BdV unterstützt offensives Auftreten der BaFin

Die Finanzaufsicht BaFin hat sich vorgenommen, die Exzesse im provisionsgesteuerten Vertrieb von kapitalbildenden Lebensversicherungen zu unterbinden und will diese Absicht in einem Merkblatt „zu wohlverhaltensrechtlichen Aspekten“ dokumentieren. Erst kürzlich hatte der oberste Aufseher für Versicherungen, Dr. Frank Grund, beim Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung klargemacht, dass die Provisionsschindereien ein Ende finden müssen.

(PDF)
Anzugtraeger-Uberwachungskameras-104633809-AS-Sergey-NivensAnzugtraeger-Uberwachungskameras-104633809-AS-Sergey-NivensSergey Nivens – stock.adobe.com

Der Verbraucherschutzverein BdV sieht in dem Dokument viele positive Elemente – insbesondere die neuen Regelungen zur Bewertung des tatsächlichen Nutzens von Kapitallebensversicherungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. „Wir bekommen den Eindruck, dass die BaFin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.

Der Verein hat sich in die Konsultation der BaFin zu ihrem Entwurf des Merkblatts eingebracht und eine Stellungnahme zu den positiven und den ergänzungsbedürftigen Aspekten verfasst. Der BaFin-Entwurf enthält präzisierte Regelungen zur Verhaltensaufsicht beruhend auf der EU-Vertriebsrichtlinie IDD.

Der BdV sieht insbesondere folgende neue vielversprechende Regelungen für die Bewertung des „Kundennutzens" einer Lebensversicherung:

  • notwendige Bestimmung des Zielmarktes in „ausreichender Detailtiefe" für den Vertrieb;
  • Entwicklung der Stornoquote;
  • Überprüfung der Frontlastigkeit der Abschlussprovisionen und ihre Auswirkung auf die Renditeentwicklung insbesondere bei vorzeitiger Vertragsbeendigung;
  • Einschluss der Entwicklung der Inflation bei Bewertung des „realen Anlageerfolges";
  • Nachweis von erhöhtem Kundennutzen bei unterschiedlichen Vergütungen desselben LV-Produktes einschließlich möglicher verstärkter Interessenkonflikte im Vertrieb;
  • Offenlegung von Rückvergütungen an Vertriebe bei Fondspolicen.
  • In seiner Stellungnahme moniert der BdV aber, dass der Entwurf noch viele Fragen aus Verbrauchersicht offenlässt. So wird beispielsweise die zu berücksichtigende Inflationsrate mit lediglich 2 Prozent jährlich angesetzt, was auch längerfristig als viel zu niedrig erscheint.

    Auch Koppelpunkte (Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit) werden gar nicht erwähnt, obwohl ihr Nutzen grundsätzlich infrage gestellt werden muss. Zudem soll weiterhin die Kennziffer der Effektivkosten für Renditeprognosen verwendet werden, die aber irreführend ist, solange die zugrunde liegenden Renditeannahmen nicht offengelegt werden.

    Keine konkreten Umsetzungsvorgaben

    Vor allem gibt der Entwurf aber keine Antworten darauf, wie diese „intensivierte Aufsicht" konkret von der BaFin umgesetzt werden soll und was bei Verstößen gegen die „wohlverhaltensaufsichtlichen" Anforderungen gegenüber den Lebensversicherern und den Vertrieben tatsächlich passieren soll.

    Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Produktinterventionen, das heißt Vertriebsverboten, sind gesetzlich vorhergesehen. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.

    Der Verbraucherschutzverein erhofft sich im Ergebnis, dass die Regelungen zu einer deutlich „intensivierten" Verhaltensaufsicht über Produktentwicklung, Markteinführung und laufenden Vertrieb von Lebensversicherungen führen werden. Das ist gesetzlich in dem sogenannten „Produktfreigabeverfahren" (gemäß IDD) sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene angelegt.

    Gegenwind durch Vermittlerverbände

    Vermittlerverbände wie VOTUM und AfW laufen indes Sturm gegen die Pläne der Aufsicht und sehen in der beabsichtigten Begrenzung der Fehlanreize im Vertrieb ihre Vertragsfreiheiten verletzt. Der GDV, lehnt in seiner Stellungnahme genau die neuen Regelungen ab, die zur Verbesserung des Kundennutzens aus Sicht der BaFin beitragen sollen, wie etwa die Berücksichtigung der Inflationshöhe oder genauere Zielmarktbestimmungen für neue Produkte.

