Nachvertragliche Kundenansprache ist nicht immer verboten

Die nachvertragliche Kundenansprache ausgeschiedener Vertreter kann eine unerlaubte wettbewerbliche Handlung darstellen. Dass dies jedoch nicht immer der Fall ist, zeigt eine Entscheidung des OLG Brandenburg.

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Ein Beitrag von Jürgen Evers, Rechtsanwalt, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Eine Vertriebsgesellschaft einer Versicherungsgruppe hatte einen ehemaligen Vertreter auf Unterlassung verklagt. Ein vom Unternehmen als Zeuge benannter Kunde hatte zwar nicht ausdrücklich bestätigt, vom Vertreter unter Verwendung von Bestandsdaten angesprochen worden zu sein. Das Landgericht hatte dem Unterlassungsbegehren gleichwohl stattgegeben. Auf die Berufung des Vertreters hat das OLG das Urteil aufgehoben.

So begründete das OLG die Aufhebung

Die Aufhebung des Ersturteils begründete der Berufungssenat unter Berücksichtigung folgender Erwägungen. Ein Unterlassungsanspruch, der es dem Vertreter untersage, anhand von Kundendaten, die dieser während seiner Tätigkeit für den früheren Versicherer gewonnen hat, die Kunden für Konkurrenten abzuwerben, könne nur dann geltend gemacht werden, wenn der Vertreter mit dem beanstandeten Verhalten sowohl gegen § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG in der bis zum 26.04.2019 geltenden Fassung als auch gegen die Nachfolgeregelung in § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG verstößt, indem er fremde Geschäftsgeheimnisse unbefugt verwendet.

Keine Gewissheit über Bestandsdatennutzung

Die Behauptung des Unternehmers, der Vertreter habe Kundendaten über das Vertragssende hinaus gespeichert und dazu verwendet, den Kunden zu kontaktieren und damit zum Wechsel des Versicherers zu bewegen, sei von dem Kunden nicht ausdrücklich bestätigt worden.

Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzleiinhaber Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Deshalb müsse sich zumindest mit hinreichender Sicherheit aus der Aussage schließen lassen, dass der Vertreter unbefugt nach seinem Ausscheiden Bestandsdaten genutzt habe. Der Beweis gelte zwar nicht erst als erbracht, wenn eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werde. Vielmehr könne sich der Richter mit seiner persönlichen Gewissheit begnügen, die Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen.

Die Aussage des Kunden, der Vertreter habe ihm anlässlich eines auf Initiative des Vertreters zustande gekommenen Termins mitgeteilt, dass „alle wechselten“, reiche dazu jedoch nicht aus. Denn dies lasse nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass sich der Vertreter vor Beendigung seiner Tätigkeit eine Übersicht über Bestandskunden angefertigt und sodann zurückgehalten habe. Vielmehr könne es sich dabei auch um eine werbemäßige Anpreisung in übertreibender und generalisierender Form handeln.

Nach Ansicht des Senats sei nicht anzunehmen, dass der Vertreter mit dieser Aussage Tatsachen habe berichten wollen. Selbst bei einer solchen Auslegung ließe die Aussage nicht mit der erforderlichen Gewissheit den Schluss zu, dass der Vertreter unbefugterweise eine Übersicht über seine Bestandskunden beim Unternehmer zurückbehalten hat, weil er nur deshalb die Aussage hätte tätigen können.

Dieser Schluss setzte zumindest voraus, dass die Zahl der vom Vertreter betreuten Kunden so groß wäre, dass der Vertreter deren Namen nicht im Gedächtnis hätte behalten beziehungsweise aus dem Gedächtnis hätte reproduzieren können. Dies erscheine bei einem Vertreter, der über 16 Jahre in einer überschaubaren Gemeinde tätig gewesen ist, wenig plausibel.

Auch wenn der Kunde den Vortrag des Vertreters nicht bestätigt, der Vertreter habe ihn vor dem Anruf persönlich getroffen und danach telefonisch kontaktiert, genüge dies nicht, um die Überzeugung zu begründen, dass der Vertreter unbefugterweise noch über die Kontaktdaten der von ihm betreuten Bestandskunden des Unternehmers verfügt habe.

Dies gelte jedenfalls, wenn der Kunde langjähriger Bestandskunde des Vertreters war und seine Kontaktdaten dem örtlichen Telefonbuch zu entnehmen sind. Der Kunde habe zwar ausgesagt, wie es seiner Ansicht nach zu dem ersten Anruf des Vertreters nach dessen Ausscheiden bei dem Versicherer gekommen sei – und zwar dass dieser die Daten aus früheren Besuchen in der Geschäftsstelle gehabt habe. Hiermit bringe der Kunde aber nur Schlussfolgerungen vor.

Gibt der Kunde auf die Frage, ob er dem Vertreter im ersten Telefonat die Ablaufdaten der Versicherung genannt habe, an, der Vertreter werde ja wissen, welche Versicherungen er habe, weil er diese bei ihm in der Geschäftsstelle abgeschlossen habe, stelle auch diese Aussage eine Schlussfolgerung dar und beweise nicht das Vorhandensein entsprechender Unterlagen in dem Besitz des Vertreters.

Sogar wenn der Vertreter den Kunden nach dessen Aussage zweimal aufgesucht und beim ersten Besuch auf den Kunden eingeredet habe, um zu sehen, wann was abläuft, während er beim zweiten Mal vorbereitete Erklärungen dabeihatte, die er dem Kunde zur Unterschrift vorlegte, kann daraus noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Vertreter bereits zu dem ersten Besuch mit vorgefertigten Unterlagen und eingetragenen Vertragsnummern erschienen wäre.

Der Sachvortrag ist für die Entscheidung maßgeblich

Entscheidend für die Bestimmung des Streitgegenstands sei der Sachvortrag der Klage. Dieser biete im Streitfall jedoch keine Veranlassung zur Annahme eines Unterlassungsanspruchs unter dem Aspekt einer aggressiven geschäftlichen Handlung.

Dies gelte jedenfalls, wenn darin ausschließlich beanstandet wird, dass der Vertreter die von ihm in der Zeit seiner Tätigkeit für den Unternehmer gewonnenen Informationen eingesetzt habe, um Kunden, die er für den Unternehmer betreut hat, für einen konkurrierenden Versicherer abzuwerben, und wenn das Verhalten lediglich unter den rechtlichen Gesichtspunkten der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG) und der unlauteren Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) zur Überprüfung des Gerichts gestellt worden ist.

Daran ändere sich nichts, wenn der Unternehmer zusätzlich vorträgt, der Vertreter habe gegenüber dem Kunden einen solchen Druck aufgebaut, dass dieser schließlich gegen seinen ursprünglichen Willen in die Kündigung seiner Verträge eingewilligt habe.

Entscheidend sei, dass der Unternehmer nicht beantragt habe, dem Vertreter ein entsprechendes zukünftiges Verhalten zu untersagen, und dass er auch nicht geltend mache, der Vertreter habe gegen das Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen verstoßen.

Bilder: (1) © tippapatt– stock.adobe.com (2) © Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

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