Die Finanzdienstleistungsbranche erlebt einen tiefgreifenden Wandel, der auch den Vertrieb deutlich verändern wird. Treiber dafür sind technologische Innovationen, sich verändernde Kundenanforderungen und das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle. Dadurch kommen neue Herausforderungen auf Führungskräfte zu.
Der Fokus auf Werte und Kompetenzen wird dabei entscheidend für die Bewältigung dieser Anforderungen sein. Unternehmen, die hier ihren Blick schärfen, zählen zukünftig zu den Gewinnern.
Betrachten wir aber zunächst die Ausgangslage. Diese drei wichtigen digitalen Trends verändern die Finanzdienstleistungen bereits und werden das in den kommenden Jahren noch deutlicher tun:
1. Digitalisierung und Automatisierung
Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Big Data und Robotic Process Automation (RPA) ermöglichen es, Vertriebsvorgänge zu automatisieren und zu optimieren. Der Einsatz von KI erlaubt es, riesige Mengen an Kundendaten zu analysieren und dadurch personalisierte Angebote zu erstellen. Diese personalisierte Ansprache erhöht Effizienz und Effektivität des Vertriebsprozesses erheblich. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Chatbots und virtuellen Assistenten. Sie können einfache Kundenanfragen rund um die Uhr beantworten. Zudem entlasten sie menschliche Berater, die sich auf komplexere Anfragen konzentrieren können.
2. Omni-Channel-Strategien
Kunden erwarten heute nahtlose und konsistente Erlebnisse über alle Vertriebskanäle hinweg. Eine erfolgreiche Omni-Channel-Strategie integriert digitale und traditionelle Kanäle und ermöglicht es den Kunden, problemlos zwischen Online- und Offline-Interaktionen zu wechseln. Diese Integration erfordert eine enge Verzahnung von IT-Systemen und eine umfassende Datensynchronisation. Beispielsweise müssen Informationen aus dem Online-Banking für Berater in der Filiale sofort zugänglich sein, um eine personalisierte Kundenbetreuung zu gewährleisten. Unternehmen müssen in Systeme investieren, die eine Echtzeit-Datenintegration ermöglichen, und sicherstellen, dass alle Vertriebsmitarbeiter geschult sind. Die gute Nachricht: Diese Investitionen zahlen sich aus, da sie die Kundenbindung stärken und die Kundenzufriedenheit erhöhen.
3. Neue Geschäftsmodelle und Plattformen
FinTechs und InsurTechs drängen in den letzten Jahren massiv in den Markt und verändern die Spielregeln. Diese Unternehmen nutzen digitale Plattformen, um innovative Finanzprodukte und Dienstleistungen anzubieten, die oft günstiger und benutzerfreundlicher sind als traditionelle Angebote.
Finanzdienstleister müssen daher ihre Geschäftsmodelle überdenken und von Fall zu Fall Partnerschaften mit den neuen Akteuren eingehen.
Unternehmen aus der Branche können eigene Plattformen entwickeln oder sich an bestehenden beteiligen, um ihre Reichweite zu erhöhen. Dies erfordert jedoch auch eine Anpassung der internen Prozesse, um die Integration und das Management der jeweiligen Plattformen zu ermöglichen.
Anpassung der Vertriebsorganisationen
Um mit diesen Veränderungen Schritt zu halten, müssen sowohl kleinere Maklergesellschaften als auch große Vertriebsorganisationen ihre Strukturen anpassen. Dies umfasst die Implementierung agiler Arbeitsmethoden, die Förderung einer innovationsfreundlichen Kultur und die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden.
- Agile Methoden wie Scrum und Kanban ermöglichen es, auf Marktveränderungen zu reagieren und neue Ansätze schnell zu testen.
- Mit einer innovationsfreundlichen Umgebung werden Mitarbeitende ermutigt, neue Ideen zu entwickeln und auszuprobieren. Dies stärkt die Innovationskraft.
- Zudem ist die kontinuierliche Weiterbildung wichtig, um sicherzustellen, dass sie über die neuesten Kenntnisse verfügen, um in einer sich schnell verändernden Branche erfolgreich zu sein.
Werte und Kompetenzen als Schlüsselfaktoren
80 Prozent der deutschen Unternehmen sind sich sicher, dass ihre Führungskräfte in fünf Jahren völlig andere Kompetenzen benötigen als heute. Warum ist das so? In einer zunehmend digitalen und dynamischen Arbeitswelt werden Werte und Kompetenzen zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Die Fähigkeit, selbstorganisiert, kreativ und agil zu handeln, wird immer wichtiger. Diese Kompetenzen müssen durch eine geeignete Unternehmenskultur und durch kontinuierliches Lernen gefördert werden. Kompetenzen wie Problemlösungsfähigkeiten, kritisches Denken und emotionale Intelligenz sind entscheidend, um in einer sich ständig verändernden Arbeitsumgebung erfolgreich zu sein. Werte wie Integrität, Verantwortung und Kundenorientierung bilden die Grundlage für diese Kompetenzen und müssen in der Unternehmenskultur fest verankert sein. Dies gilt im Bereich der Finanzdienstleistungen umso mehr, da das Vertrauen von Kunden bei sensiblen Kaufentscheidungen eine besondere Rolle spielt.
Einsatz von Plattformen und KI in der Weiterbildung
Die digitale Transformation verändert nicht nur Geschäftsmodelle, sondern auch die Art und Weise, wie Mitarbeitende lernen und sich weiterentwickeln. Konzepte wie „Future Learning“ setzen auf digitale Tools und Plattformen, um Lernen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dies ermöglicht eine personalisierte und selbstorganisierte Entwicklung der Mitarbeitenden.
