PKV-Beitragsentlastungstarife unter Druck: Kann die AXA das Urteil des OLG Frankfurt noch verhindern?

Am 14.02.2024 fand vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 7 U 17/23 die erste obergerichtliche Verhandlung zum Widerruf eines Beitragsentlastungstarifs ("BET") der AXA Krankenversicherung AG ("AXA") statt. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Widerruf des AXA-versicherten Klägers für wirksam erachtet, so dass dieser aller Voraussicht nach sämtliche BEA-Prämien in Höhe von über 11.500,00 Euro zurückerstattet bekommen wird. Brisant ist aber vor allem, dass die Entscheidung auf hunderttausende AXA-Policen übertragbar ist und das zu erwartende Urteil daher Signalwirkung haben dürfte. Denn zahlreiche abgeschlossene Versicherungstarife wären nach Ansicht des OLG Frankfurt widerrufbar. Dann aber sind die Versicherungsprämien nach Widerruf zurückzuzahlen, auch wenn der Widerruf erst heute ausgeübt wird. Kein Wunder, dass die AXA mit allen Kräften versucht, das Urteil zu verhindern. Die Kanzlei Ghendler Ruvinskij argumentierte vor dem OLG, dass die AXA seit 2008 die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung missachtet. Insbesondere sei entgegen der Vorschrift des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG, wonach eine Widerrufsbelehrung eine "ladungsfähige Anschrift" enthalten müsse, stets nur eine sogenannte Großkundenpostleitzahl angegeben worden. Eine solche ist aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht als ladungsfähige Anschrift zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 20.06.2017, XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 Rn. 26). Das noch ausstehende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main dürfte richtungsweisend sein. Klägervertreter Ilja Ruvinskij, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, führt aus:

(PDF)
Wooden GavelWooden Gaveljustasc – stock.adobe.com

"Die im Verfahren konkret beanstandete Belehrung wurde von der Beklagten in abertausenden Fällen verwendet. Das anstehende Urteil stärkt die Position der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer, die mangels ausreichender Belehrung einen für sie nachteiligen Risikotarif abgeschlossen haben." Tatsächlich wird gerade der Beitragsentlastungstarif von Verbraucherschützern und unabhängigen Versicherungsexperten heftig kritisiert. Beitragsentlastungstarife, die ähnlich wie Rentenversicherungen funktionieren sollen und nur vermeintlich eine deutliche Beitragsentlastung im Alter garantieren, zahlen sich in der Realität fast nie aus. Vielmehr bleibt den Versicherten oft ein dickes Minus. So stellt etwa die Verbraucherzentrale Hamburg fest

"Wir raten vom Abschluss eines gesonderten Tarifbausteins zur Beitragsentlastung im Alter ab, denn er rentiert sich meist nicht: Die Beiträge bleiben trotz Zusatzvereinbarung hoch und das angesparte Geld kann zudem verloren gehen." Ein isolierter Widerruf dieses Tarifs ist daher für die Versicherten besonders vorteilhaft, da sie durch den Widerruf keine relevanten Vorteile verlieren. Die Beitragsrückerstattung bleibt also nicht der einzige Anreiz eines Widerrufs. Die Auswirkungen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts sind für die AXA-Versicherten aber noch weitreichender, da die AXA die beanstandete Widerrufsbelehrung auch bei anderen Versicherungstarifen verwendet hat Damit ist die Entscheidung auch für AXA-Versicherte relevant, die keinen Beitragsentlastungstarif vereinbart haben. Dementsprechend sollten alle AXA-Versicherten, insbesondere diejenigen, die mit ihrem Tarif unzufrieden sind, prüfen, ob die AXA in ihren Verträgen eine Großkundenadresse verwendet hat. Dieses potentielle Geschäftsrisiko dürfte auch der Grund dafür sein, dass die AXA ein Urteil in der Sache vor dem OLG Frankfurt am Main unbedingt vermeiden möchte und den Vergleichsvorschlag des Gerichts, immerhin 90 Prozent der eingeklagten Summe, sofort annehmen wollte. Nachdem ein Vergleich vom Kläger jedoch abgelehnt wurde, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Verlegung des Verkündungstermins und kündigten an, dass die Beklagte ein neues Vergleichsangebot unterbreiten werde. Die AXA scheint also zumindest ihre Fehler erkannt zu haben und hat auch ihre Belehrungen überarbeitet. Allerdings zu spät und erst nachdem die Kanzlei Ghendler Ruvinskij die ersten Rückabwicklungsklagen zum Beitragsentlastungstarif eingereicht hatte. Klägervertreter Ilja Ruvinskij stellt fest:

