Mehr Zombie-Unternehmen in Deutschland - ohne Reaktion der Kapitalmärkte

Eine aktuelle Kearney-Studie zeigt: Das Wachstum der Zombie-Unternehmen schreitet ungebrochen voran, seit 2010 jährlich um rund neun Prozent. Beinahe sechs Prozent der weltweit börsennotierten Unternehmen zählen dazu. Die Kapitalmärkte scheinen allerdings weiterhin unbeeindruckt und Investoren zahlen immense Preise für die Übernahme untoter Unternehmen, der Mehrwert ist allerdings meist von kurzer Dauer. Die Zombie-Invasion geht weiter. Durch die anhaltende Inflation, die Kreditkosten auf das höchste Niveau seit einem Jahrzehnt getrieben hat, ist die Anzahl der Unternehmenszombies auch im Jahr 2023 weltweit erneut angestiegen. Gemeint sind Unternehmen, die nicht genügend Gewinne aus dem operativen Geschäft erzielen, um ihre finanziellen Schuldenverpflichtungen zu erfüllen - sie machen nun 5,8 Prozent aller börsennotierten Unternehmen weltweit aus. "Allein im letzten Jahr kamen 827 solcher Unternehmen dazu, was die 534, die durch verbesserte finanzielle Situationen "wiederbelebt" wurden, und die 127 Unternehmen, die von der Börse genommen wurden, übertrifft", erklärt Nils Kuhlwein, Partner bei Kearney. Die Auswirkungen der schwierigen Finanzierungs- und Handelsbedingungen begründen den Anstieg bei diesen Firmen. "Laut unseren Stresstests zu den Zinssätzen wird der Anstieg der Zombie-Unternehmen ziemlich sicher so weitergehen - besonders, da sich viele Unternehmen vor Corona zu niedrigen Zinsen finanziert haben und nun eine Refinanzierung ansteht." Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen derzeit jährliche Zinszahlungen von einer Million Dollar hat, würde eine 1,5-fache Zinserhöhung die jährliche Zahlung auf 1,5 Millionen Dollar erhöhen - und vorausgesetzt, es gibt keine weiteren Veränderungen in der Ertragslage - würde dies 6,6 Prozent der weltweit börsennotierten Unternehmen in Zombies verwandeln. Eine Verdoppelung der Zinssätze könnte diese Zahl auf 7,7 Prozent ansteigen lassen - unwahrscheinlich sei das laut dem Experten nicht. Denn wenn die Zinsen vor Corona noch bei 1,5 Prozent standen, müssen Unternehmen aktuell häufig Zinssätze von sechs Prozent tragen, was sogar einer Vervierfachung entspricht. Zombies nehmen bei Firmen aller Größen zu, wobei der bedeutendste Anstieg im letzten Jahr bei mittelgroßen Unternehmen zu verzeichnen war. Nach wie vor sind allerdings solche mit einem Jahresumsatz von 500 Millionen Dollar oder weniger am meisten betroffen.

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Spekulation auf die Untoten: Warum sich so viele Investoren verschätzen

Falls das nicht schon beängstigend genug ist, kommt für Kuhlwein noch hinzu: "Die Kapitalmärkte zeigen sich zurzeit noch blind gegenüber dieser Entwicklung. Eine solche Entkoppelung der Wirtschaft von den Börsen hat auch in der Finanzkrise 2008 stattgefunden. Investoren sollten diese Dynamik daher genau beobachten." Doch das Gegenteil sei der Fall. Das gestiegene Interesse an Zombies als Investitionen ist nicht nur ungebrochen, es werden auch immense Preise für sie bezahlt. "Zombies werden im Schnitt mit einem Transaktionswert von viermal dem Umsatz gekauft, während gesunde Unternehmen mit 2,5mal dem Umsatz bewertet werden. Strategische Investoren scheinen hier also ein enormes Wertsteigerungspotenzial zu sehen", so Kuhlwein. Für die Studie wurden insgesamt 7.710 Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse untersucht. Laut Kuhlwein gibt es allerdings klare Hinweise darauf, dass viele Käufer nicht in der Lage sind, die maroden Unternehmen zu integrieren oder erfolgreich zu sanieren: "Rund ein Fünftel der akquirierten Zombies landen schnell wieder auf dem Markt, so dass sie ein weiteres Mal übernommen werden, vier Prozent sogar mehr als zweimal." Trotz des oft geringeren Unternehmenswertes im Vergleich zur Schuldenhöhe sind Zombie-Unternehmen laut der Studie für strategische Investoren, die sich geistiges Eigentum und Marktanteile erkaufen oder Größenvorteile sichern wollen, äußerst attraktiv. Diese machen 81 Prozent der Zombie-bezogenen Fusionen und Übernahmen aus. "Ein klassisches Beispiel sind Pharmaunternehmen, die Biotech-Startups kaufen, die in einer Frühphase aufgrund von erheblichen Forschungskosten noch rote Zahlen schreiben, und so zu guten Übernahmekandidaten werden", weiß Kuhlwein. Obwohl die Käufer anfangs eine attraktive Rendite auf ihre Investition erhalten, bestätigen die Daten, dass die Übernahmen nur kurzfristigen Wert bieten. Während Zombie-Unternehmen ein Jahr nach der Übernahme den Total Shareholder Return (TSR) um 15 Prozent steigern, liegt dieser bei "normalen" Unternehmen bei lediglich sechs Prozent. Nach den ersten zwölf Monaten schwinde der Vorteil laut Kuhlwein und die Werte für den TSR gleichen sich mit der Zeit an. Die Akquisition von Zombies zahlt sich also aus - für alle die es schaffen, die positiven Entwicklungen der Phase direkt nach dem Kauf optimal zu nutzen.

