Das Influencer-Marketing bietet Versicherern viele Chancen. Gleichzeitig birgt es jedoch auch einige Tücken, die im schlimmsten Fall dazu führen können, dass sie ihre Marketing-Budgets unnötig verschwenden.
Ein Beitrag von Alexander Frolov, CEO und Co-Founder, HypeAuditor
Für Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, potenzielle Kundinnen und Kunden über die klassischen Kanäle zu erreichen – und da ist die Versicherungsindustrie keine Ausnahme.
Der Trend steuert jedes Jahr stärker auf digitale Medien zu, was zu einer enormen Umverteilung der Werbebudgets geführt hat. Plattformen wie Instagram sind aus dieser Gleichung nicht mehr wegzudenken. Durch bezahlte Kooperationen mit Influencern, die hier populäre Kanäle betreiben und dadurch viele User mit ihren Inhalten erreichen, haben auch Versicherer die Chance, mit jungen Zielgruppen dort in Kontakt zu treten, wo sie ohnehin den Großteil ihrer Online-Zeit verbringen – nämlich in sozialen Netzwerken. Aktuelle Studien belegen, dass es mit Influencer-Marketing-Kampagnen möglich ist, für jeden investierten Dollar einen Gegenwert von 5,78 Dollar zu erzielen. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass die Branche bis 2025 auf einen Wert von 22,2 Milliarden US-Dollar ansteigen soll.
Versicherern fehlt der nötige Durchblick
Bisher sind es vor allem Fashion- oder Beauty-Marken, die exzessiv in Influencer-Kooperationen investieren. Die Akteure der Versicherungsbranche zeigen sich hingegen noch eher zurückhaltend. Ein Grund hierfür könnte auch die fehlende Transparenz sein, die noch immer viele bemängeln. Eine Umfrage, die HypeAuditor unter 200 Marketing-Experten durchgeführt hat, bestätigt, dass knapp ein Drittel (31 Prozent) sich nicht im Klaren darüber ist, mit welchen Influencern die Konkurrenz zusammenarbeitet. Fast der Hälfte (45 Prozent) fehlt außerdem das Wissen darüber, welche Zielgruppen dadurch konkret adressiert werden.
Dieser mangelnde Durchblick spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider, die Deutschlands größte Versicherer derzeit im Influencer-Marketing erzielen. Um herauszufinden, wie gut oder schlecht sie sich bisher schlagen, hat HypeAuditor eine detaillierte Analyse des ersten Quartals 2022 durchgeführt und herausgefunden, dass die Allianz im Vergleich klar die Nase vorne hat.
Obwohl bei der R+V mit nahezu derselben Anzahl an Influencern zusammengearbeitet wurde, konnte die Allianz deutlich mehr Reichweite dadurch erzielen. Insgesamt wurden etwa eine Million User erreicht – die R+V schaffte es gerade einmal auf ein Zehntel davon. Beide Versicherer haben dabei auf dieselbe Zielgruppe gesetzt: Vier von zehn der erreichten User gehören zur Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen, die zum großen Teil weiblich sind. Dafür kooperierte die R+V Versicherung vor allem mit Nano-Influencern. Die Allianz setzte hingegen auf eine Mischung aus Nano-, Micro- und mittelgroßen Influencern.
Alle anderen analysierten Versicherer scheinen bisher noch nicht viel Zeit und Geld in Influencer-Marketing-Kampagnen investiert zu haben. Teilweise sind nicht einmal genügend Daten vorhanden, um ihren Erfolg zu messen.
Betrug ist ein ernst zu nehmendes Problem
Die Kampagnen von Allianz und R+V machen deutlich, was Versicherer, die ins Influencer-Marketing einsteigen wollen, zunächst einmal lernen müssen: Bei der Frage, bei welchen Influencern es sich um die richtigen Kooperationspartner handelt, ist die größte Reichweite nämlich nicht mit den besten Ergebnissen gleichzusetzen.
Tatsächlich gibt es nicht wenige Influencer, die die Zahl ihrer Follower künstlich erhöhen, um mehr Geld für gesponserte Beiträge verlangen zu können. Tausend gefälschte Follower kosten gerade einmal einen US-Dollar. Das hat dazu geführt, dass nur etwa 55 Prozent der auf Instagram angemeldeten Accounts als echt einzustufen sind. Der Rest besteht aus Bots, inaktiven Accounts oder Massen-Followern – und diese werden sich wohl kaum für das neue Produkt einer Versicherung interessieren.
Schätzungen zufolge verlieren Unternehmen dadurch mehr als 700 Millionen US-Dollar pro Jahr an Werbegeldern. Betrug im Influencer-Marketing ist also alles andere als ein Kavaliersdelikt. Die sogenannten Nano- und Micro-Influencer, die über eine deutlich geringere Reichweite verfügen, haben im Vergleich auch das geringste Betrugsrisiko.
Im Gegensatz zu Mega-Influencern wie Pamela Reif oder Sami Slimani gestalten sie ihre Accounts und Inhalte in der Regel komplett selbst und können aufgrund der Übersichtlichkeit besser mit ihren Followern interagieren – und sie dadurch auch nachhaltiger beeinflussen. Außerdem ist es für Unternehmen in der Regel leichter, direkt mit ihnen in Kontakt zu treten und Kooperationen einzugehen.
Influencer-Marketing in der Praxis
Ein Unternehmen, das in diesem Bereich bereits sehr erfolgreich ist, ist der digitale Versicherungsmanager Clark. Mit seiner Hilfe haben Versicherte die Möglichkeit, ihre Versicherungen selbst zu verwalten – und zwar ganz bequem vom Smartphone aus. Da lag es nah, genau hier über leicht konsumierbare Inhalte mehr Awareness für die B2C-Marke zu schaffen. Chris Lodde, CMO und Mitgründer von Clark berichtet:
Wir haben Anfang 2020 begonnen, ins Influencer-Marketing zu investieren. Seither haben sich Influencer-Kooperationen zu einem Schlüsselkanal innerhalb unseres Marketing-Mixes entwickelt.
Welche Reichweite ein Influencer hat, spiele dabei zunächst keine Rolle. Viel wichtiger sei es, den Überblick über wichtige Kennzahlen wie die Follower-Qualität oder das Engagement zu behalten – ebenso wie über die Frage, wie gut ein Influencer zu den Werten der Marke passt oder ob es Inhalte gibt, die mit diesen kollidieren und Clark somit schaden könnten.
Besonders stolz ist der digitale Versicherungsmanager auf die Umsetzung einer Influencer-Kampagne, die unter dem Hashtag #KommMalCLARK viel Aufsehen erregte. Hierfür wurde mit verschiedenen Influencern zusammengearbeitet, unter anderem auch mit dem Alpinisten Jost Kobusch. Er war der Erste innerhalb der letzten 30 Jahre, der sich traute, den Mount Everest im Winter zu besteigen. Für Clark ein perfektes Match – in welcher Situation wäre es schließlich wichtiger, seine Versicherungen so bequem wie möglich verwalten zu können?
Insgesamt gelang es dem Unternehmen im Kontext dieser Kampagne, eine Nettoreichweite von 8,7 Millionen Usern zu erreichen. Das beweist, dass nicht nur Fashion- oder Beauty-Unternehmen im Influencer-Marketing äußerst erfolgreich sein können. Die Marketing-Disziplin bietet auch für die Akteure der Versicherungsindustrie zum Teil noch ungeahnte Chancen und es ist höchste Zeit, diese zu nutzen.