Steuerbescheide enthalten neben einer Steuernachforderung oftmals auch einen Bescheid über nachzuzahlende Zinsen in Höhe von 6 Prozent jährlich. Dass dieser Zinssatz in Zeiten von Null- beziehungsweise Negativzinsen noch verfassungsgemäß sein kann, wurde schon lange angezweifelt. Nun besteht Gewissheit: Das Bundesverfassungsgericht hat die hohen Steuerzinsen ab 2014 vor kurzem für verfassungswidrig erklärt.
Nicht jeder Steuerpflichtige, der in den letzten Jahren Zinsen auf Steuernachforderungen zahlen musste, kann mit einer Erstattung rechnen, denn nur für Verzinsungszeiträume ab 2019 müsse der Gesetzgeber bis spätestens Ende Juli 2022 eine verfassungskonforme Regelung schaffen, erklärt Rechtsanwalt und Steuerberater Dietrich Loll, Leiter der ETL SteuerRecht Berlin.
Steuernachzahlungen und -erstattungen werden verzinst. Der Zinslauf beginnt regulär 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Steuer festgesetzt wird. Das heißt: Für die Einkommensteuererklärung 2018 wurden ab dem 1. April 2020 monatlich 0,5 Prozent Zinsen auf den Steuernachforderungsbetrag fällig.
Für 2019 und 2020 hat der Gesetzgeber jedoch coronabedingt die zinsfreie Karenzzeit um 6 Monate beziehungsweise 3 Monate verlängert. Der Zinslauf für 2019 hat daher erst am 1. Oktober 2021 begonnen, der Zinslauf für Steuererklärungen des Jahres 2020 beginnt erst am 1. Juli 2022. Loll erläutert dazu:
Nicht nur die verlängerte zinsfreie Zeit, sondern vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der steuerliche Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr bereits seit 2014 nicht mehr verfassungskonform ist, sind gute Nachrichten für Steuerzahler.
Doch nicht alle Steuerbescheide werden korrigiert, denn für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 bleiben die Zinsbescheide gültig, auch wenn der hohe Zinssatz bereits verfassungswidrig war.
Anders sieht es für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 aus, denn hier wurde der Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht dazu aufgefordert, bis spätestens Ende Juli 2022 eine neue gesetzliche Regelung zu schaffen. Andernfalls könnten die Zinsen für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 nicht mehr wirksam festgesetzt werden.
Für bereits ergangene Zinsbescheide über Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 ergeben sich dennoch zunächst keine Änderungen. Es kommt nicht automatisch zur vollständigen Erstattung der bisher festgesetzten Zinsen. Der Rechtsanwalt und Steuerberater rät:
Wer jedoch einen erstmaligen Zinsbescheid erhält, der Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 betrifft, der muss aufpassen und gegebenenfalls ab sofort auch Geld zurücklegen.
Denn bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber werden alle erstmaligen Zinsbescheide mit null Euro und einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk festgesetzt.
Sobald der Gesetzgeber das Gesetz geändert hat, wird die Finanzverwaltung die Zinsbescheide von Amts wegen anpassen. Wurden auf Steuernachzahlungen bisher 6 Prozent Zinsen festgesetzt, kommt es dann zu einer Erstattung.
Wurden hingegen Null Euro festgesetzt oder auf eine Steuererstattung 6 Prozent Zinsen gezahlt, wird es zu für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2019 bis zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch zu Zinsnachzahlungen beziehungsweise zur Rückzahlung von Erstattungszinsen kommen.
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