Asien und Australien: Zombie-Unternehmen im Vergleich zu Europa zehnmal höherer Anstieg

Globale Wirtschaftstrends verliefen im letzten Jahr weltweit sehr unterschiedlich, und so auch die Entwicklung der Zombies. In einigen Regionen und Ländern war ein starker Anstieg untoter Unternehmen zu verzeichnen, während in anderen die Zombie-Population zurückging. Während Asien mit zehn Prozent und Australien mit 14 Prozent viele neue solcher Unternehmen registrierte, gab es in Normamerika sechs Prozent und in Europa nur ein Prozent Zuwachs. Zwei Kontinente registrierten Rückgänge: Südamerika mit fünf Prozent und Afrika (drei Prozent). Und auch in Europa gab es positive Entwicklungen, weiß Christian Feldmann, ebenfalls Partner bei Kearney: "Die Schweiz verzeichnete mit 30 Prozent den größten proportionalen Rückgang an Zombies aller Länder, die wir untersucht haben. Der Anteil sank dort von 5,1 Prozent im Jahr 2022 auf 3,6 Prozent." Der hohe Prozentsatz insolvenzgefährdeter Unternehmen in Asien könne eine Folge der schwierigen Zeiten in der Immobilienbranche einiger Länder der Region sein. China war von einem Abschwung im Immobiliensektor besonders stark betroffen, was zu einer Vermehrung der Zombies um 27 Prozent führte. Dies brachte den gesamten Anteil der schwächelnden Unternehmen auf 3,4 Prozent, was allerdings immer noch deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 5,8 Prozent liegt. Deutschland verzeichnete mit 24 Prozent ein ähnlich signifikantes Wachstum an Zombie-Unternehmen, wodurch deren Quote unter allen börsennotierten Unternehmen auf 6,7 Prozent anstieg. "Zurückzuführen ist diese Entwicklung vermutlich auf das langsame Wirtschaftswachstum hierzulande, die Inflation und die rückläufigen Exporte im letzten Jahr", erklärt Feldmann. Diese regionalen Unterschiede verdeutlichen, wie unterschiedliche Geldpolitik und verschiedene Finanzierungslösungen Unternehmen in bestimmten Regionen anfälliger für finanzielle Schwierigkeiten machen.

Zombies gefährden die gesamte Wertschöpfungskette

Blickt man auf die am stärksten betroffenen Sektoren, stieg die Zahl der Zombie-Unternehmen im Immobiliensektor von 8,9 Prozent im Jahr 2022 auf 11,0 Prozent im Jahr 2023 stark an. Sollten die Zinsen weiter steigen, steigt auch die Zahl der Zombies, wie Kearneys Stresstests zeigen. Bei einer Erhöhung um das 1,5-fache könnte der Anteil auf 13,3 Prozent steigen, und bei einer Verdopplung sogar auf 16,2 Prozent, was eine der höchsten Raten unter allen untersuchten Branchen wäre. Feldmann warnt: "Ein hoher Anteil an Zombies bei Immobilienunternehmen hat das Potenzial einer hohen Folgewirkung auf etwa Bauunternehmen, Handwerker und die Baustoffindustrie." Das zeige zum einen die Verkettung der Sektoren, aber auch die Gefahr, die von Zombies ausgeht. Denn, wenn diese doch einmal unkontrolliert umkippen, gefährden sie schnell die gesamte Wertschöpfungskette. Zur Studie: https://www.kearney.com/service/mergers-acquisitions/article/zombie-buyers-beware

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