Nachhaltigkeitsrisiken sind bereits ein äußerst präsentes Thema in deutschen Finanzinstituten. Das zeigt eine BaFin-Umfrage unter knapp 400 Finanzunternehmen. Aber auch wenn eine gewisse Sensibilisierung besteht, haben ESG-Kriterien noch keinen ausreichend hohen Stellenwert in den Geschäftsstrategien. Die Umfrage zielte vor allem darauf ab, wie die Umsetzung konkret erfolgt und wo die Verantwortlichkeiten liegen.
Ein Beitrag von Dr. Ina Voigt, Senior Managerin, Arno Radermacher, Partner Unternehmensberatung und Andreas Bell, Partner bei der WEPEX Unternehmensberatung.
Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist aus der Finanzindustrie inzwischen nicht mehr wegzudenken. Nachhaltige Produkte gewinnen immer mehr an Bedeutung. Bedingt durch ein steigendes Interesse und eine steigende Nachfrage seitens der Kunden, sowie ständig neue regulatorische Anforderungen, bieten immer mehr Finanzinstitute nachhaltige Investments und Finanzierungsmöglichkeiten an und erweitern ihre ESG-Produktpaletten.
Die BaFin wollte nun in einer Umfrage wissen: „Wie gehen Banken, Versicherer und Co. mit Nachhaltigkeitsrisiken um? Wo stehen sie und was planen sie im Hinblick auf die ESG-Kriterien, die Klima- und Umweltrisiken, soziale und Governance-Aspekte vereinen (Environmental, Social, Governance)?“ Befragt wurden dabei 399 Unternehmen aus dem Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor. Erste Ergebnisse, die in der Oktober-Ausgabe des BaFin-Journals veröffentlicht worden sind, geben einen Überblick über den Status Quo am Markt und zeigen die Einschätzung der BaFin.
Breite Akzeptanz der Bedeutung der Nachhaltigkeit
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass fast alle befragten Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert sind und es als dringlich bewerten. Die Unternehmen berücksichtigen dabei ein breites Spektrum an ESG-Risiken. So werden neben Umweltrisiken auch soziale Risiken und Governance-Risiken betrachtet. Als Hauptziele der Berücksichtigung von ESG-Risiken werden dabei vorrangig die Vermeidung von Reputationsschäden und das Erkennen und Beobachten von Nachhaltigkeitsrisiken genannt.
Einschätzung von Nachhaltigkeitsrisiken als „relevant“ aber „nicht wesentlich“
Obwohl die Finanzinstitute Nachhaltigkeitsrisiken mehrheitlich als relevant einschätzen, stuft nur ein Teil der Unternehmen ihren Einfluss auf die bestehenden Risikoarten als wesentlich ein. Dabei unterscheiden sich die Einschätzungen je nach Institutstyp. So sehen Kreditinstitute die größte Relevanz bei dem Einfluss von ESG-Risiken auf Kreditrisiken. Versicherer erwarten die größte Relevanz bei dem Einfluss von ESG-Risiken auf Marktrisiken, und im Wertpapiersektor wird dem Reputationsrisiko, das durch ESG-Risiken entsteht, die größte Relevanz zugewiesen. Branchenübergreifend werden Abhängigkeiten mit Nachhaltigkeitsrisiken insbesondere bei operationellen Risiken, strategischen Risiken und dem Reputationsrisiko gesehen.
Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement befindet sich noch in den Anfängen
In Übereinstimmung damit, dass Nachhaltigkeitsrisiken mehrheitlich nicht als wesentliche Risiken eingeordnet werden, haben bislang viele Finanzinstitute diese noch nicht vollständig in ihr internes Risikomanagement integriert. So haben von den befragten Kreditinstituten bislang nur 31 Prozent ESG-Risiken in die eigenen internen Leitlinien integriert. Nachhaltigkeitsbezogene Stresstests werden derzeit ebenfalls nur von einer Minderheit eingesetzt, dabei mit 23 Prozent am häufigsten von Versicherern. Dass die Anwendung von nachhaltigkeitsbezogenen Stresstests in Zukunft steigen wird, kann man daran erkennen, dass aktuell bereits nahezu 40 Prozent aller befragten Unternehmen an der Umsetzung von ESG-Stresstests arbeiten.
Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in die Geschäftsstrategie mit Verantwortung bei der Geschäftsführung
In die Geschäftsstrategie finden Nachhaltigkeitsrisiken inzwischen bei einer Mehrheit der Finanzinstitute Eingang. In Einklang mit der Einschätzung zur Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsrisiken werden diese oftmals jedoch nicht bei der Festlegung des Risikoappetits berücksichtigt. Organisatorisch liegt die Verantwortung für Nachhaltigkeitsrisiken bei vielen Instituten bei der Geschäftsführung. So haben beispielsweise 96 Prozent der befragten Kreditinstitute dieses aktuell der Geschäftsleitung zugewiesen.
Ableitung von Optimierungspotenzial und potentiellen zukünftigen Fokusfeldern der Aufsicht
Insgesamt lobt die BaFin, dass die Umsetzungen zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Finanzindustrie bereits weit vorangeschritten sind. Allerdings sieht die BaFin in verschiedenen Bereichen auch Aufholbedarf. So wird seitens der Aufsicht empfohlen, bei der organisatorischen Festlegung von Zuständigkeiten für Nachhaltigkeitsrisiken eine klare Verantwortungszuweisung an einzelne Personen zu implementieren. Auch im Bereich der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das interne Risikomanagement und der Anwendung von nachhaltigkeitsbezogenen Stresstests sieht die BaFin noch Optimierungspotenzial.
Daher ist zu erwarten, dass die BaFin diese Themenbereiche im Auge behalten wird. Insbesondere die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in die Organisation und Governance-Prozesse als auch die Integration von ESG-Risiken in das Risikomanagement sowie die Umsetzung von ESG-Stresstests könnten zukünftige Fokus-Themen der BaFin werden.
Fazit
Die Umfrage hat gezeigt, dass sich mittlerweile alle teilnehmenden Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeitsrisiken beschäftigen und es sogar Eingang in die Geschäftsstrategie gefunden hat. Allerdings sollten Nachhaltigkeitsrisiken stärker priorisiert werden. Denn vor allem bei der Integration in das Risikomanagement und der Verwendung interner Stresstests gibt es noch großen Nachholbedarf.