    „Die Kommentare der Vertrieblerverbände und der Versichererlobby sind an Halsstarrigkeit kaum zu überbieten. Wenn sie das Handeln der Finanzaufsicht und geltendes Unionsrecht in die Nähe eines Verfassungsbruchs verorten, schlagen sie eine bedenkliche Tonalität an“, sagt Rehmke.

    Die Anbieterseite bezweifelt außerdem, dass die Pläne der BaFin von der Bundesregierung unterstützt werden und fordert eine Intervention des Finanzministeriums. Immerhin scheiterten in der Vergangenheit Versuche, das Treiben durch eine gesetzliche Deckelung der Provisionskosten oder eine Einführung von Provisionsrichtwerten einzugrenzen, an den Regierungsverantwortlichen.

    Die Zeiten dürften sich geändert haben. Auf EU-Ebene wird mittlerweile intensiv ein generelles Provisionsverbot diskutiert, weshalb Exekutivdirektor Grund das Merkblatt als letzte Chance begreift. Und es war der damalige Finanzminister und jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach dem Aufsichtsversagen beim Wirecard-Skandal den Umbau der BaFin zu mehr Schlagkraft forcierte.

    „Wir erwarten, dass die BaFin von Regierungsseite volle Rückendeckung hat und noch mehr Biss entwickeln kann. Unsere Hinweise sollen unterstützen“, sagt Rehmke.

    Die Stellungnahme des BdV steht hier zum Download zur Verfügung.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Innovative technologies image . Mixed mediaInnovative technologies image . Mixed mediaSergey Nivens – stock.adobe.comInnovative technologies image . Mixed mediaSergey Nivens – stock.adobe.com
Assekuranz

Produktenwicklung im Zeichen der Regulierung

Mit den Veröffentlichungen von EIOPA und BaFin kommen auf die Lebensversicherer in der Produktentwicklung neue quantitative Anforderungen zur Darlegung des Kundennutzen zu, die insbesondere Ablaufleistung und Rückkaufswert betreffen.

Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungs- und PensionsfondsaufsichtMatthias Sandmann / BaFinJulia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungs- und PensionsfondsaufsichtMatthias Sandmann / BaFin
Assekuranz

BaFin rückt Kundennutzen und Stornoquoten in den Fokus

Die BaFin hat ihre Prioritäten für 2025 vorgestellt. Besonders Unternehmen mit hohen Stornoquoten müssen mit genauerer Prüfung rechnen.

Human Hand Protecting Family Paper Cut OutHuman Hand Protecting Family Paper Cut OutAndrey Popov – stock.adobe.comHuman Hand Protecting Family Paper Cut OutAndrey Popov – stock.adobe.com
Assekuranz

Lebensversicherungen müssen angemessenen Kundennutzen bieten

Die BaFin hatte im Mai 2023 ihr Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten veröffentlicht. Parallel dazu wurden Aspekte der Produkte analysiert, wie Effektivkosten, Abschlussprovisionen und Stornoquoten. Dabei wurden Ausreißer identifiziert. 13 besonders auffällig Lebensversicherer wurden einer wohlverhaltensaufsichtlichen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Neben formalen Defiziten genügten manche Versicherer bei Weitem nicht den Vorgaben des BaFin-Merkblatts.

Hand stopping domino effect of wooden blocksHand stopping domino effect of wooden blocksGajus – stock.adobe.comHand stopping domino effect of wooden blocksGajus – stock.adobe.com
Assekuranz

Versicherer haben jüngste Herausforderungen gut bewältigt

Der Versicherungsbranche hat die Herausforderungen der vergangenen Monate gut bewältigt. Im Hinblick auf die akuten Stabilitätsrisiken stehen die Versicherer nicht im Fokus der BaFin. Grundsätzlich bleiben die Rahmenbedingungen aber herausfordernd und erhöhen die Risiken für den Sektor.

