Sollten Unternehmen mit der Gesundheit von Menschen Profit machen dürfen? In Deutschland verkommt das Wohlergehen der Bevölkerung immer mehr zum Spekulationsobjekt reicher Investmentfirmen. Wie ein von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern in Auftrag gegebenes Gutachten 1 zeigt, hat sich allein in Bayern die Anzahl der Arztpraxen in Investorenhand von Anfang 2018 bis Ende 2019 um 72 Prozent erhöht.
Fast jedes zehnte Medizinische Versorgungszentrum zählt hier inzwischen zu den sogenannten Private-Equity-Praxen. Die Ausbreitung solcher investorengeführten Institutionen ziehe sich dabei durch alle Fachbereiche. Auch die radiologische Versorgung sei mittlerweile stark betroffen, leider mit negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten, warnt Dr. Philipp Schlechtweg, Facharzt für diagnostische Radiologie und stellvertretender Vorsitzender der Radiologie Initiative Bayern, die sich gegen diesen gefährlichen Trend einsetzt.
Profit vor Patientenwohl
Investments müssen vor allem wirtschaftlich sein – auch im medizinischen Bereich. Für Patienten von investorengeführten Praxen bedeutet dies oft eine schlechtere Versorgung bei dennoch höheren Kosten. Wie das KVB-Gutachten zeige, rechneten diese Praxen etwa 10 Prozent mehr Honorar ab als ihre inhabergeführten Pendants, so Dr. Friedrich Meer, Facharzt für diagnostische Radiologie und Mitglied des Vorstands der Radiologie Initiative Bayern. Hinzu komme, dass hinter diesen medizinischen Versorgungszentren in der Regel internationale Unternehmen stecken, die in Deutschland keine Steuern zahlen. Er erklärt:
Um noch mehr Profit zu erzielen, werden Patienten außerdem häufiger unnötige Zusatzleistungen verkauft, die sie selbst zahlen müssen.
Mit einem oder mehreren Investoren im Hintergrund gehe die ärztliche Therapiefreiheit verloren. Mediziner entschieden dann nicht mehr unabhängig, welche Behandlung für den Patienten am besten ist,
sondern womit sie am meisten Geld verdienen können, erklärt Dr. Schlechtweg.
Versorgung sicherstellen
Oftmals konzentrieren sich investorengeführte Praxen auf Ballungsgebiete, da sie dort mehr Profit erzielen können. Drohende Versorgungsengpässe auf dem Land würden deshalb häufig von inhabergeführten Praxen aufgefangen, berichtet Dr. Schlechtweg. Er rät, dass Patienten, die von einem unabhängigen Arzt behandelt werden möchte, inhabergeführte Praxen aufsuchen sollten. Dort sei der Arzt selbst der Eigentümer und könne frei Entscheidungen im Sinne des Patientenwohles treffen, ohne von Geldgebern unter Druck gesetzt zu werden.
Allerdings ist aufgrund intransparenter Strukturen für Laien oftmals nicht ersichtlich, wer tatsächlich hinter einer Praxis steckt. Patienten bleibt häufig keine andere Möglichkeit, als direkt bei der Praxis anzufragen, ob sie inhaber- oder investorengeführt ist. Doch auch Verbände inhabergeführter Praxen wie die Radiologie Initiative Bayern haben auf ihren Homepages in der Regel eine Liste ihrer unabhängigen Mitglieder, die Patienten eine erste Orientierung bietet.
„Wir stellen uns klar gegen investmentorientierte Institutionen, die das Gesundheitssystem mit überflüssigen Untersuchungen, Behandlungen und Therapien belasten und sich auf Kosten der kassenärztlichen Gemeinschaft bereichern. Profit darf niemals zulasten der Gesundheit von Patienten gehen. Praxen sind keine Spekulationsobjekte“, appelliert Dr. Meer abschließend.
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