Wie gerät ein Versicherungsmakler in das Lager des Versicherers? Wann haftet ein Versicherer für das Handeln eines Versicherungsmaklers?
Rechtsanwalt Stephan Michaelis erläutert ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.05.2020 – 314 O 109/18. Das Urteil ist damit in der aktuellen Situation der Versicherungsmakler, die sich angesichts der aktuellen Leistungsverweigerungen und den Abfindungsangeboten der Versicherer zwischen den Stühlen aber auch unter Druck gesetzt fühlen, von erheblicher Bedeutung.
Diese beiden gerade im Hinblick auf die Auseinandersetzungen in der Betriebsschließungsversicherung ganz aktuellen Fragen hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 20.05.2020 – 314 O 109/18 – in einer von uns herbeigeführten zwischenzeitlich rechtskräftigen Entscheidung behandelt, die überdies eine Klausel zur Umsatzsteuererstattung kippt.
1. Anlässlich eines Einbruchdiebstahlereignisses war zu entscheiden, ob sich der beklagte führende Versicherer, die AXA Versicherung AG, auf eine Begrenzung der Versicherungssumme für Wertgegenstände außerhalb eines VDS-anerkannten Wertschutzschranks gem. § 38 Nr. 3 VHB 04/05 berufen konnte. Ursprünglich bestand eine Hausratversicherung bei der Albingia, die als Vorversicherer im Jahr 2000 von der AXA übernommen worden war.
Nach § 19 Nr. 2 VHB 84 der Albingia Bedingungen war die Erhöhung der Entschädigungsgrenze lediglich daran geknüpft, dass die Wertgegenstände innerhalb eines mehrwandigen Stahlschrankes mit einem Mindestgewicht von 200 kg aufbewahrt wurden, Voraussetzungen, die der streitgegenständliche Tresor erfüllte.
Jedoch handelte es sich nicht um einen VDS-anerkannten Wertschrank, sodass fraglich war, ob die Begrenzung der Versicherungssumme für Wertgegenstände nach den zwischenzeitlich neu vereinbarten AXA-Bedingungen gem. § 28 Nr. 3 VHB 04/05 griff.
Die Umstellung auf einen neuen Vertrag und damit auf die neuen Versicherungsbedingungen ging aber von der AXA aus. Deshalb war es Sache des Versicherers, den Versicherungsnehmer vor der Umstellung darauf hinzuweisen, dass die neuen Versicherungsbedingungen an die Erhöhung der Versicherungssummen für im Wertschrank befindliche Wertgegenstände bzw. an den Wertschrank selbst höhere Anforderungen stellte, namentlich eine VDS-Anerkennung.
Grundsätzlich war es das Interesse der AXA gewesen, neue Versicherungsbedingungen gegenüber dem Versicherungsnehmer durchzusetzen und die damit einhergehende Aufklärungs- und Informationspflicht des Versicherers galt, obwohl die Änderung durch einen Versicherungsmakler vermittelt wurde.
Trotz § 6 Abs. 6 VVG trifft die Versicherung eine eigene Hinweispflicht, wenn sie sich für die Erfüllung ihrer Interessen (hier Umstellung der Versicherungsbedingungen) und der damit einhergehenden Pflichten, auch über die Nachteile beziehungsweise Verschlechterung zu informieren, der Hilfe eines Versicherungsmaklers bedient; insoweit agiert der Versicherungsmakler dann als Erfüllungsgehilfe der Versicherung und steht nicht im Lager des Versicherungsnehmers, vgl. Prölss / Martin-Rudy, VVG, 30. Auflage, § 6 Rz. 70. Der Versicherer hat hier den Versicherungsmakler zur Durchsetzung seiner Interessen und Bedingungen instrumentalisiert und mit Nachfragen unter Druck gesetzt.
Überdies musste die AXA für eine Mitteilung des Versicherungsmaklers einstehen, der bisher vorhandene Wertschutzschrank genüge den besonderen Bedingungen, weil sich die AXA, eben gerade des Versicherungsmaklers zur Bedingungsumstellung bediente.
Über die neuen Anforderungen an den Tresor und die nachteilige Änderung der Bedingungslage wurde der Versicherungsnehmer schließlich weder vom Makler noch vom Versicherer aufgeklärt.
Dem Versicherungsnehmer hätte sich die ihm nachteilige Bedingungsänderung nur bei Lektüre der Versicherungsbedingungen erschlossen, die Abänderungen war aber für den Versicherungsnehmer überraschend und allein die Nennung in den Versicherungsbedingungen erfüllt die Hinweispflicht des Versicherers nicht.
