Arbeitsvertragsgestaltung war noch nie eine „lästige Pflicht“! Bei der Arbeitsvertragsgestaltung ging es schon immer – gerade aus Arbeitgebersicht – um im Grunde die elementarsten Verträge jeder Unternehmung. Denn ein Blick auf die Bilanz jeder Firma wird verdeutlichen, dass in aller Regel die höchste Kostenposition die Vergütung der Arbeitnehmer darstellt. Es sind zudem in jedem erfolgreichen Unternehmen letztlich die Arbeitnehmer, die die den Wert einer Firma ausmachen.
Ein Beitrag von Dr. Jan Freitag, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte
Als Fachanwalt, der seit Jahrzehnten für Arbeitgeber, insbesondere auch für Versicherungsmakler, Arbeitsverträge gestalten darf, ist man im Sinne der Mandanten immer besorgt, wenn den Eindruck entstanden ist, dass Mandanten das Thema Arbeitsvertragsgestaltung als lästige Pflicht sehen und sich damit nur wenig Mühe machen wollen.
Anrufe mit Fragestellungen, wie „Könnten Sie vielleicht einmal kurz ein Muster rüberschieben…“ sind leider keine Seltenheit. Es kann denklogisch genauso wenig „Muster“ von Arbeitsverträgen geben, wie es beispielsweise in der Versicherungsbranche „Musterversicherungen“ gibt (ein Versicherungsmakler muss auch wissen, ob ein Kunde im Bereich Sach- oder im Bereich Leben eine Versicherung wünscht, um welchen Sachverhalt es geht, welche persönlichen Verhältnisse er hat usw.).
Es war aber auch immer darauf hinzuweisen, dass es geschäftspolitisch fast schon fahrlässig ist, eine so wichtige Thematik, wie die Mitarbeiterführung, einfach einmal so nebenbei zu regeln. Dies konnte weder in der Vergangenheit und wird erst recht in der Zukunft nicht gut gehen.
Hinzu kommt, dass nur der Arbeitgeber, der aktiv seine Arbeitsverträge im Unternehmen gestaltet, zu seinem Vorteil die Arbeitsverhältnisse regeln kann. Denn nur so kann man Spielräume, die das Gesetz häufig gibt, nutzen. Dabei ist es seit dem 01.08.2022 der Gesetzgeber, Herkunft wieder Europäisches Recht, der, in der Hauptsache aus (inhaltlich sicher diskutablen) Schutzüberlegungen für Arbeitnehmer, über das Nachweisgesetz, auch mit Sanktionen bei Nichteinhaltung, vorschreibt, was jeder Arbeitgeber arbeitsvertraglich mit seinen Arbeitnehmern zwingend zu regeln hat.
Was regelt das neue Nachweisgesetz?
Das bisherige alte Nachweisgesetz hat in 10 Punkten bereits Themen geregelt, die in einen Arbeitsvertrag gehören und die ein Arbeitnehmer einfordern kann. Im alten Nachweisgesetz gab es allerdings keine Sanktionen. Das alte Nachweisgesetz war wie ein „zahnloser Tiger“.
Im neuen Nachweisgesetz sind nun statt 10 Punkte enumerativ 15 Punkte geregelt. Und zwar wie folgt:
„Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
- der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
- der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
- bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b) die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d) die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat, - sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
- wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.“
Dazu im Einzelnen:
Ziffer 1: Name und Anschrift der Vertragsparteien sind selbstverständlich.
Ziffer 2: Auch der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses ist selbstverständlich, wobei hier insbesondere bei Firmenkäufen oder bei Beschäftigungen in der Vergangenheit ein genauer Blick wichtig ist.
Ziffer 3: Befristete Arbeitsverträge mussten schon immer bestimmt, insbesondere vor Beginn schriftlich verfasst sein. Hier gibt es allerdings auch gesetzliche Änderungen, z.B. bezüglich der Kündigungsmöglichkeiten während einer Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis, die seit dem 01.08.2022 zu beachten sind.
Ziffer 4: Selbstverständlich muss der Arbeitsort geregelt sein, wobei dies häufig keinen Eingang in den Arbeitsvertrag fand. Dieses Thema ist auch deswegen ein wenig schwieriger geworden, seit alle mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben. Themen wir „Homeoffice“, „mobiles Arbeiten“ usw. sind Themen, die hier dringend berücksichtigt werden sollten.
Ziffer 5: Die Tätigkeitsbeschreibung ist für jedes Arbeitsverhältnis wichtig, weil sie das Wesen des Arbeitsverhältnisses, das Weisungsrecht des Arbeitgebers konkretisiert. Dabei ist es eine geschäftspolitische Entscheidung, über die man sich Gedanken machen muss, wie man es genau gestaltet.
