Die Kanzlei Michaelis spricht in ihrer Eilmeldung vom Montag dieser Woche die sogenannte „Erklärungsfiktion“ in Versicherungsmaklerverträgen an. Jahrzehntelang wurde eine solche Klausel rechtlich nicht beanstandet.
So war es gerade in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken üblich, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig durch den Verwender (Bank) geändert werden konnten, wenn die Kunden den geänderten Regelungen nicht widersprechen.
Dann sollte über die Klausel „Erklärungsfiktion“ die Zustimmung des Kunden zur Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als akzeptiert gelten, wenn also insbesondere der Kunde schweigt. Die Möglichkeit der vertraglichen Änderung zu widersprechen oder das Recht zur Kündigung bleibt einem Kunden natürlich immer unbenommen.
Daher war es mit einer solchen Regelung auch dem Versicherungsmakler möglich, seine vertraglichen Grundlagen des Maklervertrages mit dem Kunden in der Zukunft gegebenenfalls relativ leicht anzupassen und Vertragsänderungen zu erwirken, wenn der Kunde schweigt, wovon in der Regel auszugehen ist.
Versicherungsmakler haben nach dem Kenntnisstand von Rechtsanwalt Stephan Michaelis von einer solchen vertraglichen Änderungsmöglichkeit bislang keinen Gebrauch gemacht. Derartige inhaltliche Vertragsänderungen wären nicht wirksam!
Es gab aber zu Glück keinen wirklichen Änderungsbedarf in den Versicherungsmaklerverträgen und in der Regel wurde eher ein neuer Versicherungsmaklervertrag eingeholt, der den alten dann ersetzt hatte.
Künftig wird wohl nur noch diese Regelung möglich sein. Eine automatisierte Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsmaklervertrages auf den gesamten Versicherungsbestand eines Maklers wird nach aktueller Rechtsprechung (BGH-Urteil vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20) nicht mehr möglich sein.
Als Konsequenz dieser aktuellen BGH-Entscheidung vom 27.4.2021 haben wir daher in den Musterverträgen von app-RIORI die Klausel „Erklärungsfiktion“ herausgenommen.
Zusammenfassung der aktuellen BGH-Entscheidung
Derartige Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Die Regelungen der AGB betreffen alle Änderungen dieser Geschäftsbedingungen, die das gesamte Tätigkeitsspektrum (der Bank) umfassen. Die AGB-Regelung betrifft nicht nur Anpassung von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung.
Eine solche Regelung weicht damit vom wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1 und 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners (Kunde) als Annahme eines Vertragsänderungsantrages qualifiziert.
Diese Abweichung benachteiligt die Kunden unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die allgemeine Änderungsklausel bietet eine Handhabe unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten.
Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehung der Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichkommen könnte, ist vielmehr ein Änderungsvertrag nötig (siehe hierzu die Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofes zum Urteil vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20).
Obwohl es eine jahrzehntelang andere praktische Handhabung gab, gilt es, diese BGH-Entscheidung nicht zu beanstanden. Es wird vielmehr sehr deutlich klargestellt, dass nach wie vor einer der obersten Grundsätze in unserer Rechtsprechung Bestand hat:
„Schweigen ist keine Zustimmung“
Der BGH untersagt mit dieser strengen Rechtsprechung eine vorherige Aufweichung dieses Grundsatzes, denn ohne die vertraglich zugrundeliegende Klausel der „Erklärungsfiktion“ wäre eine einseitige Vertragsänderung durch Schweigen des Kunden ohnehin nicht möglich.
Daher bedürfte man der vorweggenommenen Einwilligung des Kunden, dass er die künftigen Geschäftsbedingungen akzeptieren wird und damit auch die einseitige Änderungsmöglichkeit des Vertragspartners, wenn der Kunde auf einen vertraglichen Änderungswunsch schweigt.
Dieser bislang gültigen Systematik wird mit der vorliegenden Entscheidung ein Ende bereitet. Der BGH erachtet derartige Klauseln nunmehr als unangemessene Benachteiligung und als Abweichung von wesentlichen Grundgedanken zum Vertragsschluss.
Der bislang zumindest theoretisch bestehenden Möglichkeit der einseitigen Vertragsanpassung ist nunmehr auch bei den Versicherungsmaklerverträgen eine Absage erteilt worden.
Sie sollten von der Möglichkeit einer vorherigen „Erklärungsfiktion durch Schweigen“ nunmehr dringend Abstand nehmen. Es kommt also das zum Tragen, was Versicherungsmakler in der Regel schon immer gemacht hatten:
Eine Vertragsänderung des Versicherungsmaklervertrags bedarf des Neuabschlusses durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Eine sich auf den Bestand aller bestehenden Versicherungsmaklerverträge beziehende automatische Änderung durch einseitige Änderungsformulierung des Versicherungsmaklers ist mithin nicht möglich.
Wenn Sie Vertragsänderungen wünschen, brauchen Sie die aktive Zustimmung Ihrer Kunden. Eine stillschweigende Vertragsänderung ist nach dieser strengen Rechtsprechung nicht mehr möglich.
Fazit: Weder Banken, Versicherungsmakler oder andere können mit einer weit gefassten Klausel zur Erklärungsfiktion einseitig die Vertragsbedingungen ändern.
Der BGH hält es für vorstellbar, dass über eine genau definierte Erklärungsfiktion einzelne Details der vertraglichen Regelungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden geändert werden können. Dann bedarf es aber zuvor einer definierten gegenständlichen Beschränkung, welche einzelnen Details angepasst werden können.
Unter Berücksichtigung dieses sehr stark eingeschränkten Anwendungsbereiches der „Erklärungsfiktion“ dürfte aber für den Versicherungsmakler die Klausel vollkommen uninteressant geworden sein.
Denn für den Versicherungsmakler ist derzeit nicht vorhersehbar, welche „Details“ eines Maklervertrages möglicherweise einer (gesetzeskonformen) Anpassung bedürfen. In Analyse dieser aktuellen Rechtsprechung können wir der Vielzahl der Makler nur anempfehlen, auf die Möglichkeit einer einseitigen Vertragsänderung durch Schweigen Ihrer Kunden zu verzichten.
Bislang hatte diese vertragliche Gestaltungsregelung keine wirkliche Relevanz für die Versicherungsmakler, weil Sie von dieser Regelung bislang nie Gebrauch gemacht hatten. Der Versicherungsmakler wird also zukünftig für Vertragsänderungen wieder einen neuen Versicherungsmaklervertrag beim Kunden einholen müssen.
Dennoch sollten nunmehr alle durch diese aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes sensibilisiert sein, dass auch einseitig keine wesentlichen Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Vertragsinhalte) vorgenommen werden und Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung gilt.
Warten wir gegebenenfalls gespannt darauf, wie die Kreditinstitute erwägen werden, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzupassen. Der Bundesgerichtshof hat diese Messlatte sehr hoch gelegt und gefordert, dass nur die Anpassung von einzeln beschriebenen Details im eingeschränkten Rahmen durch eine Erklärungsfiktion angepasst werden können.
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