Der Versicherungsnehmer musste deshalb die ihm nachteilige Abänderung der Versicherungsbedingungen hier nicht gegen sich gelten lassen, sodass der erhöhte Versicherungswert für Wertgegenstände in Wertschutzschränken für ihn nicht daran geknüpft war, da es sich um einen VDS-geprüften Wertschrank handelte.
2. Darüber hinaus hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die Regelung zur Erstattung der Umsatzsteuer im AXA-Bedingungswerk, namentlich die Klausel des § 27 Nr. 3 der VHB 2002 (04/05) ist unwirksam.
Die Klausel lautet: Die Mehrwertsteuer wird nicht ersetzt, wenn der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist, das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer Mehrwertsteuer tatsächlich nicht gezahlt hat.
Aus der Klausel geht für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hervor, ob erforderlich ist, dass auf die ursprüngliche Anschaffung oder auf die Ersatzbeschaffung Umsatzsteuer gezahlt sein muss.
Dass auf die ursprüngliche Anschaffung Umsatzsteuer gezahlt wurde, hatte die AXA vorliegend nicht in Abrede gestellt. Soweit mit der Formulierung auf die Ersatzbeschaffung abgestellt werden soll, widerspricht dies gerade dem Grundgedanken der Hausratversicherung, dass keine Ersatzbeschaffung vorgenommen werden muss. Auch sei unklar, wann es sich genau um eine Ersatzbeschaffung handelt und in welcher Höhe dann die Umsatzsteuer ersetzt verlangt werden kann. Weiter ist nicht geregelt, in welcher Frist eine etwaige Wiederbeschaffung zu erfolgen hat, um die Umsatzsteuer ersetzt zu verlangen. Daher ist unabhängig von der Ersatzbeschaffung der Bruttobetrag zu ersetzen. Die Klausel des § 27 Nr. 3 VHB 2002 (04/05) ist wegen Intransparenz unwirksam.
Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.05.2020 – 306 O 361/18 –(rechtskräftig)
Stehlgutliste – Schadensminderungspflicht oder vertragliche Obliegenheit?
Die beklagte Gothaer Allgemeine Versicherung AG war nicht wegen einer Verletzung einer Schadenminderungspflicht gem. § 82 VVG aufgrund einer Nichteinreichung und/oder verspäteten Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei ganz oder teilweise leistungsfrei. Denn bei der in Ziffer B § 8 2.A (ff) VHB 2014 genannten Verpflichtung handelt es sich um eine vertragliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers und nicht um eine Schadenminderungspflicht gem. § 82 VVG
Wenn nämlich – wie hier – der Versicherer die gesetzliche Schadenminderungsobliegenheit im Vertrag durch bestimmte Verhaltenspflichten ausgestaltet, begründet er damit eine eigenständige vertragliche Obliegenheit im Sinne des § 28 VVG, vgl. Wendt, VersR 2015, 1121.
Das Landgericht Hamburg hat damit die diesseitig vertretene Auffassung bestätigt, dass es sich bei der Einreichung der Stehlgutliste um eine vertragliche Obliegenheit im Sinne des § 28 VVG handelt und es deshalb einer Belehrung über die möglichen Rechtsfolgen einer diesbezüglichen Obliegenheitsverletzung durch den Versicherer bedarf. Bleibt eine solche Belehrung aus, kann sich der Versicherer – selbst bei Unterstellung der Obliegenheitsverletzung zu seinen Gunsten – hierauf nicht mit Erfolg berufen, vgl. § 28 Abs. 4 VVG; OLG Celle, VersR 2015, 1124.
Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit ist eine Belehrung im Sinne des § 28 Abs. 4 VVG, danach müsste der Versicherer „durch eine gesonderte Mitteilung in Textform“ auf die möglichen Folgen einer Obliegenheitsverletzung hinweisen. Insoweit sei es erforderlich, dass die Belehrung hinreichend deutlich von dem übrigen Text abgehoben ist, beispielsweise durch eine drucktechnische Hervorhebung.
Vorliegend lag lediglich ein einheitliches Schriftbild vor und die Versicherung ist hinsichtlich eines angeblichen Fettdrucks der Belehrung beweisfällig geblieben, sodass im Ergebnis keine ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers vorlag.
28 Abs. 4 VVG lautet: Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Abs. 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Folge hingewiesen hat.