Vom reinen „Kostenerstatter“ zum kundenorientierten Gesundheitspartner: Private Krankenversicherer transformieren ihr Geschäftsmodell konsequent weiter, leiden dabei aber unter regulatorischen Vorgaben, niedrigen Nutzerzahlen und schwacher Datenqualität. Dies sind Ergebnisse der zweiten Ausgabe der Deloitte-Studie „Zukunft der PKV“, die den Status quo der Branche einfängt sowie Markttrends und Zukunftspotenziale identifiziert.
Gemeinsam mit dem Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln (IVK) und der Wiesbaden Business School hat Deloitte zwischen Mai und August 2022 Entscheidungsträgerinnen und -träger 19 privater Versicherungsunternehmen zu ihrer Positionierung im Geschäftsumfeld befragt. Die Studienteilnehmer repräsentieren 66 Prozent der Bruttoprämien des deutschen PKV-Marktes.
Pflegezusatzversicherung deutlich hinter den Erwartungen
Die große Mehrheit der befragten Krankenversicherer (84 Prozent) ist mit der Geschäftsentwicklung in der Krankenvollversicherung zufrieden. Gute Neugeschäftsentwicklungen, der Erfolg neuer Produkte und akzeptable Gesamtbestandsentwicklungen lassen die Branche positiv auf das Geschäftsjahr 2021 zurückblicken, resümiert Nils Dennstedt, Partner und Insurance Sector Lead bei Deloitte.
Großes Sorgenkind ist die Pflegezusatzversicherung. Hier zeigen sich viele Versicherer (79 Prozent) mit den Entwicklungen unzufrieden. Gründe sind schlechte Absatzzahlen, hohe Beitragsanpassungen und unsichere politische Rahmenbedingungen.
Krankenzusatzprodukte nehmen die Versicherer (90 Prozent) nach wie vor als Wachstumsfeld wahr. Großes Potenzialfeld sind zudem die betrieblichen Produkte. 47 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzten zwei Jahren bereits neue Produkte in der betrieblichen Krankenversicherung eingeführt – der Wettbewerb in diesem Marktsegment steigt. Im Pflegebereich hingegen sind die Krankenversicherer zurückhaltender. Individuelle und geförderte Pflegezusatzversicherungen werden aufgrund der politischen Unsicherheit verhaltener eingeschätzt als noch bei der vorherigen Befragung im Jahr 2020.
Neue Dynamiken im Marktumfeld
Zwei gesellschaftliche Entwicklungen gewinnen in der Branche an Relevanz: Einerseits die wachsende Nachhaltigkeitsorientierung, mit der vor allem der Umweltaspekt von Kapitalanlagen und Prozessen sowie die soziale Komponente der Produkte ins Rampenlicht rücken. Andererseits der Fachkräftemangel, der inzwischen auch in der PKV-Branche angekommen ist: 94 Prozent der Befragten befürchten, dass die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften in den kommenden Jahren zur Herausforderung wird.
„Kostenerstatter“-Image hält sich hartnäckig
Viele der Befragten fühlen sich von ihren Kundinnen und Kunden nach wie vor als „Kostenerstatter“ wahrgenommen. Diese vertrauen in Gesundheitsfragen auf Ärztinnen und Ärzte und binden ihren Krankenversicherer erst spät in den Prozess ein, so Stefanie Kampmann, Partnerin und Sektor-Leiterin Insurance Consulting bei Deloitte. Sie rät:
Um sich erfolgreich als Gesundheitspartner zu positionieren, müssen Krankenversicherer frühzeitig das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden gewinnen.
Präventive Serviceangebote können ein Weg sein, langfristige Bindungen aufzubauen und nicht erst im Moment des Leistungsfalls in Erscheinung zu treten, so Kampmann. Laut den Versicherern werden bereits angebotene Gesundheitsservices von Kundinnen und Kunden zwar häufig als wichtig erachtet, aber dennoch bislang wenig genutzt. Dabei variiert die Annahme der Angebote je nach Krankenversicherer. Die Erfolgsmessung der Gesundheitsmanagementaktivitäten beschränkt sich meist auf Befragungen (63 Prozent) und die Auswertung von Nutzerzahlen (47 Prozent).
Zu wenig Daten für valide Prognosen
Knapp 80 Prozent der Befragten planen „Predictive Analytics“ einzusetzen, um auf Basis von Leistungsdaten ihre Services zu verbessern. Doch erst 21 Prozent haben bereits erste Maßnahmen umgesetzt. Die Datenverfügbarkeit und -qualität sind hierbei die größten Herausforderungen: Bestandsgrößen und Datenmengen einzelner Krankenversicherer sind häufig zu klein, um valide Vorhersagen zu treffen.
Regulatorische Vorgaben, wie BaFin-Auflagen oder Datenschutzbestimmungen, stellen zusätzliche Hürden dar. Frage ein Krankenversicherer immer wieder nach der Datenfreigabe, mische er sich zu sehr bei Behandlungen ein oder werden sogar falsche Prognosen erstellt, könne dies zu geringerer Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden führen, warnt Kampmann. Hier seien kundenfreundliche und systematische Ansätze gefragt.
In der Deloitte-Studie wird außerdem deutlich: Die Digitalisierung von Prozessen, IT und Kundenschnittstellen bleibt im Fokus der Versicherer. Vor allem im Leistungsmanagement sehen die Befragten noch digitales Optimierungspotenzial. So planen die Krankenversicherer ihre Dunkelverarbeitung in den nächsten fünf Jahren stark zu erhöhen – auf Zielquoten zwischen 60 und 80 Prozent. Nicht zuletzt in Anbetracht neuer Herausforderungen, wie dem verschärften Fachkräftemangel, bleibt die Digitalisierung eines der zentralen Handlungsfelder für die Zukunft der PKV.
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