Ziffer 6: Eine Probezeit muss man vereinbaren, wenn man die Vorteile der Probezeit (im Kern: kürzere Kündigungsfrist in den bis zu 6 Monaten Probezeit) nutzen möchte. Dabei ist die Probezeit nicht zu verwechseln mit der sechsmonatigen Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes.
Ziffer 7 und Ziffer 13: Bezüglich der Vergütung (auch Thema bAV) gibt es Vorgaben, die schon immer kompliziert waren und über die man sich wegen der Wichtigkeit (es geht um Kosten !) viele Gedanken machen sollte.
Ziffer 8: Die Arbeitszeit musste man schon immer vereinbaren, hier gibt es viele Varianten, auch Überlegungen hinsichtlich Vertrauensarbeitszeit. Neu ist aber, dass man auch Pausen ausdrücklich (man sollte hier das Gesetz als Grundlage nehmen) genau benennen soll.
Ziffer 9: „Arbeit auf Abruf“ ist sicherlich, gerade in der Branche der Versicherungsmakler, aber auch in anderen Branchen, eher selten.
Ziffer 10: Sehr wichtig ist dagegen das Thema Überstunden, insbesondere bei der ganz neuen Thematik (Urteil des Bundesarbeitsgerichtes von vor wenigen Wochen) bezüglich des Themas Arbeitszeiterfassung. Hier sollte man sich schon ein paar Gedanken mehr machen.
Ziffer 11: Der Umfang und die Modalitäten des jährlichen Urlaubsanspruches jedes Arbeitnehmers ergeben sich aus dem (Bundesurlaubs-)Gesetz, wobei fast alle Arbeitgeber hier eigene Regelungen haben. Dabei gebietet es fast schon neuere Rechtsprechung aus Europa, dass man hier beispielsweise wegen der (Nicht-)Verwirkung von Urlaubsansprüchen, für Arbeitgeber vorteilhaftere Gestaltungen vornimmt.
Ziffer 12: Auch das Thema Fortbildung ist wichtig, insbesondere zum Beispiel in der Branche der Versicherungsmakler, wenn man hier an Vorgaben aus der IDD oder der VersVermV denkt.
Ziffer 13: siehe oben (Ziffer 7)
Ziffer 14: Ganz neu ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Grunde „belehren“ muss, in welcher Form Kündigungen zu schreiben sind oder welche Möglichkeiten ein Arbeitnehmer hat, in welchen Fristen gegen Kündigungen zu klagen. Hier sollte man die richtige Formulierung im Gesetz kennen und in seinen Arbeitsvertrag übernehmen.
Ziffer 15: Soweit bei verfassten Betrieben (mit Betriebsrat) oder bei Betrieben, bei denen Tarifverträge gelten, weitere Rechtsgrundlagen dem Arbeitgeber zu übermitteln sind, sind diese zwingend in den Arbeitsvertrag mit aufzunehmen.
Bis wann und in welcher Form muss man für einen Arbeitnehmer diese Arbeitsvertragsgestaltung vorlegen?
In § 2 Absatz 1 Sätze 3 und 4 des neuen Nachweisgesetzes heißt es wie folgt:
„Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nr. 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschriften mit den Angaben nach Satz Nr. 2-6, 9 und 10 spätestens am 7. Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.“
Was ist, wenn sich ein Arbeitgeber an all dies nicht hält?
Hier gilt § 4 des neuen Nachweisgesetzes, dass dies eine Ordnungswidrigkeit wäre, die mit einer Geldbuße bis zu € 2.000,00 (theoretisch pro mangelhaften Arbeitsvertrag) geahndet werden kann.
Muss man auch Altverträge neu gestalten?
Hier kann man ein wenig „Entwarnung“ geben. Nach der Übergangsvorschrift des § 5 Nachweisgesetz gilt das neue Nachweisgesetz für Alt-Arbeitsverträge nicht, es sei denn, ein (Alt-)Arbeitnehmer verlangt die Vorlage eines Arbeitsvertrages nach dem (neuen) Nachweisgesetz.
Aber in jedem Fall für alle Neueinstellungen ab dem 01.08.2022 gilt die beschriebene Pflicht und es ist deswegen in der Unternehmensführung nicht mehr verantwortbar, das Thema Arbeitsvertragsgestaltung „schleifen zu lassen“. Bitte geben Sie sich in der Arbeitsvertragsgestaltung die Mühe, die dieses Thema im Sinne des Gesetzes, aber auch in Ihrem Interesse verdient.