Pflegebedingte Eigenanteile auf neuem Spitzenwert

Photo credit: depositphotos.com

Senior-Pflegekraft-270645736-DP-HayDmitriySenior-Pflegekraft-270645736-DP-HayDmitriy

Die durchschnittliche finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen, die im Pflegeheim leben, ist im vergangenen Jahr laut einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erneut gestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2022 gab es bei den pflegebedingten Zuzahlungen einen Anstieg von 19,2 Prozent.

Trotz der Einführung von Zuschlägen zur Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen liegt die durchschnittliche Gesamtbelastung der Bewohnerinnen und Bewohner infolge der steigenden Preise inzwischen wieder auf dem Niveau des Jahres 2021, also vor der Einführung der Zuschläge durch die Politik. Eine Prognose des WIdO zur weiteren Entwicklung macht deutlich, dass auch die aktuelle Anhebung der Zuschläge und die geplante Dynamisierung der Leistungssätze im Jahr 2025 den Trend zu immer höheren finanziellen Belastungen voraussichtlich nicht nachhaltig stoppen können.

Die aktuelle Analyse zeigt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Ende des Jahres 2023 von der Pflegeversicherung durchschnittlich 569 Euro pro Monat für ihre pflegebedingten Eigenanteile in Form der nach Wohndauer gestaffelten Zuschläge erstattet bekamen. Durchschnittlich 874 Euro mussten sie selbst für die Pflege zuzahlen, hinzu kamen im Schnitt 909 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 484 Euro für Investitionskosten. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Gesamtbelastung von 2.267 Euro pro Monat. Sie liegt damit ungefähr auf dem Niveau vor der Einführung der nach Wohndauer gestaffelten Zuschläge zur Entlastung, die seit dem 1. Januar 2022 greifen.

Abbildung 1: Einrichtungseinheitliche Eigenanteile (EEE), Unterkunft und Verpflegung (U+V) sowie Investitionskosten nach Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge jeweils zum Stichtag 31. Dezember 2023*, in Euro pro Monat

Bei den Pflegebedürftigen mit langer Wohndauer haben diese Zuschläge für eine deutliche Entlastung gesorgt. So zahlten Bewohnerinnen und Bewohner mit einer Wohndauer von mehr als drei Jahren - dies sind rund 40 Prozent der vollstationär Pflegebedürftigen - im vergangenen Jahr für ihre Pflege einen einrichtungsbezogenen Eigenanteil von lediglich 433 Euro. "Insgesamt ist der Trend zu immer höheren Eigenanteilen allerdings ungebrochen", betont Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege beim WIdO. So habe die durchschnittliche finanzielle Belastung der Bewohnerinnen und Bewohner im Jahr 2017 mit 1.752 Euro noch mehr als 23 Prozent niedriger gelegen als heute.

Abbildung 2: Einrichtungseinheitliche Eigenanteile (EEE), Unterkunft und Verpflegung (U+V) sowie Investitionskosten nach Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge zum Stichtag 31. Dezember 2023* in Euro pro Monat, nach Wohndauer

Zum 1. Januar 2024 sind die Zuschläge für pflegebedingte Aufwände, die von den Pflegekassen gezahlt werden, angehoben worden: Für Pflegebedürftige, die bis zu einem Jahr in einer vollstationären Pflegeeinrichtung wohnen, steigen sie von 5 auf 15 Prozent. Bei einer Wohndauer von einem Jahr bis zu zwei Jahren gibt es eine Anhebung von 25 auf 30 Prozent, bei zwei bis drei Jahren von 45 auf 50 Prozent und bei einer Wohndauer ab drei Jahren von 70 auf 75 Prozent.

Mit Beginn des Jahres 2025 sollen dann auch die allgemeinen Leistungssätze der Pflegeversicherung steigen: Statt beispielsweise bisher 1.775 Euro pro Monat bei Pflegegrad 4 gibt es dann 1.855 Euro (plus 4,5 Prozent). "Schon jetzt ist absehbar, dass die Kosten für die Pflege im Heim weiter steigen werden. Das hat unter anderem mit gestiegenen Lohnkosten infolge der Verpflichtung der Einrichtungen zur tariflichen Bezahlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den inflationsbedingten Tarifsteigerungen zu tun", erläutert Antje Schwinger.

Abbildung 3: Fortschreibung der pflegebedingten Eigenanteile nach Berücksichtigung der Leistungszuschläge nach Wohndauser (§ 43c SGB XI), mittels Szenarien für die Jahre 2024 und 2025

In einer Prognose zur weiteren Entwicklung der pflegebedingten Eigenanteile hat das WIdO verschiedene Szenarien durchgespielt. "Wenn man von einer im Vergleich zu den Vorjahren eher moderaten Steigerung der Eigenanteile um 10 Prozent ausgeht, werden die Eigenanteile bereits 2025 trotz der beschlossenen Erhöhungen der Zuschläge und der Dynamisierung der Leistungssätze wieder über dem Niveau von 2023 liegen", so Schwinger.

