Die unternehmerische Insolvenz wird nicht nur von der Allgemeinheit mit einem endgültigen wirtschaftlichen Ruin gleichgesetzt, sondern gilt auch in der Versicherungsvermittlungsbranche als sicheres Geschäftsende. Diese allgemeine Wahrnehmung kommt nicht von ungefähr, denn die Grundlage jeder versicherungsvermittelnden Tätigkeit ist die Geschäftszulassung, die als konstitutive Voraussetzung gemäß § 34d Abs. 5 Nr. 2 GewO bekanntermaßen geordnete Vermögensverhältnisse voraussetzt.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Stephan Michaelis, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft
So hatte jüngst auch die Entscheidung des Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az: 22 ZB 21.2643, Urteil vom 18. Januar 2022) große Aufmerksamkeit erlangt, weil ein Versicherungsmakler wegen Steuerschulden Insolvenz anmelden musste und das Gericht bestätigte, dass ihm deshalb die Berufszulassung nach § 34d GewO entzogen werden kann.
Auch ist es branchenüblich, dass sich Versicherer in ihren Courtagevereinbarungen die fristlose Kündigung für den Fall vorbehalten, dass ein Insolvenzverfahren über das Maklervermögen eröffnet wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Makler als Einzelunternehmen, Personen- oder Kapitalgesellschaft firmiert.
Aber muss das wirklich immer so sein? Ist nur die Insolvenzeröffnung stets der Anfang vom Ende? Ein solcher Befund läuft eigentlich dem erklärten Zweck des Insolvenzrechts entgegen, der darin besteht, die unternehmerische Zahlungsfähigkeit entweder gänzlich wiederherzustellen oder das Unternehmen so weit zu sanieren, dass die Forderungen der Gläubiger möglichst weitgehend befriedigt werden können. Das Geschäftsende selbst stellt allerdings die endgültige Einnahmelosigkeit dar, die das Insolvenzrecht eben – so gut es geht – vermeiden will.
Natürlich sind spiegelbildlich auch die Interessen von Rechtsverkehr und Versichertengemeinschaft zu beachten, die es häufig gebieten, weitere Vermögensgefährdungen durch präventive Maßnahmen abzuwenden. Dieses schwierige Spannungsverhältnis muss an der Schnittstelle von Gewerbe- und Insolvenzrecht zum Besten aller Beteiligten aufgelöst werden.
1. Insolvenzeröffnung kann – muss aber nicht – zum Zulassungsverlust führen
Vor diesem Hintergrund überzeugt es, dass der örtlichen Industrie- und Handelskammer nicht nur bei der Erlaubniserteilung, sondern auch im Hinblick auf deren Widerruf wegen Wegfall der Erlaubnisvoraussetzungen gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ein Ermessensspielraum eröffnet ist. Eine wichtige Rolle bei der Ausfüllung dieses Ermessensspielraum nimmt die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der ungeordneten Vermögensverhältnisse ein. Nach § 34d Abs. 5 S. 3 GewO liegen ungeordnete Vermögensverhältnisse in der Regel vor, wenn über das Vermögen des Antragsstellers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Damit liegt die Vermutung nahe, dass auch die Erlaubnis in der Regel widerrufen werden muss, wenn das Insolvenzverfahren über das Maklervermögen eröffnet wird.
Hier lässt bereits der Wortlaut aufmerken – bekanntlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme! In der Tat verhält es sich so, dass die Regelbeispiele des § 34d Abs. 5 S. 3 GewO keine absoluten Versagungsgründe für die Erlaubniserteilung sind. Im Umkehrschluss ergibt sich also auch, dass die Insolvenzeröffnung erst recht kein absoluter Grund für den Erlaubniswiderruf sein kann. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass das Regelbeispiel gemäß § 34d Abs. 5 S. 3 Nr. 2 GewO gerade nur auf die Erlaubniserteilung zugeschnitten ist und damit nicht schematisch auf den Erlaubniswiderruf übertragen werden kann.
Es ist dem Makler möglich, die Vermutung der ungeordneten Vermögensverhältnisse wegen Insolvenzeröffnung zu widerlegen. Dies kann beispielsweise durch Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts gelingen. Darüber hinaus ist es sogar so, dass § 12 GewO den Erlaubniswiderruf so lange ausschließt, wie Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO angeordnet sind oder aber die Erfüllung eines Insolvenzplans gemäß § 260 InsO überwacht wird.
