In einem Musterverfahren gegen die Victoria Lebensversicherung AG kämpft der Bund der Versicherten e. V. (BdV) schon seit 2016 dafür, dass milliardenschwere Überschusskürzungen bei Lebens- und Rentenversicherungen für unwirksam erklärt werden. Durch Verfolgung der Klage bis zum Bundesgerichtshof (BGH), konnte der BdV im konkreten Fall dafür sorgen, dass das LG Düsseldorf nun den Fall erneut bewerten muss. Verhandlungstermin ist der 10.02.2022.
Hintergrund des Verfahrens ist ein Gesetz aus 2014, das es Lebensversicherern erlaubt, den Versicherten Gelder vorzuenthalten, wenn das Unternehmen finanziell angeschlagen ist. Darauf berief sich auch die Victoria und kürzte die Auszahlung im Beispielfall um knapp 2.700 Euro. Aus Sicht des BdV hat die Victoria aber ihre damalige Finanzschwäche nicht hinreichend belegt. Axel Kleinlein, Vorstandssprecher der BdV, erklärt:
Wenn das Versicherungsunternehmen dem Kunden die Auszahlung kürzen will, dann sollte es schon selbst begründen, warum es so arm ist, dass es dem Versicherten in die Taschen greift.
Es geht im Kern um das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), das 2014 beschlossen wurde, um die Lebensversicherungsbranche zu stützen. Diese ist seit der Finanzkrise 2008 unter Druck, da sich die Versicherer in der Vergangenheit mit zu hohen Garantiezinsen verkalkulierten. Um die Kalkulationsfehler auszugleichen, erlaubt das LVRG, dass bestimmte Gelder der Kunden aus der Überschussbeteiligung massiv gekürzt werden. Dies kann aber nur erfolgen, wenn beim jeweiligen Versicherer ein sogenannter „Sicherungsbedarf“ aufgrund einer schwachen Finanzlage vorliegt.
Auf gerade diese Situation beruft sich die Victoria, ein Unternehmen der Ergo-Gruppe. Bei dem Geld, das den Versicherten vorenthalten wird, geht es um die sogenannten Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren. An diesen sind die Versicherten nach Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts eigentlich angemessen zu beteiligen. Ein solches Urteil hatte der BdV bereits 2005 erstritten. Kleinlein erläutert:
Die Beteiligung an diesen Bewertungsreserven ist ein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch der Versicherten und keine Mildtätigkeit der Versicherungsunternehmen.
Im konkreten Fall beruft sich die Victoria letztlich darauf, durch Fehlkalkulation mit zu hohen Garantien in eine derart schwierige Finanzlage geraten zu sein, dass sie die Überschussbeteiligung massiv kürzen musste. Ob diese prekäre Finanzlage tatsächlich vorlag, ist indes aus Sicht des BdV nicht hinreichend belegt. Konkret geht es nun insbesondere auch darum, ob die Victoria die Voraussetzungen für die miserable Finanzlage selber beweisen muss. Aus Sicht des BdV sollte diese Beweislast beim Versicherer liegen: „Erst behauptet das Versicherungsunternehmen zu arm zu sein, dann belegt es diese Behauptung aber nicht ausreichend und trotzdem begründet es damit das Vorenthalten von Überschüssen“, so Kleinlein.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Letzte Runde für den Rechtsstreit BdV vs. Vitality
Der Bundesgerichtshof (BGH) will am 12. Juni über die vom Bund der Versicherten e. V. (BdV) beanstandeten Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung „SBU-professional Vitality“ der Dialog Lebensversicherung entscheiden, um den seit 2020 schwelenden Rechtsstreit zu beenden.
Solvenzkosmetik der Lebensversicherer
Die Bayerische klagt nicht gegen den BdV
Intransparente Bedingungen: BdV klagt gegen Vitality von Generali
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Keine Haftung bei Hundespaziergang aus Gefälligkeit
Muss man haften, wenn man aus Gefälligkeit mit dem Hund des Nachbarn Gassi geht? Nach einem Unfall zwischen einem angeleinten Hund und einem Radfahrer hat das Landgericht Koblenz nun entschieden, ob und wann die private Haftpflichtversicherung für Schäden einspringt.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Geheimnisschutz: Warum viele Vertriebsklauseln dringend überarbeitet werden müssen
Die Rechtsprechung stellt neue Anforderungen an nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Wer auf pauschale Klauseln setzt, riskiert den Verlust seines Geheimnisschutzes – und damit potenziell massive wirtschaftliche Schäden. Fachanwalt Stephan Michaelis erläutert im Gastbeitrag, worauf es jetzt ankommt.
Unfallflucht nach Alleinunfall: Wenn das eigene Fehlverhalten den Versicherungsschutz kostet
Ein aktueller Schadenfall aus der Uckermark zeigt deutlich, welche weitreichenden Folgen bereits ein einzelner Fehltritt im Schadenverhalten haben kann.
Fachtagung Kanzlei Michaelis 2025: Von Haftungsbegrenzung und Vermögensschäden
Wie können Versicherungsmakler ihre Haftung begrenzen, ohne gegen gesetzliche Vorgaben zu verstoßen? Auf der Fachtagung der Kanzlei Michaelis gab es klare Antworten – und neue Lösungen in der Vermögensschadenhaftpflicht von CGPA Europe. Der Text erschien zuerst im expertenReport 03/2025.