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Um die Einkommensteuererklärung prüfen zu können, benötigt das Finanzamt oft personenbezogene Daten – auch von unbeteiligten Dritten. Das ist erlaubt, wie das Finanzgericht Nürnberg 2023 entschieden hat, denn die Aufgaben des Finanzamtes stehen im öffentlichen Interesse und damit über den Datenschutzanliegen einer einzelnen Person.
Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) erklärt, was das konkret bedeutet
Wer staatliche Leistungen wie beispielsweise Bürgergeld oder Kinderzuschlag erhalten will, genauso wer bestimmte Kosten beim Finanzamt geltend machen möchte, muss seine finanziellen Verhältnisse darlegen. Heißt: Sämtliche Einnahmen und Vermögenswerte müssen korrekt offengelegt werden.
Dazu zählt auch ein Mietvertrag inklusive der Konditionen und Kontaktdaten von Mietern, wie das Finanzgericht Nürnburg 2023 entschieden hat (Aktenzeichen 3 K 596/22).
Öffentliches Anliegen wichtiger als persönliches Interesse
Im konkreten Fall wollte ein Vermieter für die Erstellung seiner Einkommensteuererklärung die Namen und Mietverträge seiner Mieter/innen nicht offenbaren - aus Datenschutzgründen. Das Finanzamt bestand aber auf die Offenlegung und das Gericht gab dem Amt Recht.
Die Begründung: "Ein Steuerpflichtiger ist nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet." Er komme dieser Mitwirkungspflicht dadurch nach, indem er die für die Besteuerung nötigen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlege und die ihm bekannten Beweismittel angebe. Welche Daten dafür eine Rolle spielen und was dabei offengelegt werden muss, liege im Ermessen des Finanzamts.
Der Vermieter ist nun in Revision gegangen und das Verfahren ist beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig (Aktenzeichen IX R 6/23).
Einschätzung der VLH
Die Chancen auf eine Entscheidung im Sinne des Vermieters stehen schlecht. Der Grund: Das Finanzamt ist an das Steuergeheimnis gebunden. Das bedeutet, dass die in den Mietverträgen enthaltenen Daten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung des Klägers genutzt werden dürfen – aber nicht darüber hinaus. Somit bleibt der Datentransfer datenschutzkonform. Lediglich ein/e Finanzbeamter/in ist über die Daten informiert – er/sie arbeitet im öffentlichen Interesse und benötigt die Daten zur Wahrung seiner/ihrer Aufgabe.
Finanzamt will Bankgeheimnis umgehen
Anders sieht es hingegen in folgendem Fall aus (Aktenzeichen IX R 32/21): Das Finanzamt hat die Bank eines Steuerpflichtigen angeschrieben, um an dessen Kontoauszüge zu gelangen. Deren Herausgabe hatte der Mann zuvor verweigert. Ob das Finanzamt die Bank zurecht kontaktiert hat, muss nun ebenfalls der Bundesfinanzhof entscheiden. Denn in Deutschland gilt das Bankgeheimnis. Welches Interesse hier nun höher wiegt, liegt in der Entscheidung der BFH-Richter*innen.
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