Digitale Lernplattformen bieten eine Vielzahl von Lernmaterialien, die auf die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Mitarbeitenden zugeschnitten sind. Sie ermöglichen es den Mitarbeitenden, jederzeit und überall auf Lerninhalte zuzugreifen und ihre Lernfortschritte selbst zu steuern. Dies fördert nicht nur das selbstorganisierte Lernen, sondern erhöht auch die Motivation und das Engagement. Unternehmen müssen flexible Strukturen schaffen, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Dies erfordert ein agiles Mindset und die Bereitschaft, ständig neue Methoden und Ansätze zu erlernen und anzuwenden.
Kompetenzmanagement und Werteorientierung
Ein effektives Kompetenzmanagement ist unerlässlich, um die benötigten Fähigkeiten und Haltungen zu entwickeln. Werte wie Eigenverantwortung, Innovationsbereitschaft und Teamarbeit bilden die Grundlage dafür. Diese Werte müssen im täglichen Arbeitsprozess gelebt und kontinuierlich gefördert werden.
Kompetenzmanagement umfasst die Identifizierung der erforderlichen Kompetenzen, die Bewertung der bestehenden Fähigkeiten der Mitarbeitenden und die Entwicklung gezielter Maßnahmen zur Förderung dieser Kompetenzen. Dies kann durch individuelle Entwicklungspläne, Mentoring-Programme und praxisorientierte Trainings erfolgen. Werte und Kompetenzen sind dabei eng miteinander verknüpft: Werte geben die Richtung vor, in die sich Mitarbeitende entwickeln sollen, und Kompetenzen sind die Fähigkeiten, die sie benötigen, um diese Werte in die Praxis umzusetzen.
Die Zukunft des Vertriebs von Finanzdienstleistungen wird maßgeblich durch die digitale Transformation und neue Geschäftsmodelle geprägt. Werte und Kompetenzen sind hier ein entscheidender Schlüsselfaktor, um erfolgreich zu sein.
Über den Autor
Prof. Dr. Werner Sauter ist Wissenschaftlicher Leiter und Senior Consultant der Swiss Connect Academy Deutschland GmbH (https://swiss-connect-academy.de/). Er entwickelt Führungskräfte sowie Learning Professionals und ist Fachbuchautor für Werte- und Kompetenzmanagement. Regelmäßig beleuchtet er die aktuellen Entwicklungen im Corporate Learning in seinem Blog https://swiss-connect-academy.de/blog/.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Vier Trends für 2025: KI-Agenten und Hyper-Automation
Mindbreeze, ein führender Anbieter von KI-basierten Wissensmanagement-Lösungen, identifiziert vier Trends für das Jahr 2025 und skizziert die bedeutendsten Unternehmensbereiche, in denen künstliche Intelligenz die Transformation vorantreiben wird.
Personalisierung der Customer Journey
Individuelle Bedürfnisse und maßgeschneiderte Lösungen gewinnen in nahezu allen Lebensbereichen an Bedeutung. Auch in der Krankenversicherung rückt die Personalisierung immer mehr in den Vordergrund. Die fortschreitende Digitalisierung und die wachsende Menge an verfügbaren Daten eröffnen neue Möglichkeiten, die Gesundheitssysteme grundlegend zu verändern.
Digitalisierung hält langsam Einzug in das Tagesgeschäft
Wie weit geht die Nutzung digitaler Tools im Alltag der Vermittlerinnen und Vermittler? Wie und wofür werden Apps, Beratungsprogramme und RoboAdvisor verwendet? Diesen Fragen ging der AfW für ein umfassendes Stimmungsbild der Branche nach.
Verbraucher offen für Chatbots im Kundenservice
Jeder dritte Bundesbürger begrüßt den Einsatz von KI-Chatbots in der Kundenbetreuung und jeder fünfte wäre bereit, künftig ganz auf menschlichen Kundenservice zu verzichten. Trotz dieser Offenheit bleibt der persönliche Kontakt für 75 Prozent der Verbraucher weiterhin wichtig, zumindest als Option.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
GPT-4.5: Inkrementelle Optimierung statt bahnbrechender Fortschritt
Mit der Veröffentlichung von GPT-4.5 am 27. Februar 2025 setzt OpenAI den Weg der schrittweisen Modellverbesserung fort. Die neue Version bringt eine effizientere Rechenleistung, reduziert Fehler und verarbeitet längere Kontexte zuverlässiger.
Leitungswasserschäden: INTER testet KI-gestützte Lösung zur Früherkennung
Leitungswasserschäden mit Hilfe von KI rechtzeitig erkennen - das ist das erklärte Ziel einer Kooperation zwischen der INTER und dem Start-Up Enzo. Für ausgewählte INTER-Kunden beginnt eine Testphase.
Elektronische Patientenakte gestartet: Modellregionen testen neues System
Seit Mitte Januar wird die „ePA für alle“ schrittweise eingeführt – zunächst in ausgewählten Regionen. Der GKV-Spitzenverband betont, dass das System ausreichend getestet werden muss.
EU-Kommission hält an FIDA-Verordnung fest – Open Finance bleibt auf der Agenda
Nachdem zunächst Berichte die Runde machten, dass die EU-Kommission ihre Pläne zur Regulierung von Open Finance gestoppt habe, zeigt das finale Arbeitsprogramm nun ein anderes Bild: Die FIDA-Verordnung bleibt auf der politischen Agenda. Branchenverbände begrüßen die Kehrtwende und fordern eine praxisnahe Umsetzung.