Die Portfolios ähneln sich, die Märkte sind gesättigt. Doch es gibt Möglichkeiten für Versicherungen, Kunden in Nischenmärkten zu erreichen und neue Vertriebswege aufzutun: Der Schlüssel liegt darin, Versicherungen als Zusatzangebot im Paket mitzuverkaufen, wenn der Kunde etwas erwirbt, das ihm Freude bereitet. Dabei wird der Kunde direkt im Einzelhandel erreicht, wo er sich auch deutlich öfter und länger aufhält als im Makler-Büro.
Ein Beitrag von Matthias Stauch, Vorstandsvorsitzender/CEO der INTERVISTA AG
Versicherungen verfügen über tradierte Vertriebswege, die funktionieren – der persönliche Kontakt und die Beratung bringen nach wie vor die besten Abschlussquoten. Corona zwang zur Digitalisierung und zu neuen Wegen, wobei der Erfolg von Online-Beratung hinter der persönlichen zurückblieb. Insgesamt wurde mit unterschiedlichem Erfolg digitalisiert: Manche Anbieter fanden bessere Wege oder Prozesse als der Wettbewerb, viele versuchen sich mittlerweile auf Social Media Kanälen.
Die größte Herausforderung der Branche: Vertriebsstruktur, Märkte und Zugänge sind ähnlich, die Produktdifferenzierung findet in der Regel nur über unterschiedliche Tarife und Produktdesign statt. Außerdem ist der Markt in großen Teilen gesättigt – gerade, wer als neuer Player einsteigen will, braucht Geld, Energie und Durchhaltevermögen.
Deswegen bietet es sich an, den Kunden über neue Kanäle zu erreichen und sich in Bereichen zu positionieren, die erst wenige Player besetzt haben. Denn nach wie vor gibt es Arten, den Kunden zu erreichen, die kaum genutzt werden. Einer davon ist der Retail-Handel: Der Kunde kauft vor Ort im Laden zum Beispiel ein Notebook und schließt eine Prepaid-Versicherung gegen Schäden beziehungsweise Verlust oder die Garantieverlängerung zu Hause im Nachgang selbst ab.
Den Kunden vor Ort erreichen
Der Schlüssel für das Geschäftsmodell liegt darin, den Kunden in einer Situation zu erreichen, in der er etwas einkauft und eine Absicherung als Zusatzangebot am Ort des Geschehens zu integrieren. Dieses Angebot wird in der Regel angenommen. Die Chance, den Kunden zu erreichen, ist höher, da er per se viel mehr Zeit im (Einzel)handel beziehungsweise beim Einkaufen verbringt als beim Makler.
Ein weiterer Vorteil des Ansatzes: Es entstehen keine Zusatzkosten, lediglich Logistik, Abrechnung und Prozessablauf sind anders. Versicherungen können das Zusatzgeschäft, das an ein beliebtes Produkt als Objekt der Begierde gekoppelt ist, einfach mitnehmen.
Nicht zuletzt sorgt der Auftritt im Retail für mehr Bekanntheit und kann markenbildend sein. Manche große Versicherer steuern diese Nischenmärkte bereits gezielt an, andere schalten Assekuradeure vor und treten nur als Rückversicherer auf. Gerade für die mittelständischen Versicherungen sind diese alternativen Wege zum Kunden erfolgsversprechend.
Geschäftsmodell Prepaid-, Annex- oder Embedded-Versicherungen
Prepaid-Versicherungen werden also physisch im Laden gekauft und danach selbständig online abgeschlossen. Annex- oder Embedded-Versicherungen stellen eine weitere gekoppelte Vertriebsvariante dar – sie werden an den Online-Bestellprozess angehängt und landen mit im Warenkorb; bei der Reisebuchung etwa der Abschluss einer Reiserücktrittversicherung. Bezahlt wird am Ende.
Pakete im Retail können Produkte verschiedener Branchen umfassen – wie früher die Starterbox für die erste eigene Wohnung eines schwedischen Möbelhauses könnte ein Bundle für Studenten mit Handy, Vertrag, Versicherungen und Strom geschnürt werden. Die Möglichkeiten sind groß.
Da Wunschobjekte in die Pakete integriert werden – das neue iPhone wird mit Garantie und Schadensschutz verkauft – wird über die Bundles zudem eine andere Produkt- beziehungsweise Werbeaussage getroffen. Für den Kunden bringen sie konkreten Mehrwert und die Versicherung verkauft damit nicht mehr über das fatale Preis-Argument.
Impulskauf ohne Reue statt die Analyse des besten Preises
Denn bei Produkten mit wenig Differenzierungsmerkmalen in einem umkämpften Markt ist es fatal, wenn der Kunde Vergleichsportale aufruft und beginnt, nach dem besten Preis zu suchen. Hier geht die Abschlussquote in den Keller. Prepaid- oder Bundle-Verkäufe lösen diesen Wunsch nach dem besten Deal nicht aus – sie sind praktisch, sinnvoll und bequem, der Käufer packt das Bundle einfach ein.
