Warum nur eine lebenslange Rente vor Altersarmut schützt

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Es kommt Bewegung in die deutsche Alterssicherungspolitik. Nicht nur der Dialog zur Stärkung der Betriebsrente, sondern auch die Fokusgruppe private Altersvorsorge haben im Jahr 2023 ihre jeweiligen Arbeiten abgeschlossen. Zudem haben die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten auf 455 Seiten Reformvorschläge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemacht, um diese zukunftssicher zu machen.

Neben viel Licht gibt es bei all diesen Reformvorschlägen aber auch Schatten. So kam unter anderem in der Fokusgruppe private Altersvorsorge der Vorschlag auf, die lebenslange Rentenauszahlung durch andere, zeitlich befristete Auszahlungsmodelle zu ersetzen. Diese haben einen entscheidenden Haken: Sie können den Lebensstandard im Alter nicht gewährleisten.

Das deutsche Alterssicherungssystem besteht aus drei Säulen: der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und der privaten Altersvorsorge (pAV). Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversorgung im Umlageverfahren kann nur durch Anpassung der Lebensarbeitszeit, des Rentenniveaus, des Beitrags oder noch weiter steigender Haushaltszuschüsse erreicht werden.

Die bAV ist ein wesentlicher Baustein zur Schließung der Versorgungslücke aus dem sinkenden Absicherungsniveau der GRV, die sich im aktuellen demografischen Umfeld auftut. Denn nach wie vor werden immer weniger beitragszahlende Arbeitnehmer eine weiterhin wachsende Zahl von Rentenempfängern finanzieren müssen. Viele kleinere Arbeitgeber bieten trotz dieser Herausforderungen bestimmte Modelle der bAV nicht aktiv an, sodass die Verbreitung der bAV nicht optimal ist.

Die pAV setzt sich sowohl aus staatlich geförderter Altersvorsorge wie der Riester- und Basisrente, als auch aus Investitionen in Eigeninitiative – beispielsweise durch Immobilienerwerb, Versicherungsprodukte, Aktienfonds und Ähnlichem – zusammen.

Die Aufgabe von Alterssicherungspolitik inklusive staatlich geförderter Altersvorsorge besteht darin, den Lebensstandard im Alter zu sichern und Altersarmut zu verhindern. Sehr gut geeignet ist dabei die Kombination aus umlagefinanzierter gesetzlicher Rente und den kapitalgedeckten Säulen der bAV und pAV.

Obgleich bAV und staatlich geförderte pAV angesichts der demografischen Entwicklung wichtige Faktoren für die Sicherung des Lebensstandards im Alter sind, zeigen die Entwicklung von Riester (Der Bestand an staatlich geförderten privaten Altersvorsorge-Verträgen war im ersten Halbjahr 2023 um mehr als 200.000 auf unter 15,7 Millionen gesunken) und die stagnierenden (zuletzt sogar leicht rückläufigen) Zahlen der Verbreitung von bAV seit 2015, dass das Angebot einer Reform bedarf, um an Attraktivität zu gewinnen und bestehende Hürden zu verringern.

Neben einer vereinfachten Förderung von privater Altersvorsorge kann eine solche Reform auch beinhalten, dass Anreize durch höhere Ertragsaussichten mittels reduzierter Garantien und damit einhergehend der Möglichkeit zu mehr sachwertorientierter Anlage (etwa Aktien oder Infrastrukturinvestments) geschaffen werden. Wesentlich bei staatlich geförderten Produkten ist mit Blick auf das Ziel der Lebensstandard-Sicherung eine kollektive Ausgestaltung. Denn nur dadurch wird eine lebenslang laufende Rente möglich.

