Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 21.06.2022 die Berufung der Nachranggläubiger im Streit mit der Deutsche Steuerberater-Versicherung zurückgewiesen und damit das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Az. 3-14 O 11/20) bestätigt. Die Revision wurde vom Senat nicht zugelassen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat das wegweisende Urteil (Az. 3-14 O 11/20) des Landgerichts Frankfurt vom 7. Mai 2021 bestätigt und damit der Deutsche Steuerberater-Versicherung im Umgang mit ihren Nachranggläubigern auch in zweiter Instanz Recht gegeben.
Die beklagte Pensionskasse hat im Jahr 2014 Inhaberschuldverschreibungen über insgesamt 10 Mio. Euro zu 4,375 Prozent Zins p.a. mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2024 begeben. Im Jahr 2019 musste die Deutsche Steuerberater-Versicherung einen bilanziellen Fehlbetrag in Höhe von 140 Millionen Euro im Jahresabschluss 2018 ausgleichen und wendete hierfür eine in ihrer Satzung verankerte Sanierungsklausel an.
Um neben den Versicherten auch die Nachranggläubiger zur Sanierung heranzuziehen, verweigerte sie diesen gegenüber die Zahlung der laufenden Zinsen. Sie berief sich dabei auf die Anleihebedingungen, die ein „der Abwendung der Insolvenz dienendes Verfahren" als Nachrangfall vorsehen. Ein solches Verfahren sei die von der Pensionskasse nach ihrer Satzung eingeleitete Sanierung.
Das Oberlandesgericht Frankfurt teilte diese Auffassung (Az. 5 U 95/21) und urteilte darüber hinaus, dass auch die Regelungen der sogenannten „Aufsichtsleiter“ (§§ 132 ff. Versicherungsaufsichtsgesetz) ein solches den Nachrang auslösendes Verfahren darstellen – jedenfalls soweit eine Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderungen droht oder bereits eingetreten ist.
Das Urteil des Senats sei von weitreichender Bedeutung für die Branche, so Alexander Knauss, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht des Bonner Büros der MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater, der die beklagte Pensionskasse in diesem Fall vertreten hat. Nun liege erstmals eine obergerichtliche Entscheidung vor, die die Auffassung bestätige, dass Nachranggläubiger einer Pensionskasse bei deren Sanierung schon dann zu zurückzustehen haben, wenn die Mindestkapitalanforderung nicht mehr bedeckt sei (§ 135 VAG) beziehungsweise eine satzungsmäßige Sanierung zu erfolgen habe. Er hält fest:
Versicherungsunternehmen und Pensionskassen, die Nachrangdarlehen begeben haben, werden in vergleichbaren Konstellationen keine Zahlungen mehr an die Nachranggläubiger zu leisten haben.
Nachranggläubiger können in der Regel erst in der Insolvenz des Schuldners (der Versicherung beziehungsweise der Pensionskasse) in Anspruch genommen werden, wohingegen das Versicherungsaufsichtsgesetz (in § 314 Abs. 2) sowie die Satzung vieler Pensionskassen die Möglichkeit vorsieht, Leistungen an die Versicherungsnehmer bereits vor Eintritt der Insolvenz zu kürzen, um diese zu vermeiden.
Da eine solche Privilegierung der Nachranggläubiger der Grundidee eines Nachrangdarlehens widerspricht, hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Juli 2019 angekündigt, auf entsprechende Änderungen von Nachrangklauseln hinwirken zu wollen.
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