Diese Art des Impulskaufs bringt fast keine Kaufreue, da ihr keine rationalen Überlegungen und Abwägungen zugrunde liegen – damit führt sie zu sehr wenigen Stornos. Wichtig dabei: Keine Vergleichsbundles anbieten, sonst wird der Sparfuchs im Kunden doch geweckt. Und natürlich müssen Warenwert und Versicherungssumme passen. Eine Ware im Wert von 20 Euro versichert niemand für weitere 10 Euro.
Den Kunden trotz Vertragsende halten
Die selbstständige Produktregistrierung und der Abschluss der Versicherung sind für den Kunden kein Problem, er kennt das Vorgehen auch vom klassischen Vertrieb: Der Käufer erhält mit der Rechnung seinen Nachweis, über den er sich online registriert, um die Versicherung einzulösen. Auf der Registrierungsstrecke können weitere Zusatzdienste angeboten und der Diebstahlschutz des iPhones zum Beispiel auf einen Rundumschutz erweitert werden.
Hier ist es wichtig, dass das Bundle in der Kundenwahrnehmung so positioniert wird, dass eine Erweiterung sinnvoll erscheint und dem Kunden nicht sauer aufstößt: Wer ein Premium-Bundle kauft, erwartet natürlich keine zusätzlichen Erweiterungen mehr. Trotzdem kann auch dieser Kunde mit sinnvollen Cross-Selling-Angeboten kontaktiert werden.
Während traditionelle Angebote aus dem Versicherungsportfolio kein automatisches Ende besitzen, kommen Prepaid-Versicherungen aus dem Retail mit einem Vertragsende, zum Beispiel nach zwei Jahren. Um die Kunden nach dem Ende der Vertragslaufzeit nicht zu verlieren, können Verlängerungen, Erweiterungen oder Upgrades angeboten werden, wenn sich der Vertrag dem Ende nähert. Mit Hinweisen zum Beispiel auf neue Geräte oder Familientarife können Versicherungen den befristeten Vertrag zu einem langfristigen machen.
Die passende Technologie für das Retail-Geschäft
Dafür braucht es die passende Technologie mitbestimmten Verfahren und Vorgehensweisen, um Logiken abbilden und den Vertragsabschluss abwickeln zu können – idealweise alle Spielarten wie Annex- oder Retail-Geschäfte. Ein Bestandsführungssystem allein kann das nicht leisten – viele sind bereits mit Verträgen mit Enddatum überfordert.
Es hilft also nichts, gute Produkte ohne Zugang zu Verfahren, Märkten und Abläufen zu haben. Die Lösung ist hier ein technologischer Satellit, der vor das Bestandsführungssystem gesetzt wird, um die Verträge aus Retail und Bundles zum Abschluss zu bringen und sie dann ans Bestandsführungssystem auszuliefern. Gerade in Paketen können verschiedene Versicherungspartner beteiligt sein – das System stellt dann sicher, dass die Einzelverträge an die richtigen gehen, dass Zahlungsprozesse und Provisionen korrekt abgewickelt werden.
Im Retail ist diese technische Abwicklung im Hintergrund noch aus anderen Gründen komplex, da auch der steuerliche Weg berücksichtigt werden muss. Der Geldfluss muss so aufgebaut werden, dass die Steuer zugreifen kann, was eine intelligente Logik erfordert. Auch die Provisionszahlung muss wegen des Verkaufs im Laden auf andere Art abgewickelt werden.
Das System muss also sinnvolle Prozesse bieten, was wann wo und wie gemacht wird und sollte ein eigenes Payment-Verfahren mitbringen. Außerdem muss regulatorisch sichergestellt werden, dass die Prozesse rechtssicher sind und die Vorgaben der BaFin eingehalten werden.
Rückversicherer sind zum Beispiel bei ihren Assekuradeuren in der Kontrollpflicht. Deswegen ist die beste Lösung, selbst ein System zu stellen, das die eigene Rechtsabteilung freigegeben hat, das Buchhaltung und Provisionen ausspielt und das der Assekuradeur nur noch konfiguriert. Versicherungen sind so auf der sicheren Seite.
Fazit
Versicherungen sitzen fest im Sattel. Und dennoch gibt es Möglichkeiten für Mehrgeschäft – in Nischen wie im Einzelhandel, wo Produkt-Bundles branchenübergreifend mit Versicherungen verkauft werden können, die der Kunde zu Hause über eine Vertragsstrecke online aktiv schaltet. Damit das gelingt, braucht es eine technologische Plattform, die Rechtssicherheit und Komfort bietet. Ein Bestandsführungssystem allein kann das nicht leisten.