Die aktuelle Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist demnach als Einzelfallrechtsprechung zu bewerten und es kommt ihr keine allgemeine Gültigkeit zu.
2. Courtagezusagen und -vereinbarungen mit Kündigungsvorbehalt wegen Insolvenzeröffnung sind problematisch
Die Insolvenzeröffnung muss also entgegen dem weit verbreiteten Glauben gerade nicht das Ende der vermittelnden Geschäftstätigkeit bedeuten. Präsentiert der Makler ein adäquates Sanierungskonzept, nimmt ausreichend Fremdkapital auf oder kann die Überschuldung kurzfristig heilen, kann die Zulassung und mit ihr die Handlungsfähigkeit aufrechterhalten werden.
Fraglich ist allerdings, welche Rolle dem Versicherer in einem solchen Szenario zuteil wird. Durch das vorherrschende Modell der Courtagevergütung halten Versicherer, insbesondere in Gestalt der wiederkehrenden Betreuungscourtagen, gewichtige Anteile der Maklervergütung in ihrer Hand. Der Courtageanspruch folgt dabei dem Grunde nach aus Gewohnheitsrecht und wird in seinem Umfang durch Courtagevereinbarungen oder -zusagen des Versicherers ausgestaltet. Nicht selten ist in diesen Courtagevereinbarungen ein außerordentliches Kündigungsrecht des Versicherers bei Insolvenzeröffnung über das Maklervermögen vereinbart.
Dies kann zu dem unerfreulichen Ergebnis führen, dass das geschäftliche Schicksal eines von der Insolvenz bedrohten Maklers, der Handlungsfähigkeit und Zulassung auf Grundlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts aufrechterhalten kann, zur einseitigen Disposition des Versicherers stehen könnte. Denn mit der insolvenzbedingten fristlosen Kündigung kann einhergehen, dass nach dem Inhalt der Courtagevereinbarung auch die weitere Betreuungsvergütung nicht mehr geschuldet ist. Diese Regelungen finden sich zunehmend in neueren Courtagevereinbarungen von Versicherern.
Aber Achtung: Kündigt ein Versicherer die Zusammenarbeit mit einem Versicherungsmakler, so schuldet er in der Regel nach dem Schicksalsteilungsgrundsatz so lange die vereinbarte Courtage für den bereits vermittelten Bestand, wie der Versicherungsmakler weiterhin die von ihm vermittelten Kunden betreut. Wenn nicht die Courtagevereinbarung ausdrücklich andere (wirksame) Regelungen enthält, führt die Kündigung des Versicherers nur zur „Einstellung des Neugeschäftes“. Erworbene Ansprüche auf Bestandsvergütung sind auch über die Beendigung der Zusammenarbeit hinaus zu vergüten. Diese besondere Regelung ist vermutlich vielen Insolvenzverwaltern nicht bekannt.
Vielfach werden Versicherer unter Rücksichtnahme auf ein adäquates Sanierungskonzept auf ihre außerordentliche Kündigungsoption verzichten und den Makler damit indirekt stützen, um die Geschäftsbeziehung perspektivisch aufrechtzuerhalten. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen die Gemengelage eine Kündigung des Versicherers provoziert, zum Beispiel dann, wenn er direktvertriebliche Interessen im freiwerdenden Kundenstamm realisieren will. Eine derart motivierte Kündigung konterkariert aber die Interessen des Insolvenzrechts, da Sie die gläubigerschützende Sanierung verhindert. Fraglich ist daher, ob eine dies gestattende insolvenzbedingte außerordentliche Kündigungsklausel in der Courtagevereinbarung rechtswirksam sein kann?
3. Insolvenzbedingte Kündigungsklauseln womöglich teilweise unwirksam
Eben wegen dieser dem Insolvenzrecht zuwiderlaufenden Tendenzen werden insolvenzbedingte Kündigungs- und Lösungsklauseln in der Rechtspraxis kritisch betrachtet. Diese stehen nämlich in Widerspruch zu den Gestaltungsrechten des Insolvenzverwalters, die gemäß § 119 InsO gesetzlich garantiert sind und nicht durch vertragliche Vereinbarung eingeschränkt werden können.