"Unabhängig davon, wie sich das ganze Thema in Zukunft entwickelt, können wir schon heute einen ganz grundsätzlichen Erfolg für uns verbuchen: Auf neueren Widerrufsbelehrungen - etwa ab 2022 - gibt die AXA nun eine korrekte Anschrift an, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Das ist ein Sieg für den Verbraucherschutz. Für die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer der AXA wird es künftig mehr Transparenz geben, so dass die Ausübung des Widerrufsrechts - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - ohne unnötige Hürden möglich ist." Nachdem der Bundesgerichtshof erst im Januar dieses Jahres in einem von der Kanzlei Ghendler Ruvinskij betreuten Verfahren die Prämienanpassungsklausel im Beitragsentlastungstarif der AXA für unwirksam erklärt hat (Urteil vom 17.01.2024, Az.: IV ZR 51/22), dürfte nun der nächste gerichtliche Sieg der Kanzlei gegen die AXA folgen. AXA-Versicherte sollten daher ihre PKV-Versicherungsunterlagen in jedem Falle sorgfältig prüfen. Ein Beitrag im Original von KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei über news aktuell.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Young woman with coffee mug sitting on the floor with laptop. CoYoung woman with coffee mug sitting on the floor with laptop. CoStasique – stock.adobe.comYoung woman with coffee mug sitting on the floor with laptop. CoStasique – stock.adobe.com
Finanzen

ONESTY startet Finance Facts zur Finanzbildung

ONESTY macht die Menschen in Deutschland durch Vermittlung von faktenbasiertem Wissen und individuelle Beratungen fit für Finanzen. Mit dem Blog "Finance Facts" erweitert die ONESTY Finance GmbH ihr Engagement in der Finanzbildung. Ziel der Plattform ist es, Finanzthemen wie Altersvorsorge, Absicherung und Vermögensaufbau leicht verständlich aufzubereiten.

Doctor vaccinating young man in clinicDoctor vaccinating young man in clinicPixel-Shot – stock.adobe.comDoctor vaccinating young man in clinicPixel-Shot – stock.adobe.com
Presseportal

Rechtsschutzversicherer verweigern oft Deckung bei Klagen wegen Covid-19-Impfschäden: Betroffene wehren sich rechtlich mit Erfolg

Ab 31.12.2024 droht die Verjährung der rechtlichen Schadenersatzansprüche aus § 84 AMG. Sollte sich aufgrund der unvermeidbaren BGH-Rechtsprechung ergeben, dass Deckungsablehnungen der Versicherer rechtswidrig und Versicherte gehindert waren, in unverjährter Zeit erfolgsversprechende Schadenersatzklagen einzureichen, dürften Schadenersatzansprüche gegen Rechtsschutzversicherungen bestehen.

Martin-Graefer-2024-die-BayerischeMartin-Graefer-2024-die-Bayerischedie BayerischeMartin-Graefer-2024-die-Bayerischedie Bayerische
Finanzen

Höherer Garantiezins ab 2025: die Bayerische schließt 2024-Neukunden ein

Zum 01.01.2025 vervierfacht sich der Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen von bislang 0,25 auf 1 Prozent. Kundinnen und Kunden in der privaten Altersvorsorge und für Berufsunfähigkeitsversicherungen des Jahres 2024 profitieren ebenfalls ab 01.01.2025 vom neuen Höchstrechnungszins.

DB-Mitarbeiterin im ICE-Werk Krefeld_Jürgen Naber.jpgDB-Mitarbeiterin im ICE-Werk Krefeld_Jürgen Naber.jpgDEVK VersicherungenDB-Mitarbeiterin im ICE-Werk Krefeld_Jürgen Naber.jpgDEVK Versicherungen
Presseportal

DEVK zahlt über vier Mio. Euro an ihre Mitglieder aus

Als Versicherungsverein erstattet die DEVK Beschäftigten der Verkehrsbranche einmal im Jahr einen Teil der Beiträge, wenn die Schadenentwicklung es zulässt. 2024 Jahr erhalten Mitglieder mit Hausratversicherung über vier Millionen Euro.

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.