Wir unterschätzen, wie alt wir werden

Niemand kann wissen, wie lange er oder sie tatsächlich lebt. Vielfach wird die Wahrscheinlichkeit, sehr alt zu werden, gravierend unterschätzt. Ein 2003 geborener Mann hat selbst bei einer pessimistischen Einschätzung der Entwicklung der Lebenserwartung bei seinem Renteneintritt mit 67 Jahren eine voraussichtliche Gesamt-Lebenserwartung von über 86 Jahren. Aber

  • zu 37,65 Prozent wird er mindestes 90 Jahre
  • zu 17,63 Prozent wird er mindestes 95 Jahre
  • zu 4,64 Prozent wird er mindestes 100 Jahre alt.
  • Eine 2003 geborene Frau hat ab ihrem Renteneintritt mit 67 Jahren eine voraussichtliche Lebenserwartung von mindestes 89 Jahren. Doch auch für sie ist die Chance, deutlich älter zu werden nicht unerheblich, denn

    • zu 51 Prozent wird sie mindestes 90 Jahre
    • zu 27,48 Prozent wird sie mindestes 95 Jahre
    • zu 8,7 Prozent wird sie mindestes 100 Jahre alt.
    • Die Wahrscheinlichkeit, dass die betrachteten Personen mindestens 86 Jahre alt werden, ein Auszahlungsplan bis zum Alter von 85 Jahren also zu früh oder deutlich zu früh endet, beträgt für den betrachteten Mann ab Erreichen des Rentenalters 55 Prozent und für die Frau sogar 67,97 Prozent. Damit würde zwischen der Hälfte und zwei Dritteln der Bevölkerung die Rente vor dem Leben enden. Das ist inakzeptabel und sogar finanziell gefährlich, insbesondere bei staatlich geförderten Produkten, die unter Einsatz staatlicher Mittel genau dieses Risiko absichern wollen.

      Kollektive Prozesse sorgen für Risikoausgleich

      Ein großer Teil der Lebensstandardsicherung wird benötigt, um für lebenslange Kosten wie Miete, Ernährung oder andere laufende Kosten aufzukommen. Hierfür sind stabile Zahlungen erforderlich, die garantiert bis zum Lebensende laufen und nicht dann enden, wenn ein Vermögenstopf aufgebraucht ist.

      Die Möglichkeit, diese über Auszahlungspläne für den Einzelnen zu gewährleisten, ist aufgrund des Nichtwissens über das eigene Lebensalter und die relevante Wahrscheinlichkeit, deutlich älter zu werden als der Durchschnitt, kaum gegeben. Das würde darauf hinauslaufen, dass viele Rentner – teilweise mit hohem Pflegebedarf – durch die Wahl eines nicht lebenslang garantierte Auszahlungsmodells plötzlich kein Geld mehr hätten.

      Aufgrund dieser beiden Kernargumente räumt staatlich geförderte Alterssicherungspolitik bislang lebenslangen Renten eine Sonderstellung ein. Was für den Einzelnen nicht möglich ist, macht der Risikoausgleich mit anderen Versicherten, das sogenannte Kollektiv, möglich.

      Das (Versicherungs-)Kollektiv hilft in der Ansparphase, Garantien abzubilden, da sie dort erheblich günstiger darzustellen sind als auf individueller Basis. Weiterhin ist es unentbehrlich, Garantien in der Entsparphase zu gewährleisten. Denn nur über das Kollektiv können Schwankungen am Kapitalmarkt und Unsicherheiten über die eigene Lebensdauer ausgeglichen werden.

      Der Ansatz, relevante Risiken durch den Risikoausgleich in der Gemeinschaft für das Individuum tragbar zu machen, ist der grundlegende Gedanke von Versicherungen, der beispielsweise bei einer Haftpflichtversicherung nicht infrage steht, bei der Alterssicherung aber immer wieder bestritten wird.

      Fazit

      Das Ziel der Lebensstandardsicherung im Alter beinhaltet maßgeblich die Finanzierung lebenslang laufender Kosten. Diese können nur durch eine lebenslange Auszahlung zuverlässig beglichen werden. Da niemand sicher wissen kann, wie lange er oder sie lebt, ist der Risikoausgleich im Kollektiv unabdingbar, um massenhafte Altersarmut ab einem gewissen Alter oder nach Auslaufen eines Kapitaltopfes zu vermeiden.

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