Handelsvertreter: Rückforderung von Provisionen
Nach der Beendigung eines Handelsvertretervertrages kommt es häufig zu Streit über die Provisionen, die der Unternehmer von dem Handelsvertreter zurückfordert.
Mit Genehmigung der Kanzlei Wirth–Rechtsanwälte wird hier der von der Kanzlei erstellte Leitfaden für die Belange eines Handelsvertretervertrages vollständig im Rahmen einer Beitragsserie veröffentlicht. Dies ist der achte Teil.
Hintergrund dieser Streitigkeiten um Provisionen sind vor allen Dingen gezahlte Provisionsvorschüsse für vermittelte Versicherungen, die nun ganz oder nur teilweise zurückgefordert werden. Dies mündet für den Handelsvertreter häufig in ein Dilemma:
Er hat keine Kundendaten und zu den meisten oder vielen Kunden auch keinen Kontakt mehr. Er erfährt im Zweifel nicht einmal, dass von ihm vermittelte Verträge storniert oder so geändert wurden, dass geleistete Provisionsvorschüsse an den Versicherer ganz oder teilweise zurückgezahlt werden müssen. Obwohl er also auf die Kunden keinen Einfluss nehmen und auch die Hintergründe etwaiger Stornierungen nicht mehr aufklären kann, soll er für die Rückzahlung der eigentlich von ihm verdienten Provisionen verantwortlich sein.
Aus diesem Grund verlangt das Gesetz, dass der Unternehmer geeignete Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen muss, wenn er erkennt, dass ein Versicherungsvertrag beendet oder ungünstig angepasst (beispielsweise Beitragsfreistellung) werden soll oder wurde. Mit diesen sogenannten Stornoabwehrmaßnahmen soll er versuchen, den betroffenen Versicherungsvertrag zu retten.
Welche Maßnahmen er dafür ergreift, liegt im Ermessen des Unternehmers. Sie müssen aber nach Art und Umfang ausreichen, um den Kunden ernsthaft und nachdrücklich zur Vertragstreue anzuhalten. Der Maßstab für sein Ermessen ist das, was vernünftigerweise der Handelsvertreter getan hätte. Erkennt er beispielsweise, dass Versicherungsbeiträge offen sind und die Kündigung des Vertrages droht, so reicht eine Mahnung nicht aus. Vielmehr ist er dann gehalten, in einem Gespräch auf die oben genannte Vertragstreue hinzuweisen und nach Möglichkeit Lösungen zu finden. Ein textbausteinmäßiges Standardschreiben, in dem der Kunde auf die Nachteile der Vertragsbeendigung hingewiesen wird, reicht in aller Regel nicht aus.
Der Unternehmer kann diese Stornonachbearbeitung auch dem Handelsvertreter überlassen, muss ihm dann aber entsprechende Stornogefahrmitteilungen zusenden. Nach Beendigung eines Handelsvertretervertrages werden solche Mitteilungen aber oft nicht mehr versendet, da der Unternehmer häufig verhindern möchte, dass der ausgeschiedene Handelsvertreter so in Kontakt zu seinen ehemaligen Kunden kommt.
Unternimmt der Unternehmer keine oder keine ausreichenden Stornoabwehrmaßnahmen, dann kann er die gezahlten Provisionsvorschüsse vom Handelsvertreter nicht zurückverlangen.
Es gibt allerdings Ausnahmen:
So ist es anerkannt, dass bei Kleinstprovisionen (circa 50 Euro) oder offensichtlich aussichtslosen Fällen keine Nachbearbeitung erfolgen muss. Offensichtlich aussichtslos ist beispielsweise die Beendigung einer privaten Krankenversicherung, weil wieder eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Sollte der Unternehmer also Provisionsvorschüsse zurückverlangen, so müssen immer genau die Hintergründe angeschaut werden. Insbesondere muss genau geprüft werden, ob ausreichende Stornoabwehrmaßnahmen ergriffen wurden. Das muss der Unternehmer darlegen und im Zweifel vor Gericht auch beweisen. Kann er diesen Beweis nicht führen, kann er auch die Provisionsvorschüsse nicht zurückverlangen.
Sollten auf der Provisionsabrechnung Stornoeinbehalte vermerkt sein oder aber der Handelsvertreter direkt zur Zahlung wegen angeblicher Stornierungen aufgefordert werden, ohne dass er von dem Storno und daraus folgenden Stornoabwehrmaßnahmen Kenntnis hat, empfiehlt sich ein schriftlicher Widerspruch. Eine Mustervorlage des Widerspruchs finden Sie hier.
Zusammenfassung
Spätestens wenn die Kündigung ausgesprochen wurde, sollte der Handelsvertreter darüber nachdenken, ob für aktuelle und zurückliegende Provisionsabrechnungen ein Buchauszug verlangt werden soll. Die Rückforderung von Provisionsvorschüssen sollte nicht einfach akzeptiert werden. Es sollte im Detail geprüft werden, ob diese Provisionsvorschüsse berechtigt zurückverlangt werden können, insbesondere, ob Stornoabwehrmaßnahmen ergriffen wurden. Im Zweifel sollte immer ein Rechtsanwalt zurate gezogen werden.
Lesen Sie auch:
Im ersten Teil dieser Serie erfahren Sie allgemein Wissenswertes zur Beendigung eines Handelsvertretervertrages. Lesen Sie im zweiten Teil Wichtiges zur ordentliche Kündigung eines Handelsvertretervertrages und im dritten Informatives zur außerordentlichen Kündigung.
Welcher Kündigungsformen der Handelsvertretervertrag bedarf, wird im vierten Teil der Serie erläutert. Der fünfte Teil behandelt die Pflichten des Handelsvertreters während der Kündigungsfrist. Die Rechte und Pflichten nach Beendigung des Handelsvertretervertrages stellt der sechste Teil heraus.
Über das gesetzlich verbriefte Recht auf eine Auskunft über alle provisionspflichtigen Geschäfte informiert Teil sieben.
Themen:
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Das Gesetz gibt Handelsvertretern das Recht, von Unternehmern eine Auskunft über alle provisionspflichtigen Geschäfte zu erhalten. Dieser ‚Buchauszug‘ versetzt den Handelsvertreter in die Lage, unter Vergleich mit den Unterlagen, die Provisionsabrechnungen des Unternehmers zu prüfen.
Kündigungsformen des Handelsvertretervertrages
Wie bei einem Arbeitsverhältnis wird die Kündigung erst mit Zugang wirksam. Sie ist grundsätzlich formlos möglich, es sei denn, im Handelsvertretervertrag wurde eine andere Form vereinbart. Steht ein Aufhebungsvertrag im Raum, bedarf es erhöhter Aufmerksamkeit.
Handelsvertretervertrag: Rechte und Pflichten nach Beendigung
Ist der Vertrag beendet, kann der Handelsvertreter frei tätig werden. Ihm ist es erlaubt, in direkten Wettbewerb zu dem ehemaligen Unternehmen zu treten und er darf unter anderem als Versicherungsmakler tätig werden. Insbesondere darf er Kunden des Unternehmens abwerben.
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