Das Oberlandesgericht Schleswig hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, welche Anforderungen an den Nachweis der Arglist bei einer Antragsstellung zu stellen sind (Urteil v. 16.11.23 – 16 U 44/21).
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei einem Versicherer eine fondsgebundene Rentenversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Den entsprechenden Antrag zum Abschluss der Versicherung hatte der Versicherungsnehmer nicht selbst händisch ausgefüllt, sondern die entsprechenden Antworten diktiert. Die Frage des Versicherers im Versicherungsantrag, ob denn Vorerkrankungen vorliegen, ließ der Versicherungsnehmer mit nein ankreuzen. Dies entsprach jedoch nicht der Wahrheit, da der Versicherungsnehmer entgegen seinen Angaben unter mehreren Vorerkrankungen litt.
Nachfolgend machte der Versicherungsnehmer Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend (siehe dazu auch: Berufsunfähigkeitsversicherung: Der Ablauf des BU-Verfahrens). Der Versicherer holte daraufhin zur Überprüfung seiner Leistungspflicht entsprechende Informationen von den behandelnden Ärzten und der Krankenversicherung des Versicherungsnehmers ein. Im Zuge dessen wurde der Versicherer auch auf die zuvor verschwiegenen Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers aufmerksam. Er erklärte daraufhin die Anfechtung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und berief sich auf das Verschweigen der Vorerkrankungen. Das Verschweigen der Vorerkrankungen könne als Nachweis der Arglist gesehen werden.
Der Versicherungsnehmer erwiderte daraufhin, er habe das Antragsformular nicht selbst händisch ausgefüllt und sei durch den Ausfüllenden nicht über den Inhalt und die Bedeutung der Gesundheitsfragen aufgeklärt worden. Er habe nicht die Gelegenheit bekommen den Fragenkatalog selbst durchzulesen. Der Zeuge habe ihm lediglich die Überschriften der Fragen vorgelesen und diese dann nach jeweiliger Nachfrage zügig ausgefüllt. Auch habe der Ausfüllende bezüglich der fraglichen Angaben gesagt, sie seien nicht von Relevanz.
Aufgrund der endgültigen Leistungsablehnung des Versicherers erhob der Versicherungsnehmer daraufhin Klage vor dem Landgericht Lübeck und begehrte unter anderem die Feststellung des Fortbestands des Vertrages sowie eine Leistungspflicht des Versicherers. Das Landgericht Lübeck wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Dagegen legte der Versicherungsnehmer Berufung vor dem Oberlandesgericht Schleswig ein.
Entscheidung zugunsten des Versicherungsnehmers
Das Oberlandesgericht Schleswig gab der Berufung des Versicherungsnehmers überwiegend statt. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen einer Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) nicht vorlägen.
Nachweis der Arglist?
Zunächst sei dem Versicherer der ihm obliegende Nachweis der Arglist nicht gelungen. Der Versicherungsnehmer müsse bei dem Ausfüllen des Vertragsantrags vorsätzlich eine Vorspieglung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen vorgenommen haben, mit dem Zweck der Erregung oder der Aufrechterhaltung eines Irrtums bei dem Versicherer. Dafür müsse der Versicherungsnehmer bewusst auf die Entscheidung des Versicherers einwirken. Der Versicherungsnehmer müsse dafür erkennen und billigen, dass der Antrag vom Versicherer bei Angabe der wahren Tatsachen gar nicht oder unter anderen Umständen zustande gekommen wäre.
Ein solcher Vorsatz könne schon nicht schon in der Angabe falscher Tatsachen in dem Versicherungsantrag gesehen werden. Es könne nicht von einem Grundsatz ausgegangen werden, dass eine bewusste unrichtige Angabe schon immer nur in Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers zum Abschluss des Vertrages einzuwirken. Dies reiche für einen Nachweis der Arglist nicht aus. Anhand der Angaben des Versicherungsnehmers könne nicht ausgeschlossen werden, dass er die gemachten Angaben für richtig hielt. Der geforderte Vorsatz könne aber in jeden Fall nicht zweifelsfrei dargelegt werden. Das Oberlandesgericht kam infolgedessen zu dem Ergebnis, dass dem Versicherungsnehmer ein teilweiser Anspruch auf Zahlung der geforderten Leistung zustehe.
Fazit zum Urteil des OLG Schleswig
Das Urteil das Oberlandesgerichts Schleswig zeigt, dass es für den Nachweis der Arglist nicht ausreicht, dass der Versicherungsnehmer den Antrag falsch ausgefüllt habe. Vielmehr muss auch nachgewiesen werden, dass der Versicherungsnehmer den Versicherer vorsätzlich getäuscht habe. Dafür müsste er davon ausgehen, dass der Vertrag gar nicht oder nicht unter denselben Bedingungen zustande käme. Von einem allgemeinen Grundsatz, dass in jedem Falschausfüllen auch eine arglistige Täuschung liege, besteht nicht. Beruft sich Ihr Versicherer darauf, dass allein in einer falschen Angabe schon ein Nachweis einer arglistigen Täuschung liege, so kann es sich anbieten diese Rechtsauffassung durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Nicht jeder Vorwurf einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist berechtigt, wie dieser Fall zeigt.