Große regionale Unterschiede

Die WIdO-Analyse zur Entwicklung im Jahr 2023 umfasst auch einen Vergleich zwischen den einzelnen Bundesländern. Er macht deutlich, dass die Höhe der finanziellen Belastungen der Pflegeheim-Bewohnenden in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ist: Während die Gesamt-Zuzahlungen Ende 2023 im Saarland bei 2.640 Euro pro Monat lagen, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1.800 Euro. Besonders groß ist die Spanne bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung: Während in Sachsen-Anhalt nur 720 Euro zu bezahlen sind, sind es in Nordrhein-Westfalen 1.156 Euro.

Abbildung 4: Einrichtungseinheitliche Eigenanteile (EEE), Unterkunft und Verpflegung (U+V) sowie Investitionskosten nach Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge zum Stichtag 31. Dezember 2023* in Euro pro Monat, je Bundesland

"Auch die pflegebedingten Zuzahlungen variieren regional sehr stark. In der Gesamtschau haben sich die Preise zwischen den Regionen über die Jahre jedoch deutlich angeglichen", betont WIdO-Forschungsbereichsleiterin. So lagen die durchschnittlichen Pflegesätze in den westlichen Bundesländern 2019 noch mehr als 200 Euro über denen im Osten. Inzwischen hat sich dieser Unterschied auf 44 Euro verringert.

Diese Angleichung hängt nach Einschätzung des WIdO unter anderem mit der Einführung der Tariftreue-Regelungen zum 1. September 2022 zusammen. Seitdem dürfen die Landesverbände der Pflegekassen Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeinrichtungen schließen, die mindestens in Tarifhöhe bezahlen. "Das dürfte ganz wesentlich zur Angleichung der Preise beigetragen haben, denn die pflegebedingten Kosten werden maßgeblich durch die Lohnkosten bestimmt", so Schwinger.

Abbildung 5: Anstieg der durchschnittlichen Einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) ohne Berücksichtigung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge Stichtag 31. Dezember 2021 und 31. Dezember 2023* in Euro, je Kreis

Welche erheblichen Auswirkungen dies haben kann, zeigt der Blick auf die Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland. seit dem 31. Dezember 2021 sind die einrichtungsbezogenen Eigenanteile (EEE) in jedem fünften Kreis um mehr als 572 Euro gestiegen sind. Überdurchschnittlich hoch waren die Anstiege in den ostdeutschen Bundesländern sowie in Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

LESEN SIE AUCH

Seniorin-Pflegekraft-420843019-AS-pikselstockSeniorin-Pflegekraft-420843019-AS-pikselstockpikselstock – stock.adobe.comSeniorin-Pflegekraft-420843019-AS-pikselstockpikselstock – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

Pflegereform 2024: Was ändert sich?

Wenn es um das Thema Pflege geht, steht schon lange die Forderung nach einer besseren Versorgung und mehr Entlastung im Raum. 2024 treten nun einige neue Regelungen in Kraft, die Pflegebedürftige zu Hause und in Pflegeheimen unterstützen sollen. Auch auf pflegende Angehörige wird dabei eingegangen.

upset retired husband sitting in living room and looking at seniupset retired husband sitting in living room and looking at seniLIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.comupset retired husband sitting in living room and looking at seniLIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

Kostenexplosion in Pflegeheimen: Pflegereform stoppt nicht den Tsunami

Die jüngste vdek-Auswertung zum Eigenanteil in der stationären Altenpflege zeigt erneut einen starken Anstieg der finanziellen Belastung der Pflegeheimbewohner. Patientenschützer werfen der Bundesregierung vor, bei der Verabschiedung der Pflegereform dies bewusst ignoriert zu haben.

Unrecognizable health visitor and a senior woman during home visUnrecognizable health visitor and a senior woman during home visHalfpoint – stock.adobe.comUnrecognizable health visitor and a senior woman during home visHalfpoint – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

Pflegereform: "Lauterbach springt zu kurz."

Die systemrelevante Infrastruktur, die Pflegeeinrichtungen und Dienste gehen auf dem Zahnfleisch, daher muss noch in diesem Jahr muss die Pflegeversicherung umfassend reformiert werden, fordert der bpa nach den jüngsten Äußerungen des Bundesgesundheitsministers.

Pfeil-Geldscheine-9045622-DP-AnsondePfeil-Geldscheine-9045622-DP-AnsondePfeil-Geldscheine-9045622-DP-Ansonde
Pflege & Gesetz

AOK-Gutachten bestätigt Reformdruck in der Pflegefinanzierung

Vor dem Start der Haushaltswoche im Bundestag hat der AOK-Bundesverband ein Gutachten zur Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung veröffentlicht, mit dem die Gesundheitskasse auf die Dringlichkeit von Reformen hinweist und die zeitnahe Bereitstellung von Steuermitteln zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen im Bundeshaushalt 2025 fordert.