So ist für gegenseitige Verträge - also zum Beispiel eine wechselseitig unterzeichnete Courtagevereinbarung - anerkannt, dass insolvenzbedingte Kündigungsklauseln unwirksam sind, da Sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters auf Erfüllung gemäß § 103 Abs. 1 InsO beeinträchtigen. Diese Rechtslage ist mithin nicht ohne Weiteres auf die (einseitige) Courtagezusage übertragbar, da es sich bei dieser nicht immer um einen gegenseitigen Vertrag, sondern nach überwiegender Auffassung nur um ein rechtsgeschäftsähnliches Rechtsverhältnis handelt. Eine gerichtliche Entscheidung hierzu ist – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen. Trotzdem sollte aus diesem Grund lieber mit den Versicherern Courtagevereinbarungen (beiderseitig unterzeichnete Verträge) geschlossen werden, als nur eine einseitig ausgesprochene Courtagezusage des Versicherers zu akzeptieren.
Es sprechen allerdings gute Gründe dafür, die Unwirksamkeitserwägungen wenigstens so weit auf das Verhältnis von Makler und Versicherer zu übertragen, wie entsprechende Kündigungsklauseln in bereits bestehende courtagepflichtige Verträge eingreifen. Es entspricht nämlich gerade den Wertungen der §§ 103 ff. InsO, dass der Insolvenzverwalter bestehende Geschäfte fortführen und verwerten können soll, ohne dass ihn der Vertragspartner daran hindern kann. Damit könnten auch auf die Insolvenz bezogene Klauseln in Courtagezusagen wenigstens teilweise zugunsten des Insolvenzverwalters – und damit mittelbar auch zugunsten des Maklers – unwirksam sein. Klauseln, die im Fall der Insolvenzeröffnung courtagepflichtige Neuabschlüsse verhindern, scheinen demgegenüber unbedenklich.
4. Unwirksamkeitsrisken auch für die Gestaltungspraxis des Maklers relevant
Auch der Versicherungsmakler sollte diese Unwirksamkeitsrisiken berücksichtigen. Bei mehrstufigen Vertriebsstrukturen ist es genauso üblich, insbesondere gegenüber Handelsvertretern, insolvenzbedingte Kündigungsklauseln im Handelsvertretervertrag zu vereinbaren. Hier ergeben sich die gleichen Probleme wie zwischen „Obermakler“ und Versicherer. Eine sinnvolle Alternative zu insolvenzbedingten Kündigungsklauseln sind vertragliche Lösungsvorbehalte, die an den Zulassungsverlust von § 34d GewO anknüpfen. Diese greifen nur ein, wenn auch der Insolvenzverwalter die betroffenen Geschäfte nicht mehr ausführen kann und sind insoweit im Lichte des § 119 InsO unbedenklich. Fristlose Kündigungsrechte sollten sich daher an dem Verlust der Berufszulassung orientieren, und nicht an der Beantragung einer Insolvenz.
5. Fazit
Aus dem Vorgesagten geht hervor, dass allein die Eröffnung des Insolvenzerfahren nicht immer „automatisch“ das Ende eines betroffenen Maklerunternehmens bedeuten muss. Es gibt rechtlich gestützte Wege durch das Insolvenzverfahren, die Handlungsfähigkeit und Zulassung bewahren. Auch gegenüber opponierenden Versicherern gibt es rechtliche Ansatzpunkte, dass die Courtage trotz Insolvenzantrag oder Kündigung weiter zu vergüten ist.
Die allgemein verbreitete Ansicht, dass die Insolvenz eines Versicherungsmakler immer auch gleichzeitig seinen endgültigen wirtschaftlichen Ruin bedeutet, ist mithin nicht ganz richtig. Auch die zuletzt veröffentlichte Entscheidung vom Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az: 22 ZB 21.2643, Urteil vom 18. Januar 2022) zum Verlust der Berufszulassung wegen Insolvenz ist eine Einzelfallrechtsprechung und kann nicht generalisiert werden. Denn nicht der Faktor der Insolvenz ist entscheidend, sondern die Tatsache, dass keine geordneten Vermögensverhältnisse vorliegen.