich befeuert wird.

„Die steigenden Preistrends haben sich deutlich beschleunigt, Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent sind keine Seltenheit“, so Dressel. Übergreifende Ausschlüsse für COVID-19 haben sich nicht durchgesetzt. Generell würden Versicherer, nicht nur angesichts einer drohenden Schadenwelle, dieser Tage jedoch verstärkt prüfen, ob Betriebe tatsächlich entsprechende Maßnahmen zur Aufrechthaltung der Liquidität ergriffen und Worst-Case-Szenarien entwickelt haben, bevor etwa der Neuabschluss einer D&O-Police in Erwägung gezogen werden kann.

Dazu Dressel:

„Untersucht wird nicht allein, wie sich das Virus auf Geschäftstätigkeit, Belegschaft und Lieferketten auswirkt, auch die finanzielle Situation des Kunden inklusive Liquidität, Cashflow, Kreditverfügbarkeit, Schuldenstand oder Rückstellungen wird intensiv geprüft.“

Ebenfalls relevant ist die Frage, ob das Unternehmen über einen Plan zur Reduzierung der Geschäftstätigkeit verfügt, sollte es zu einer anhaltenden wirtschaftlichen Rezession kommen. Bei Neugründungen tendiert der Markt sogar dazu, gar nicht mehr oder nur noch mit entsprechendem Insolvenzausschluss zu zeichnen.

Daneben wird die Branche selbst hinsichtlich ihrer Risikoneigung besonders unter die Lupe genommen. Das betrifft situationsbedingt vor allem Hotels, Gastronomie, Logistik, Messe- und Reiseveranstalter. Oftmals werden diese Risikobranchen sogar nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Prämien gezeichnet.

So oder so – es bleibt ein Kraftakt für alle Seiten, der eine besonders hohe Beratungsexpertise erforderlich macht. Bleibt also zu hoffen, dass es zu keinem zweiten Lockdown kommt und dass die Maßnahmen der Bundesregierung ihre gewünschte Wirkung zeigen.

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