Senior man in nursing home with doing physical therapySenior man in nursing home with doing physical therapyDC Studio – stock.adobe.comSenior man in nursing home with doing physical therapyDC Studio – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

Pflegekosten: Große Mehrheit für Vollversicherung in der Pflege

Eine parteiübergreifende Mehrheit der Bevölkerung (81 Prozent) ist für den Ausbau der gesetzlichen Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung. Unter den Anhänger*innen der SPD sind 79 Prozent, bei den Grünen 82 Prozent, in der CDU 78 Prozent sowie 76 Prozent in der FDP.

Senior woman sitting on the wheelchair aloneSenior woman sitting on the wheelchair aloneRawpixel.com – stock.adobe.comSenior woman sitting on the wheelchair aloneRawpixel.com – stock.adobe.com
Pflege versichert

Erhöhter Leistungszuschlag im Pflegeheim: Die Lücke bleibt

Mit dem PUEG werden die Leistungszuschläge bei vollstationärer Pflege ab Januar 2024 angehoben. In der Spitze gibt es dann einen Zuschuss von 75 Prozent. Dies soll eine finanzielle Entlastung für Pflegebedürftige bringen. Wann sie greift und wann nicht.

Mehr zum Thema

LoboStudioHamburg / pixabayLoboStudioHamburg / pixabay
Pflege & Gesetz

Pflegeversicherung: Neue Beitragserhöhung ab 2025 geplant

Angesichts finanzieller Engpässe soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ab Januar 2025 erneut steigen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach warnt vor drohender Zahlungsunfähigkeit bei Pflegekassen.

DebekaDebeka
Pflege & Gesetz

Pflegeversicherung: „Die Politik sorgte für trügerische Sicherheit in der Bevölkerung“

Der Leistungsausbau der gesetzlichen Pflegeversicherung habe in der Bevölkerung für „trügerische Sicherheit“ gesorgt, so Thomas Brahm, Vorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung in einem Interview. Darin plädiert er für höhere Förderung und steuerliche Erleichterungen.

PKV-Verband / pixabayPKV-Verband / pixabay
Pflege & Gesetz

PKV fordert Stopp von Leistungsausweitungen in der Pflegeversicherung

Angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit der gesetzlichen Pflegeversicherung warnt der PKV-Verband vor einer Ausweitung der Leistungen. Weitere Maßnahmen wie eine Vollversicherung seien weder bezahlbar noch zielführend, erklärt Verbandsdirektor Florian Reuther.

Geldscheine und Münzen vor der Nationalflagge DeutschlandsGeldscheine und Münzen vor der Nationalflagge DeutschlandsZerbor – stock.adobe.comGeldscheine und Münzen vor der Nationalflagge DeutschlandsZerbor – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

GKV und Pflegeversicherung von versicherungsfremden Ausgaben entlasten

Aufgrund der Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung und Sozialen Pflegeversicherung fordern die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen die Bundesregierung auf, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und die Sozialversicherungszweige insbesondere von versicherungsfremden Leistungen zu entlasten. Damit die Sozialbeiträge nicht aus dem Ruder laufen, müssen Steuermittel in die laufenden Haushaltsberatungen eingeplant werden.

A sad lonely 70 years old senior in is apartmentA sad lonely 70 years old senior in is apartmentLouis-Photo – stock.adobe.comA sad lonely 70 years old senior in is apartmentLouis-Photo – stock.adobe.com
Pflege & Gesetz

Belastungen in Milliardenhöhe: Obergrenze bei Pflegekosten finanziell nicht tragbar

Die Pflegekosten in Deutschland sind auch 2024 stark gestiegen. Deshalb erwägt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Pflegeheimbewohner mit einer Deckelung der Eigenanteile zu entlasten. Neue Berechnungen zeigen, dass diese Obergrenze gravierende Kosten verursachen würde.

Brahm_16-9.jpgBrahm_16-9.jpgThomas Brahm, Vorsitzender PKV-verbandPKV VerbandBrahm_16-9.jpgThomas Brahm, Vorsitzender PKV-verbandPKV Verband
Pflege & Gesetz

Vorsorgen, wenn die Pflegekosten durch die Babyboomer ansteigen

Konkrete Lösungskonzepte liegen auf dem Tisch: Der 'Neue Generationenvertrag für die Pflege' oder das vorgelegte Konzept für eine generationengerechte 'Pflege+ Versicherung' sowie bereits erfolgreich praktizierte Modelle einer betrieblichen Pflegezusatzversicherung. Alle anderen Ideen werden das Demografie-Problem der umlagefinanzierten Sozialen Pflegeversicherung nicht beheben.