Go towards the achievement of the mission. Business strategic planning. Compliance with the conditions. Finish work. Complete the task successfully. To get approval . Permission. Pass the testGo towards the achievement of the mission. Business strategic planning. Compliance with the conditions. Finish work. Complete the task successfully. To get approval . Permission. Pass the testAndrii Yalanskyi – stock.adobe.comGo towards the achievement of the mission. Business strategic planning. Compliance with the conditions. Finish work. Complete the task successfully. To get approval . Permission. Pass the testAndrii Yalanskyi – stock.adobe.com
Finanzen

BaFin: Neues Merkblatt zu kapitalbildenden Lebensversicherungen

Mit ihrem jüngst veröffentlichten Merkblatt zum Schwerpunkt der wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekte will die BaFin sicherstellen, dass kapitalbildende LV einen angemessenen Kundennutzen bieten. Außerdem sollen Exzesse im Provisionsvertrieb dieser Produkte verhindert werden.

Black casual shoes making decisionBlack casual shoes making decisionmantinov – stock.adobe.comBlack casual shoes making decisionmantinov – stock.adobe.com
Assekuranz

Lebensversicherung kündigen? BdV bietet Entscheidungshilfe

Die Kapitallebensversicherung kündigen oder nicht, beitragsfrei stellen oder Beiträge weiterzahlen? Wenn die Entscheidung schwerfällt, dann kann der Bund der Versicherten e. V. (BdV) weiterhelfen. Der Verbraucherschutzverein hat einen „Entscheidungsbaum“ entwickelt, der kostenlos genutzt werden kann.

Mehr zum Thema

Technisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabayTechnisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabay
Assekuranz

Versicherer fordern Rechtsrahmen für automatisierte Binnenschifffahrt

Automatisierte Binnenschiffe könnten schon heute einsatzbereit sein – doch es fehlt an klaren gesetzlichen Vorgaben. Der GDV fordert die Bundesregierung und internationale Flusskommissionen auf, Standards zu schaffen, um die Technologie voranzutreiben.

OleksandrPidvalnyi / pixabayOleksandrPidvalnyi / pixabay
Assekuranz

Berufsunfähigkeitsversicherung 2025: Neue Rahmenbedingungen stärken Stabilität

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt auch 2025 ein stabiler Schutz. Franke und Bornberg analysieren die Entwicklungen des Vorjahres und beleuchten die veränderten Rahmenbedingungen, darunter die Erhöhung des Höchstrechnungszinses und neue Produktanpassungen.

Dr. Olaf Schmitz, Vorstandsmitglied für die LebensversicherungFoto: VPVDr. Olaf Schmitz, Vorstandsmitglied für die LebensversicherungFoto: VPV
Assekuranz

VPV Versicherungen: Neuerungen zum Jahreswechsel durch Höchstrechnungszinsanhebung

Mit dem Jahreswechsel bringt die VPV Versicherungen (VPV) umfassende Anpassungen und Neuerungen in mehreren Produktbereichen.

Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verzeichnen Krankenhäuser jedes Jahr etwa 800 bis 1.000 Verletzte, die durch Feuerwerkskörper zu Schaden kommen.Foto: GrokLaut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verzeichnen Krankenhäuser jedes Jahr etwa 800 bis 1.000 Verletzte, die durch Feuerwerkskörper zu Schaden kommen.Foto: Grok
Assekuranz

Die Risiken der Silvesternacht und der richtige Versicherungsschutz

Die Silvesternacht ist für viele Menschen ein festlicher Höhepunkt, an dem das alte Jahr verabschiedet und das neue mit Feuerwerk und Feierlaune begrüßt wird. Doch der Übergang ins neue Jahr birgt auch Gefahren, die häufig unterschätzt werden.

neelam279 / pixabayneelam279 / pixabay
Assekuranz

Kfz-Versicherung: Preise steigen um 43 Prozent in zwei Jahren

Die Kosten für Kfz-Versicherungen sind in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen. Laut Verivox-Kfz-Versicherungsindex zahlen Autofahrer heute 43 Prozent mehr als 2022.

Megan_Rexazin_Conde / pixabayMegan_Rexazin_Conde / pixabay
Assekuranz

BU-Regulierung: Längere Bearbeitungszeiten durch steigende Anträge

Das BU-Leistungspraxisrating 2024 von Franke und Bornberg liefert detaillierte Einblicke in die Regulierungspraxis von zehn Versicherern. Trotz steigender Antragszahlen und längerer Bearbeitungszeiten gibt es Fortschritte.